Solingen vor Titelgewinn

Erstellt am: 23.04.2016
Impression aus Solingen | Foto: Guido Giotta

Die SG Solingen gewann in der 14. Runde der SBL gegen den SV Hockenheim mit 6:2 und führt einen Spieltag vor Saisonende die Tabelle mit einem Punkt Vorsprung auf Baden-Baden, die mit dem gleichen Ergebnis Mülheim besiegten, an. Im dritten Spitzenkampf der Runde setzte sich Bremen ebenfalls mit 6:2 gegen Schwäbisch Hall durch und sicherte sich den dritten Platz. Im Tabellenkeller machte Hansa Dortmund einen Riesenschritt in Richtung Klassenerhalt durch das 5:3 gegen Bayern München. Wir fassen die Höhepunkte an den Spielorten Solingen, Mülheim, Bremen und Meißen zusammen.

Der Nachmittag hätte für die SG Solingen kaum besser verlaufen können. Die Klingenstädter übersprangen die hohe Hürde namens Hockenheim mit Bravour und haben am letzten Spieltag hervorragende Chancen die zwölfte Meisterschaft perfekt zu machen. Der Kampf gegen die Rennstädter versprach eigentlich sehr viel Spannung, da zwischen den Teams nominell kaum ein Unterschied bestand, doch es entwickelte sich ein sehr einseitiges Match. Nach ungefähr drei Stunden kristallisierten sich die ersten klaren Vorteile für die Gastgeber an den Brettern sieben und acht heraus. Als Erster schlug Artur Jussupow zu.

Braun,Arik (2563) - Jussupow,Artur (2576)
SBL, SG Solingen - SV Hockenheim, 23.04.2016


Stellung nach 24.exd5:

24...f5! Legt den Finger in die weiße Wunde, nämlich den schwachen Königsflügel. Ab hier war es ein Spiel auf ein Tor. 25.gxf5 Lxf5 26.Sd2 e4 27.Sf1 Ld6 28.Se3 Lg6 29.h4? Das schwächt weiter den Königsflügel. 29.Sf1 war zäher. 29...Df7 30.Lh3 Lh5 31.Lg4 Te5 Ab hier steht Schwarz auf Gewinn. 32.Lxh5 Txh5 33.Dg4 Te8 34.Sg2 Tf5 35.Le3 h5 36.De2 Tf3 37.Txa4 bxa4 38.Dxa6 Df6 39.Dxa4 De5 40.Kf1 Tef8 41.Dd7 Dh2 42.De6+ Kh8 43.Td2 Dh1+ 44.Ke2 Dxg2 45.Dxd6

45...Txf2+! Der Schlusspunkt. 46.Kd1 Df3+ 0-1

Artur Jussupow kurz vor Beendigung seiner Partie gegen Arik Braun | Foto: Guido Giotta
Artur Jussupow kurz vor Beendigung seiner Partie gegen Arik Braun | Foto: Guido Giotta

Alexander Naumann erspielte sich aus der Eröffnung heraus einen positionellen Vorteil, den er in der folgenden Stellung vergrößerte, als sein Gegner auf Bauernjagd ging.

Naumann,Alexander (2543) - Boguslawski,Oleg (2454)
SBL, SG Solingen - SV Hockenheim, 23.04.2016

Stellung nach 21.Df2:

21...De6? Diesen offensiven Akzent bezahlt Schwarz ganz teuer. 21...Td5 mit ein bißchen Vorteil für Weiß war vorzuziehen. 22.Dxc5 Dxa2 23.g4! Vertreibt den Springer, der nur durch einen Zwischenzug gerettet werden kann. 23...b6 24.Dxc6 Se7

25.Dc4! Eine gute praktische Entscheidug. Weiß tauscht die Damen und spielt mit einem Mehrbauern weiter. 25...Dxc4 25...Dxb2? scheitert an 26.Lc1! Da1 27.Lxh6+- 26.Txc4 Sd5 27.Ld2 f6 28.exf6 Lxf6 29.c3 Le7 30.Te4 Lc5+ 31.d4 Ld6 32.c4 Se7? 32...Sf4 33.Lxf4 Txf4 34.Txf4 Lxf4 35.Te1± 33.b4 Sc6 34.c5 bxc5 35.dxc5 Le7 36.Te6 Tf6 37.Txf6 37.Sg5+ hxg5 38.Tfxf6 Lxf6 39.Txf6 Txd2 40.Txc6+- 37...Lxf6 38.b5 Sd4

