Bundesliga-Auftakt mit Verzögerung

Erstellt am: 01.11.2015

von Andreas Albers
Zweimal spannende Matches, zweimal klare Siege für die Heimteams!

Emsdetten – Dresden 5,5-2,5
Die Ausgangslage versprach eine völlig offene Begegnung, am Ende war es doch deutlich!

Leichte Elo-Vorteile an 1+2, für Dresden mit „Mr. World-Cup“ Pavel Eljanov im Duell mit dem russischen Jungstar Daniil Dubov. Im Gegenzug etwas Übergewicht an den Brettern 6-8 für Turm Emsdetten. Erste kleinere Tendenzen deuteten sich ausgerechnet im ganz klassischen Französisch-Abtausch zwischen Paul Hoffmann und Thomas Fiebig an, in dem Schwarz erstaunlich schnell mit dem Rücken zur Wand stand, dafür schien der frischgebackene Großmeister Jorden van Foreest gegen den „Ur-Dresdener“ (okay, der Platz ist eigentlich für Wolfgang Uhlmann vergeben, in diesem Match war dieser leider nicht aktiv) Jens-Uwe Maiwald auf einige Abwege zu geraten, zumindest wenn man der Computerbewertung glauben durfte. Maiwald verbrauchte allerdings sehr viel Zeit, um seinen Vorteil festzuhalten, bzw. auszuweiten und wie es mit den „jungen Wilden“ so ist, taktisch sind die nicht so schlecht und bei erster Gelegenheit überlistete der Holländer seinen Gegner mit hübschen Fesselungsmotiven:

Maiwald,Jens-Uwe (2452) - Van Foreest,Jorden (2541)
Schachbundesliga chess24.com (1.5), 31.10.2015

Schwarz zieht und gewinnt


Le7 29.Sd6 Txa3 30.Dxa3 Sxf3 31.Kxf3 Td8! Und aus 0–1

Wenig später hat der zweite Holländer, Ruud Jansen die Chance auf 2-0 zu erhöhen, nachdem sich Jakov Loxine, mit besserer Zeit austricksen ließ:

Janssen,Ruud (2479) - Loxine,Jakov (2411)
Schachbundesliga chess24.com (1.6), 31.10.2015

Schwarz am Zug

Kh7?? [34...Df8 35.Lc4+ Kg7 und es gibt nichts Gewinnbringendes für Weiß] 35.Ld3+ Kh6 Aber mit nur noch einer Minute auf der Uhr ist der folgende Trick kaum zu finden. Ein gefundenes Fressen für alle Besserwisser zu hause, deren Engine sofort ausschlägt. Hand aufs Herz: 90% von uns würden den folgenden Gewinnweg auch mit 10 Minuten nicht finden, oder? 36.De4? [36.De6+ ist nicht so schwer, aber man muss im Kopf noch einen stillen Zug finden: 36...Kh5 37.Le2+ Kxh4 38.Df5!! Der einzige Zug und es gibt keine Verteidigung gegen Matt auf g4 oder h5.] nach dieser vergebenen Chance endet die Partie Remis, das irgendwie auch leistungsgerecht ist. 36...Df7 37.Kg2 Kh5 38.Le2+ Kh6 39.Kh3 Df6 40.Dg4 Df7 41.Ld3 Le7 42.Kxg3 Dg7 43.Kh3 Df6 44.h5 Dg5 45.De6+ Kg7 46.Lg6 Dh4+ 47.Kg2 Ld6 48.De4 Dxe4+ 49.Lxe4 Lf8 50.Kf3 ½–½

Eine ziemliche strenge Vorstellung gelang Mikhail Mchedishvili, der mit Schwarz ganz souverän den polnischen Nationalspieler Mateusz Bartel im Griff hat (siehe Partienteil) und statt Jansen auf 2-0 erhöht. Bartels National-Coach Bartosz Socko, gerade noch bei Blitz- und Schnellschach-WM mit jeweils fast 100 Elopunkten Zuwachs in Topform bekam gegen Wouter Spoelman kaum ein Bein auf den Boden und machte zusammen mit Zoltan Almasi, das Desaster von 0-4 an den Brettern 2-5 perfekt.

