Bundesliga-Vorbericht: Von Zürich über Graz nach Erfurt - Tag der Entscheidung

Erstellt am: 18.02.2016

(von Frank Zeller)
Wird die Bundesliga am Wochenende entschieden? Der Höhepunkt der Saison steht an, das Gipfeltreffen der erwartungsgemäß stärksten Teams der Liga: Baden-Baden gegen Solingen!

Das Schlagerspiel wird in München über die Bühne gehen; Bayern München ist der Reisepartner von Baden-Baden. Man kann davon ausgehen, dass die Kontrahenten mit dem stärkstmöglichen Achter an die Bretter gehen werden. Spannend dabei die Frage, ob Anish Giri zu seinem ersten Einsatz für sein neues Bundesligateam Solingen machen wird. Am Montag weilte er noch in Zürich bei den diesjährigen Zurich Challenge, konnte dabei aber schachlich nicht brillieren.

Und wer war nochmal bei Baden-Baden an den Spitzenbrettern aufgestellt und spielt schon lange nicht mehr? Richtig, Vishi Anand sowie Levon Aronjan! Auch diese Beiden weilten kürzlich noch unter den Augen von Sepp Blatter in Zürich.

Sepp Blatter zu Gast beim Züricher Schnellschachspektakel; neben ihm Kramniks Frau Marie. Der Auftritt währte nur eine Blitzpartie lang, aber … immerhin! Am Tag darauf musste Blatter stundenlang vor der Ethik-Kommision der Fide aussagen. Bild David Llada

Während Aronjan ebenfalls wie Giri einen blassen Eindruck hinterließ brillierte Exweltmeister Anand. Diese drei Superstars werden im März im ebenfalls mit sehr viel Spannung erwarteten Kandidatenturnier zu Moskau auflaufen, wenn es gilt, den Herausforderer für Weltmeister Magnus Carlsen zu ermitteln. Das Bundesligawochenende ist die letzte Möglichkeit für die Kandidaten, ihre Form noch mal auszutesten.

Duell um die Bronzemedaille

Doch es gibt noch eine weitere Spitzenbegegnung: Hockenheim gegen Schwäbisch Hall heißt der zweite Kracher des kommenden Sonntags. Und da geht es mutmaßlich um die Bronzemedaille. Hall als momentaner Tabellendritter trifft auf den Tabellenvierten Hockenheim.  Da steckt viel Brisanz dahinter; die Hockenheimer haben auch einige Weltstars im Aufgebot und man darf gespannt sein, welche davon sie am Wochenende in Erfurt auf den Brettern aufbieten werden.

Erfurt, da war doch was… richtig! Erst vor zwei Wochen reiste die Haller Crew in die Thüringer Landeshauptstadt. Nun geht es nahtlos weiter mit dem zweiten Erfurter Wochenende.

Hall wird zunächst gegen Griesheim spielen. Alles andere als ein Sieg der Württemberger wäre eine ziemliche Überraschung, Griesheim ist Vorletzter und im Schnitt rund 150 Elopunkte schlechter besetzt als Hall.

Dann geht es gegen Hockenheim zur Sache: in der Vorsaison machten ebenfalls diese beiden Teams das Rennen um die Bronzemedaille unter sich aus. Beim allerletzten Spieltag ging es im Fernduell um jeden halben Punkt; damals blieben die Hockenheimer die Glücklicheren.

Das direkte Duell endete in der Vorsaison mit 4:4, wobei Hockenheim näher am Sieg dran war. Ich persönlich erinnere mich immer noch gut daran – und mit bitterem Beigeschmack: gegen Altmeister Zoltan Ribli kam ich in starke Zeitnot, die letzten Sekunden liefen ‚runter … panisch machte ich einen Zug und stellte Figur und Partie ein. Nach dem richtigen Zug, der ursprünglich meine erste Wahl gewesen wäre, hätte sich eine forcierte Zugwiederholung ergeben.

Hockenheims Aushängeschild ist immer noch Exweltmeister Anatoli Karpow. Üblicherweise macht er ein Gastspiel pro Saison. Bislang steht dieses regelmäßige Auftreten noch aus, von daher besteht eine reelle Chance, dass man die Legende Karpow in Erfurt antreffen könnte. Auch er weilte als Ehrengast am letzten Wochenende in Zürich.

Anatoli Karpow während der Eröffnungsveranstaltungen im Züricher Hotel Savoy Baur en Ville am Züricher Paradeplatz (Bild: David Llada)

In Hockenheims Aufgebot finden sich weitere herausragende Experten: so ist der 2700+er Jewgeni Tomaschewski neu im Team. Mit der Nationalmannschaft Russlands wurde er unlängst Europameister.

Hockenheim setzt auch traditionell deutsche Spieler und Talente ein. So durfte Dennis Wagner schon an einem vorderen Brett spielen, als er noch „Prinz“ war. Mittlerweile ist aus dem Prinzen ein gestandener Nationalspieler und Großmeister, der an die 2600er-Marke kratzt, geworden.

Rainer Buhmann kommt aus der Hockenheimer Ecke und ist ein unverzichtbarer Bestandteil der von Dieter Auer formierten Truppe.  Nach kleiner Schwächeperiode ist Buhmann derzeit wieder auf Höhenflug, deutlich über 2600 und Stammspieler in der Nationalmannschaft. Weitere etablierte deutsche Kräfte sind David Baramidze und Arik Braun. Elisabeth Pähtz, seit Jahren beste deutsche Frau, steht ebenfalls im Kader, der von Altmeistern wie den angesprochenen Ribli aufgefüllt wird.

Warmspielen in Graz

Schwäbisch Hall muss also irgendwie gegenhalten. Wie genau, das darf hier noch nicht verraten werden. Die große Frage ist, ob einige Haller Spieler, die momentan beim Grazer Open aktiv sind, es rechtzeitig nach Erfurt würden schaffen können.

Das Open endet dort am Freitagabend, am Samstag um 14:00 Uhr beginnt die Bundesligarunde im Erfurter Radison Blu Hotel. In Graz am Start sind aus der Haller Bundesligamannschaft mit Li Chao, Bai Jinshi und Evgeny Postny gleich drei Spitzenkräfte. Li Chao ist dabei mit seiner ganzen „Krabbelgruppe“ unterwes (wir berichteten). Und wie steht es dort, kurz vor Schluss?

Nach 7 Runden ergibt sich diese Spitzengruppe:

1.-2.: Li Chao und Tamas Banusz, 6 Punkte

3.-4. Lei Tingjie und Evgeny Postny, je 5,5

Lei Tingjie ist die sehr begabte Schülerin Li Chaos. Bai Jinshi verlor gestern ein langwieriges Damenendspiel gegen Vereinskameraden Postny. Aufgepasst: der starke Mitführende Banusz ist ebenfalls ein Hockenheim Spieler! Würden die Rennstädter nahezu ideal antreten, würde Banusz an einem der hinteren Bretter eingesetzt werden – das spricht eindrücklich für die Ausgeglichenheit des Hockenheimer Kaders, der durch die Bank mit sehr starken Großmeistern besetzt ist.

Openschreck Li Chao rockt Graz. Wird er am Samstag mit seinem Clan in Erfurt auftauchen?


Über den Autor

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Marc Lang

Marc Lang ist bekannt für seine Blindschachveranstaltungen und hielt bis Dezember 2016 den Weltrekord im Blindsimultan gegen 46 Gegner, aufgestellt 2011 in Sontheim/Brenz, wo er heute lebt.