Der Vize wettert gegen Trolle

Erstellt am: 16.09.2015

Die Schachwelt blickt nach Deutschland. Die stärkste Liga der Welt öffnet wieder ihre Pforten. 15 Runden exzellentes Schach, sportliche Wettkämpfe und Emotionen. Wo sonst auf der Welt bekommt man eine dreistellige Anzahl an Titelträgern (darunter 3 Exweltmeister und 17 Supergroßmeister) frei Haus und vor allem kostenfrei geliefert?! In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine tolle Saison 2015/2016!

Für die bundesdeutsche Schachszene ist das aber inzwischen ganz alltäglich. Man schaut sich wie selbstverständlich die Kämpfe auf dem heimischen PC, Notebook, Tablett oder Smartphone an und wenn dann einmal etwas die gewohnte Routine stört, wird in den Foren und Chats zum Teil maßlos schwadroniert und hemmungslos gemeckert.

Ich übertreibe jetzt, meinen Sie?
Nein! Schauen Sie doch einfach in die einschlägigen Internetseiten: Wieso stellen die so eine schwache Mannschaft auf? Meine Güte, was spielt der Soundso für einen Schrott! Weshalb klappt die Internetübertragung wieder nicht? Was sind das für bloß Opfer, die das nicht hinkriegen?

Nee, is klar!

Aber was mich besonders nervt, sind diese Trolle, die sich zu jedem Thema eine tiefgehende Meinung erlauben und im Grunde genommen nichts, aber auch gar nichts wissen, doch so tun, als gehörten sie in den Kreis der Eingeweihten.

Kaum Jemand fragt danach, wie viel Geld, welche Arbeit und wie großes Engagement erforderlich sind, um eine Bundesligasaison zu stemmen:

  • Bundesligavereine bestreiten alle Kosten (von Spielerhonoraren über Reise- und Hotelkosten sowie das Catering bis hin zur Liveübertragung) aus eigenen Mitteln. Versuchen Sie doch einmal selbst für einen Event irgendwem einen Euro aus der Tasche zu leiern. Sie werden sich wundern!
  • Die Organisationsteams der Clubs leisten immense Arbeit. Nur Wenige können ermessen, was es für einen Zeitaufwand bedeutet, vor der Saison ein Team zusammen zu stellen, die Einsatzplanung auf den Weg zu bringen und die Spieler dann auch tatsächlich zur rechten Zeit und am richtigen Ort ans Brett zu haben. Ganz zu schweigen von Flug- und Hotelbuchungen, Restaurantreservierungen und den Vorortservice mit Kopfschmerztabletten und Ohrstöpseln. Davon abgesehen, finden sich Spiellokale und Helferhände für den Auf- und Abbau ja auch nicht von selbst.
  • Teamchefs sind in der Regel Allrounder: Finanzmanager, Organisationstalente, Psychologen, Schachexperten und Regelkundige. Ich kenne keinen Kollegen, der nicht mit Herzblut dabei ist.

Die Schachbundesliga ist dabei eigenständig. Sie organisiert sich selbst. Ihre Funktionäre sind ehrenamtlich tätig.

Das alles hat Respekt verdient.

Wenn Sie sich also das nächste Mal bei Kaffee und Kuchen oder zwischen Suppe und Kartoffeln darüber aufregen, dass irgendetwas nicht sofort gelingt, denken Sie nach, ob Sie das alles wirklich besser machen könnten.

Ansonsten einfach mal die Klappe halten!



Über den Autor

Bild des Benutzers Ulrich Geilmann

Ulrich Geilmann wurde 1963 in Essen geboren und wohnt am Niederrhein. Er ist diplomierter Raumplaner und im öffentlichen Dienst tätig. Der ehemalige Teamchef der 1. Mannschaft der SF Katernberg ist Hobbyschachspieler und Vizepräsident des Schachbundesliga e. V..