Der sehr überzeugende Sieg von Eljanov zu den wenigen positiven Erlebnissen für die Dresdener in der ersten Runde. Eljanov scheint seine Formkurve auch nach dem World-Cup zu halten. Das aktuelle Live-Rating gibt 2754 Elo an, was Platz 13 der Weltrangliste bedeutet! Dagegen harderte man an Brett 7 nach dem Remis von Paul Hoffmann, der den Großteil der Partie auf Gewinn gestanden hatte.

Werder – SF Berlin 6-2

Bremen war an jedem Brett leichter Elo-Favorit, und zumindest Babula und Fish als einzige Spieler, die auch Europa-Cup gespielt haben, auf jeden Fall eingespielt. Die Schachfreunde aus Berlin haben sich zur neuen Saison verstärkt, bringen aber dennoch  genauso viele Deutsche Spieler ans Brett, wie alle anderen drei Mannschaften zusammen an diesem Wochenende. Dass Werder große Ambitionen in dieser Saison hat ist klar und die Hanseaten ließen auch kaum Fragen aufkommen, wie man diesen 1. Spieltag zu gestalten gedachte.

Jan Werle, ebenfalls warm gespielt, beim Open in Hoogenven, wo er zwischenzeitlich führte, schießt das 1-0 für Werder, nachdem sich Arndt Lauber vielleicht zu sicher fühlte. Wenig später zaubert der Australier David Smerdon gegen Jan Michael Sprenger ein hübsches Feuerwerk aufs Brett:

Smerdon,David C (2516) - Sprenger,Jan Michael (2510)
Schachbundesliga chess24.com (1.6), 31.10.2015

Weiß zieht und gewinnt

27.Dxf7+!! Autsch! 27...Dxf7 28.Lxg5 und das weiße Känguruh setzt schon zum Sprung nach h6 an...Df8 29.Tf3 Dd6 30.Sh6+ Kg7 31.Sf7 Dd5 32.Txe5 Dxf3 33.gxf3 Td7 34.Txc5 Kxf7 35.Txa5 b6 36.Te5 Txd3 37.Te7+ Kg8 38.Lh6 1–0

2,5-0,5 nach dem Remis von Babula und Dvirnyy.

Ähnlich einseitig wie Bartel – Mchedishvili verlief Vocaturo – Areshenko am Spitzenbrett, diesmal übernahm Schwarz im Najdorf-Sizilianer nach der Eröffnung das Kommando und demonstrierte, dass Schwarz mehr als okay ist (siehe Partienteil).

4-1 Zwischenstand, nach dem Remis in Schneider – Hracek.

Und der Finne macht den Deckel drauf!

Die Diskussionen über zu viele Legionäre in der Liga sind meiner Meinung nach müßig und auch nicht mehr zeitgemäß. Was ist denn ein Legionär? Sympathisch sind auf jeden Fall die Mannschaften, die (egal ob deutsche oder ausländische) auf Spieler vertrauen, die „das Team“ bilden und davon gibt es ja doch eine ganze Menge. Zum Beispiel Tomi Nyback, seines Zeichens stärkster Spieler aller Zeiten Finnlands und als „Mr. Ice“ eine feste Instanz bei Werder Bremen. In letzter Zeit ein wenig seltener auf Turnieren unterwegs ist er immer noch ein brandgefährlicher Spieler und demonstrierte gegen den starken Alexander Mista, wie gefährlich ein d-Freibauer in den Grünfeld-Indischen Hauptvarianten sein kann. Ich erinnere mich an Jonathans Rowsons „Bibel“ „Understanding the Grünfeld“, in dem der Autor diesem Bauern aus lauter Liebe sogar einen eigenen Namen zugeordnet hatte. „Delroy“ ist eine sehr ambivalente Figur in dieser Eröffnung, oftmals der Sargnagel für die schwarze Stellung (wie auch in dieser Partie), wenn Schwarz sich mit ihm anfreundet, dann hat man schon einen großen Schritt in dieser Eröffnung erreicht. Langer Rede kurzer Sinn, Tomi Nyback nutzte „Delroy“ für sich sehr effektiv aber Schwarz gelang es sich mit dem Kollegen auf guten Fuß zu stellen und gerade noch den halben Punkt zu retten, was allerdings am Matchverlust nichts mehr änderte. 4,5 – 1,5 Das Match ist entschieden und der Bremer Saisonstart geglückt (hoffentlich bleibt die Form und passt sich nicht an die Fußballer an, die heute ziemlich chancenlos gegen Dortmund verloren und sich langsam den Abstiegsplätzen nähert.

