Besuchen Sie doch auch mal einen Bundesligakampf!

Erstellt am: 18.12.2015

Ich liebe die Liveübertragungen der Schachbundesliga im Internet.
Nicht nur, dass ich dabei in Echtzeit an 7 Stellen gleichzeitig sein kann oder starken Titelträgern praktisch über die Schulter schaue. Nein, da ist noch das Gefühl der Erhabenheit, wenn ich parallel meine Schachengines Heinrich 14, Contundio 10, Fisch 3 oder Waran 9 rechnen lasse.
 

Natürlich gebe ich im Chat sofort laut, wenn diese Amateure in Baden-Baden mal wieder nur den zweitbesten Zug gemacht oder gar eine einfache Damenopferkombination von 12 Zügen übersehen haben. Zwar reicht meine Omnipotenz im realen Leben nur für die Kreisklasse, aber an Bundesligawochenenden bin ich die graue Eminenz der Schachwelt. Der Meister der unfehlbaren Analyse. Elo 3006.

Geht Ihnen das auch so auf den Keks wie mir?

Dabei kann ich natürlich den Wunsch gut nachvollziehen, das Geschehen auf den Brettern durchschauen zu wollen. Doch nehmen wir uns nicht mit den Computerprogrammen die Chance, eigene Ideen zu haben, die Schönheit von unerwarteten Zügen zu genießen oder sportliche Dramatik zu erleben?

Stattdessen gibt es kalte Rechenleistung und die Erkenntnis, wie unvollkommen wir Menschen sind. Also machen Sie doch bitte zumindest ab und zu mal das Schachprogramm aus und das eigene Gehirn an!

Doch da ist noch etwas anderes, was ich nicht verstehe: Als ich mir im Jahre 1980 das erste Mal einen Bundesligakampf angesehen habe, war das ein Erlebnis. Noch heute kann ich zum Beispiel die Partie Spasski – Lobron rekonstruieren und das liegt gewiss nicht an meinen schachlichen Fähigkeiten. Die Spielerpersönlichkeiten und Partien, die ich mir damals ansah, haben sich einfach in mein Gedächtnis eingegraben.

Also wieso sind bitte eigentlich so wenige Besucher auf normalen Bundesligaevents? Sind die Partien heute schlechter? Sicher nicht!

Fehlt es an Sympathieträgern? Nein, auch wenn der Großmeistertitel heute fast schon so etwas wie Normalität ist!

Ist der Vor-Ort-Service so schlecht? Vielleicht!

Ich bin ja schon zufrieden, wenn ich mir die Partien und sie Spieler ansehen, einen Kaffee bekommen und eventuell auch einen Snack schnabulieren kann.  Aber ich bin genügsam. Andere hoffen auf eine Livekommentierung sowie ein Rahmenprogramm mit Schachshow und Simultanveranstaltung in geeigneten Räumlichkeiten. Da müssen manche Bundesligavereine zugegebener Maßen noch nachrüsten.

Daher mein zweites Plädoyer für heute: Besuchen Sie doch auch mal einen Bundesligakampf in Ihrer Nähe. Genießen Sie das Ambiente und die Menschen. Vielleicht macht das sogar Spaß, vor allem wenn Ihnen die ausrichtenden Clubs mehr als nur eine Turnhalle liefern!



Über den Autor

Bild des Benutzers Ulrich Geilmann

Ulrich Geilmann wurde 1963 in Essen geboren und wohnt am Niederrhein. Er ist diplomierter Raumplaner und im öffentlichen Dienst tätig. Der ehemalige Teamchef der 1. Mannschaft der SF Katernberg ist Hobbyschachspieler und Vizepräsident des Schachbundesliga e. V..