Ullis Randnotizen - Besserwisser reloaded

Erstellt am: 25.04.2016

Zu Saisonbeginn hätte ich noch geschrieben: Och, wird das wieder langweilig! Baden-Baden ist schon wieder vorne. Die werden Meister und keiner tut was dagegen! Abermals wird nur der Abstiegskampf interessant. Aber selbst das nicht. Irgendein Verein zieht sowieso zurück und die potenziellen Aufsteiger sagen dankend ab.

Nun, es kam zumindest zum Teil anders:

Nach einer bemerkenswert starken Performance ist die SG Solingen am oberen Tabellenrand und somit Deutscher Mannschaftsmeister. Schachdeutschland jubelt zu Recht! Herbert Scheidt kann stolz sein, und das in mehrfacher Hinsicht. Er hat nicht nur wieder einmal ein Siegerteam geformt, sondern in den letzten Jahren auch noch den einen oder anderen Sponsor aus dem Hut gezaubert.

Chapeau! Ich verneige mich!

Doch auch das Grenke-Team kann gut Klötzchen schieben. Ich freue mich jedenfalls einfach darüber, Superstars wie Viswanathan Anand oder Levon Aronian am Brett zu sehen! Dafür meinen Dank an Sven Noppes!

Aber es gibt auch einen Wermutstropfen!

Dass Mannschaften zurückziehen, ist in der Tat traurige Realität. Diesmal hat es Emsdetten erwischt. Das ist mehr als traurig.

Die Gründe hierfür sind vielfältiger Natur. Mal sind organisatorische Probleme ausschlaggebend, oft fehlt das liebe Geld. Schach ist eben eine Randsportart. Sponsoren und ehrenamtliche Funktionäre stehen eben nicht an jeder Ecke. Mögliche Aufstiegsaspiranten stehen insoweit immer vor demselben Problem. Aber dass es langfristig geht, haben beispielsweise Schwäbisch Hall oder Hockenheim bewiesen.

Ich will auch nicht verhehlen, dass es tatsächlich Fahrstuhlmannschaften gibt. Damit muss man aber auch in anderen Sportarten leben - zum Beispiel beim Fußball. Wobei in diesem Zusammenhang einmal die Frage erlaubt sei, wieso eigentlich niemand den Deutschen Fußballbund dafür tadelt?!

Oft höre ich: „Die Bundesliga hat Webfehler und muss dringend umgestaltet werden, sonst ist sie am Ende!“.

Die Bundesliga reformieren? Gerne!

Aber: Was sollen wir denn tun, liebe Leute?

Die Liga verkleinern? Play-offs einführen? Spielerkader beschränken? Jugendbretter verbindlich machen? Ausländerbeschränkungen einführen? Bedenkzeiten verändern? Mehr zentrale Runden anbieten? Geld beschaffen?

An guten Ideen und wohlmeinenden Ratschlägen stolzer Koryphäen und selbsternannter Experten der Szene, die ich noch nie auf einer Bundesligakonferenz oder geschweige denn mal bei einem Bundesligaevent gesehen habe, mangelt es nicht. Ich wundere mich insoweit manchmal, wer sich da auf welcher Grundlage so alles eine Meinung bildet. Doch wer nicht in der unmittelbaren Verantwortung steht, kann ja bekanntlich folgenlos dummes Zeug produzieren. Daher kann ich den einen oder anderen Kritiker auch einfach nicht ernst nehmen.

Ich beschäftige mich nun mittlerweile seit gut 10 Jahren verantwortlich mit dem Thema und durfte in dieser Zeit feststellen, dass alles seine Vor- und Nachteile hat. Es gilt daher erst sorgfältig abzuwägen, bevor man blind irgendetwas ändert. „…Never change a running system…“. Wird Ihnen jeder EDV-Nerd bestätigen.

Häufig scheitern Neuerungen tatsächlich einfach am ausgeprägten Kirchturmdenken der Trägervereine. Aber auch das kann man verstehen, denn in erster Linie geht es ja um den sportlichen Wettbewerb. Danach kommt lange gar nichts und erst ganz zuletzt der Kooperationsgedanke. Daran hat auch die Reisepartnerschaft nichts geändert, denn oft kommen die betreffenden Vereine ja noch nicht einmal aus derselben Gegend.

Die Schachbundesliga muss sich weiterentwickeln. Unbestritten. Die Frage ist nur, was zu tun ist?! Radikale Veränderungen bergen nämlich die Gefahr, dass man schon einmal leicht gegen eine Wand fährt. Wer hier nach allen Seiten offen ist, kann nicht ganz dicht sein!

Doch der chinesische Philosoph Konfuzius hat einmal gesagt: „…Auch der weiteste Weg beginnt mit dem ersten Schritt…“. Ich ergänze dieses Zitat übrigens gerne mit „…und wer dann stets nur der Herde folgt, sieht immer nur Ärsche…“! Insofern geht es zunächst um einen graduellen Wandel. Um kleine Schritte. Frische Inspiration.

Vielleicht müssen wir daher erst einmal darauf hoffen, dass die Bundesligavereine in Zukunft stärker als bisher bereit sind, zusammenzuarbeiten. In den letzten Sitzungen der Vereinsverantwortlichen gab es hierzu durchaus ermutigende Ansätze. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Durchführung von zentralen Runden und das aktuelle Engagement aus Berlin für die nächste Saison.

„Success transfer“ heißt ein anderes Zauberwort. Von einander lernen. Gute Ideen annehmen, schlechte Einfälle verwerfen. Yes, we can! Wir müssen es nur wollen! Denn wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben!

Danke für diese Saison! Danke für Ihre Treue, danke, dass Sie meine Nörgeleien ertragen haben!



Über den Autor

Bild des Benutzers Ulrich Geilmann

Ulrich Geilmann wurde 1963 in Essen geboren und wohnt am Niederrhein. Er ist diplomierter Raumplaner und im öffentlichen Dienst tätig. Der ehemalige Teamchef der 1. Mannschaft der SF Katernberg ist Hobbyschachspieler und Vizepräsident des Schachbundesliga e. V..