Martin Krämer hält mit Schwarz noch einen halben Zähler gegen Efimenko fest und Genadij Fish macht als Teamkapitän zum 6-2 die Berliner Lichter aus. Starke Vorstellung von Emsdetten und Werder, mal schauen, ob die beiden Gebeutelten Teams morgen zurückschlagen können, die Nacht ist zu kurz, um die Wunden zu lecken, abhaken und weitermachen!

 

Partie(n) zum Nachspielen: 
[Event "Schachbundesliga"]
[Site "chess24.com"]
[Date "2015.10.31"]
[Round "1.3"]
[White "Bartel, Mateusz"]
[Black "Mchedlishvili, Mikheil"]
[Result "0-1"]
[WhiteElo "2623"]
[BlackElo "2607"]
[PlyCount "74"]
[EventDate "2015.??.??"]
[WhiteTeam "DRE"]
[BlackTeam "EMS"]
[WhiteTeamCountry "POL"]
[BlackTeamCountry "GEO"]
[TimeControl "6600+915"]
[WhiteClock "0:01:19"]
[BlackClock "0:01:46"]

1. e4 c5 2. Nf3 e6 3. c3 Nf6 4. d3 Nc6 5. Qe2 Be7 6. g3 O-O 7. Bg2 e5 8. O-O
Re8 9. Na3 h6 10. Nc4 Bf8 11. a4 d6 12. Re1 Be6 13. Qf1 Qc7 14. Bh3 d5 15. exd5
Nxd5 16. Bg2 f6 17. Nh4 Rad8 18. Ng6 Nb6 19. Nxf8 Rxf8 20. Nxb6 axb6 21. Be3
Bd5 22. Red1 f5 23. f4 Bxg2 24. Qxg2 exf4 25. Bxf4 Qf7 26. d4 cxd4 27. cxd4 Rd5
28. Bc7 b5 29. a5 Re8 30. Bb6 Re4 31. Qf2 Qd7 32. Rf1 Nxd4 33. Rae1 Ne6 34. Rc1
f4 35. Rce1 Ng5 36. Qc2 Rd2 37. Qb3+ Rc4 0-1

[Event "Schachbundesliga"]
[Site "chess24.com"]
[Date "2015.10.31"]
[Round "1.1"]
[White "Vocaturo, Daniele"]
[Black "Areshchenko, Alexander"]
[Result "0-1"]
[WhiteElo "2570"]
[BlackElo "2661"]
[PlyCount "84"]
[EventDate "2015.??.??"]
[WhiteTeam "BER"]
[BlackTeam "BRE"]
[WhiteTeamCountry "ITA"]
[BlackTeamCountry "UKR"]
[TimeControl "6600+1270"]
[WhiteClock "0:42:04"]
[BlackClock "0:50:47"]

1. e4 c5 2. Nf3 d6 3. d4 cxd4 4. Nxd4 Nf6 5. Nc3 a6 6. Be3 e5 7. Nb3 Be6 8. f3
h5 9. Nd5 Bxd5 10. exd5 g6 11. Be2 Nbd7 12. Qd2 Bg7 13. O-O b6 14. c4 O-O 15.
Rac1 Re8 16. Na1 e4 17. f4 Ng4 18. Bxg4 hxg4 19. Nb3 f5 20. Nd4 Nc5 21. Ne6
Rxe6 22. dxe6 Nd3 23. Rc3 Bxc3 24. Qxc3 Qe7 25. Qd4 Rb8 26. Bd2 Kh7 27. Bc3 b5
28. b3 Rc8 29. h3 g3 30. Qe3 d5 31. Qxg3 dxc4 32. b4 Rc6 33. a4 bxa4 34. Ra1
Rxe6 35. Qe3 Qc7 36. Rxa4 Nxf4 37. Ra5 Qb6 38. Rc5 Nd5 39. Qg3 Nxc3 40. Qxc3 e3
41. Kf1 e2+ 42. Ke1 Qd6 0-1

Über den Autor

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Marc Lang

Marc Lang ist bekannt für seine Blindschachveranstaltungen und hielt bis Dezember 2016 den Weltrekord im Blindsimultan gegen 46 Gegner, aufgestellt 2011 in Sontheim/Brenz, wo er heute lebt.