Ullis Randnotizen - Stell Dir vor es ist Saisonauftakt – und keiner schaut zu!

Erstellt am: 17.10.2016

Die neue Saison hat begonnen! Schön!

Hat denn jemand von Ihnen live zugesehen?

Wenige! Selbst beim Vorjahressieger hielt sich die Zuschauerkulisse vor Ort in engen Grenzen und im Internet sah es nach meinem Empfinden auch nicht richtig rosig aus.

Okay, das Wetter war gut. Sonne, wohin man blickte. Das mag den einen oder anderen Schachenthusiasten davon abgehalten haben, sich den Bundesligaauftakt live anzusehen. Im Erfinden von guten Ausreden ist man ja bekanntlich immer fantasievoll!

Insgesamt finde ich die Außenwirksamkeit unseres Sports allerdings eher armselig und dass, obwohl es in Deutschland immerhin 89.000 Vereinsspieler gibt und die Zahl derjenigen, die zumindest die Regeln des Spiels beherrschen, dem Vernehmen nach in die zweistelligen Millionen geht.

Wenn man den Trollen im Internet folgt, sind natürlich nur die dummen und faulen Funktionäre schuld, die es nicht schaffen, Schachdeutschland für die Bundesliga zu begeistern. Durchgreifende Reformen seien gefragt.

Aber ist das tatsächlich so?

Manchmal komm ich mir vor, wie in der Diskussion um den Einzelhandel. Da beklagten Viele den Niedergang der Tante-Emma-Läden, die den Discountern zum Opfer gefallen sind. Doch fragte man nach, ob man denn auch fleißig in den kleinen Läden eingekauft habe, kam zumeist aber ein eher kleinlauter Kommentar und man lamentierte von zu teuer, lag nicht auf dem Weg, fehlenden Parkplätzen und zu wenig Zeit.

Falscher Vergleich? Bin ich jetzt etwa zu anspruchsvoll? Muss ich meinen also Erwartungshorizont zurückschrauben?

Kann sein! Diese Zeilen werden auch nur die eingefleischten Experten lesen und die muss man eigentlich ja nicht mehr überzeugen.

Aber selbst wenn man mal bei den Mitgliedern in den deutschen Schachvereinen nachfragen würde, welche Clubs sich denn aktuell so in der Schachbundesliga tummeln, ergäbe das ein verheerendes Bild der Ahnungslosigkeit. Ganz zu schweigen von der Frage, wer denn wohl die Spitzenbretter der Bundesligaclubs besetzt; dabei sind das noch vergleichsweise klingende Namen! 

Vielleicht müssen wir also einfach auf das deutsche Schachwunderkind warten, um in der Öffentlichkeit endlich besser wahrgenommen zu werden. Weiland Carlsen in deutscher Version.

Machen wir denn eigentlich genug dafür?

Nö, auch nicht! Die Prinzengruppe gibt’s nicht mehr und durchgreifende Jugendförderung überlassen wir dem Ehrenamt und unentwegten Mäzenen.

Wie war das denn im Tennis vor Boris Becker und Steffi Graf?! Man dümpelte als elitäres Sportboot ohne Motor im Meer der öffentlichen Ignoranz. Selbst bei Grand-Slam-Turnieren schaute niemand hin. Doch dann der Hype, der bis heute nachwirkt!

Also gut: Warten wir einfach auf den Ritter in der goldenen Rüstung; der wird’s schon richten! Wunder gibt es immer wieder, heute oder morgen können sie geschehen.



Über den Autor

Bild des Benutzers Ulrich Geilmann

Ulrich Geilmann wurde 1963 in Essen geboren und wohnt am Niederrhein. Er ist diplomierter Raumplaner und im öffentlichen Dienst tätig. Der ehemalige Teamchef der 1. Mannschaft der SF Katernberg ist Hobbyschachspieler und Vizepräsident des Schachbundesliga e. V..