"Unser Verein hat voll mitgezogen" - Interview mit dem Aufsteiger SG Speyer-Schwegenheim

Erstellt am: 15.05.2016

Die SG Speyer-Schwegenheim ist der souveräne Meister der 2. Bundesliga Süd und im kommenden Jahr zum ersten Mal im Oberhaus vertreten. Wir sprachen mit dem Vorsitzenden des Klubs, Wilhelm Kannegießer, über das Abenteuer Bundesliga und die Zielsetzung des pfälzischen Klubs.

Schachbundesliga: Herr Kannegießer, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum erstmaligen Aufstieg in die 1. Bundesliga. Hatten Sie zu Beginn der Zweitligasaison den Aufstieg als mögliches Saisonziel im Auge?
Wilhelm Kannegießer: Die Struktur der zweiten Bundesliga Süd war derart, dass acht Mannschaften theorethisch ungefähr auf einem Level waren. Somit wollten wir uns am Saisonstart stark stellen und dann schauen, wie wir die Ziele setzen. Von den ersten drei Spielen hatten wir einen knappen und etwas glücklichen Erfolg und zwei Spiele gegen schwach gestellte Mannschaften. Somit waren wir nach drei Runden oben und haben erst danach um den Aufstieg gekämpft.

Schachbundesliga: Eine Bundesligasaison ist für einen Schachverein eine echte Herausforderung, sowohl finanziell als auch organisatorisch. Wie ist der Rückhalt innerhalb des Vereins für das Projekt 1. Liga?
Wilhelm Kannegießer: Ein großer Teil unseres Vereins besteht aus ganz normalen Clubspielern. Unsere eigenen deutschen Spieler mit den erforderlichen schachlichen Fähigkeiten haben voll mitgezogen genau wie der Betreuerstab der 1. Mannschaft, die ihre Zeit und Arbeitskraft gerne investierten. Somit trifft Ihr Ausdruck „Projekt“ den Kern.

Schachbundesliga: Als der Aufstieg schließlich feststand, gab es in Ihrem Verein Stimmen, die auf einen Verzicht plädierten?
Wilhelm Kannegießer: Nein.

Schachbundesliga: Woher werden die finanziellen Mittel für Ihren Etat kommen?
Wilhelm Kannegießer: Die SG Speyer-Schwegenheim hat die Kosten für die erste Mannschaft bisher im Wesentlichen durch privates Sponsoring gestemmt und plant dies auch für die kommende Saison. Die Einwerbung von institutionellen Sponsoren hat sich als extrem schwierig und frustrierend herausgestellt.

Schachbundesliga: Was sind die sportlichen Ziele Ihres Vereins? Möchten Sie sich langfristig in der 1. Bundesliga etablieren oder sehen Sie die Bundesliga als – möglicherweise einmaliges – Abenteuer?
Wilhelm Kannegießer: Um es offen zu sagen: Die Teilnahme an der 1. Schachbundesliga stellt sich als vornehmlich finanzielles  Problem dar. Eine längerfristige Teilnahme ist davon abhängig, dass wir genügend Sponsoren finden, um die im Vergleich zur 2. Bundesliga deutlich höheren Kosten aufbringen zu können.

Schachbundesliga: Erzählen Sie uns bitte ein wenig über die SG Speyer-Schwegenheim.
Wilhelm Kannegießer: Die SG Speyer-Schwegenheim entstand aus der Fusion des SC Schwegenheim 1983 mit dem SC Speyer 1911 im Jahr 2012.
Gründe für die Fusion waren die Mitgliederstruktur in Speyer, wo es an Jugend fehlte und an starken Spielern, sowie das unbefriedigende Clubleben in Schwegenheim, das für die damaligen Mitglieder zu wenig zentral lag. Heute machen wir im Jahr bis zu 4 interne wie offene Turniere.
Die Jugendarbeit hat sich seit der Fusion sehr intensiviert, da wir mittlerweile eine Gruppe von Betreuern haben, die zuverlässig als Ansprechpartner für Jugend und Eltern fungiert. Unsere Kinder und Jugendlichen nehmen an den Jugendeinzel- und -mannschaftsturnieren unseres Bezirks und darüber hinaus am regulären Ligabetrieb teil. Leider können wir aus Mangel an Kapazität in der Regel nicht die Angebote auf Schachunterricht an den hiesigen Schulen wahrnehmen.

Wir haben zur Zeit etwa 80 Mitglieder, von denen viele im Seniorenalter sind. Auch diese Gruppe pflegen wir besonders mit zwei eigenen Spielnachmittagen sowie einer Seniorenmannschaft im Bereich des Pfälzischen Schachbundes. Im Bereich des Pfälzischen Schachbundes nehmen wir mit 5 weiteren Mannschaften auf allen Ebenen am Mannschaftsspielbetrieb teil. Unsere Ziele sind die Förderung des Schachspiels und ein aktives Clubleben.

Schachbundesliga: Welchen Stellenwert hat ein künftiger Bundesligaverein in Ihrer Region? Erhalten Sie Unterstützung von der Stadt?
Wilhelm Kannegießer: Man muss es realistisch betrachten: Schach ist heute eine Nischensportart. Auch Spiele der Bundesliga werden die Zuschauer nicht in Massen anziehen. Wir würden uns mehr Unterstützung der Stadt Speyer wünschen. Ein Problem ist für uns, dass der Vereinssitz nach der Fusion in Schwegenheim liegt, wo wir die Unterstützung der Gemeinde  in Form der Zurverfügungstellung des dortigen Spiellokals genießen. In Speyer, wo wir ein weiteres Spiellokal haben, wurden wir demgegenüber sogar (aus formalen Gründen wegen des Vereinssitzes) aus dem Stadtsportverband ausgeschlossen und erhalten daher auch keine Sportförderung.

Schachbundesliga: Können Sie schon etwas darüber sagen, wie sich Ihr Kader zusammensetzen wird? Werden Sie hauptsächlich mit denselben Spielern antreten, die auch den Aufstieg geschafft haben oder möchten Sie sich neu aufstellen?
Wilhelm Kannegießer: Das Erstere – wir wollen den Spielern, die sich den Aufstieg erkämpft haben, selbstverständlich ermöglichen, in der 1. Schachbundesliga zu spielen. Änderungen in der Mannschaftsaufstellung sind nur in geringem Maße geplant.

Schachbundesliga: Wo werden Sie Ihr(e) Heimspiel(e) austragen?
Wilhelm Kannegießer: Das prüfen wir gerade noch; wahrscheinlich werden wir in Dudenhofen (2 km von Speyer, 6 km von Schwegenheim) spielen, wo passende Räumlichkeiten zur Verfügung stehen.



Über den Autor

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Marc Lang

Marc Lang ist bekannt für seine Blindschachveranstaltungen und hielt bis Dezember 2016 den Weltrekord im Blindsimultan gegen 46 Gegner, aufgestellt 2011 in Sontheim/Brenz, wo er heute lebt.