39.b6! Setzt den Mehrbauern entscheidend um. 39...axb6 40.cxb6 Td6?! 40...Sxf3+ 41.Txf3 Txd2 42.Txf6 Tb2 43.Kf1+- sollte auch gewinnen. 41.b7! Gut gerechnet. 41...Tb6 42.Le3 Schwarz gab auf, anstatt mit einer Minusfigur weiterzuspielen. 1-0

Zu diesem Zeitpunkt stand es nach drei anderweitigen Unentschieden 3,5:1,5 für Solingen. So etwas wie Spannung kam nie auf, da der Gastgeber an zwei weiteren Brettern klare Vorteile besaß. Markus Ragger machte den Gesamterfolg perfekt, nachdem er mit guter Technik ein Bauernendspiel gegen Ivan Saric siegreich gestaltete. Für den Schlusspunkt sorgte Richard Rapport, der am Spitzenbrett Dennis Wagner in einem langwierigen Kampf ausmanövrierte.

Alexander Naumann und Teamchef Herbert Scheidt verfolgen die Partie Saric-Ragger | Foto: Guido Giotta
Alexander Naumann und Teamchef Herbert Scheidt verfolgen die Partie Saric-Ragger | Foto: Guido Giotta

Auf dem Weg zum Meistertitel wartet für Solingen In der letzten Runde mit dem SV Griesheim eine Pflichtaufgabe. Die Hessen gehen nominell klar unterlegen in den Kampf und alles Andere als ein Sieg für Solingen wäre eine Sensation.

Griesheim verspielte in der 14. Runde seine Chancen die Klasse sportlich zu halten. Gegen die klar favorisierten Trierer kämpfte man allerdings bravourös und ging sogar mit 3,5:2,5 in Führung. Andrei Cioara und Stewart Haslinger wendeten mit ihren Siegen aber die Überraschung und eine kleine Blamage für die Domstädter ab. 

Baden-Baden und Dortmund siegen

Der noch amtierende Meister trat in Mülheim an. Der Gastgeber war mit der heutigen Aufstellung allerdings nur ein Spielball für die acht bärenstarken Großmeister Baden-Badens. Der Reigen begann mit einer sehenswerten Miniatur an Brett sieben, nachdem Schwarz auf Bauernjagd ging und seine Entwicklung vernachlässigte.

Movsesian,Sergei (2658) - Saltaev,Mihail (2495)
SBL, SV Mülheim Nord - OSG Baden-Baden, 23.04.2016


Stellung nach 14...Sf5:

15.Tb1! Der Turm dringt entscheidend auf b7 ein. 15...Dxd4 16.Txb7 Sxe5?! 16...Dxd1 17.Txd1 Sxe5 18.Ta7! Tb8 19.Lf4 Sxc4 20.Lxb8+- kostet die Qualität und letztendlich auch die Partie. 17.Db3 Ld6 18.Td1 Dxe4 18...Dxd1+ 19.Dxd1 Sxc4 20.Dd3+-

19.Tb8+! Weiß setzt den in der Mitte steckengebliebenen König matt, z.B. nach 19...Txb8 20.Dxb8+! Kd7 (20...Lxb8 21.Td8#) 21.Db7+ Ke8 22.Dc8# 1-0

Nach drei Remis und den Erfolgen von Georg Meier sowie Arkadij Naiditsch - bei dem übrigens die gleiche Variante wie bei Naumann-Boguslawski auf dem Brett stand - war der Sieg für Baden-Baden unter Dach und Fach. Es oblag Etienne Bacrot mit einem Sieg gegen Alexander Berelowitsch für das 6:2 zu sorgen.

Der SC Hansa Dortmund hat den Klassenerhalt praktisch geschafft. Im Abstiegsgipfel gelang den Ruhrpottlern gegen Bayern München ein Sieg mit 5:3. Für die Führung sorgte das Jugendbrett Kevin Schröder, der mit einer erstaunlich reifen Leistung seinen Gegner Stefan Schneider in die Schranken wies. Zwar gelang Christian Gabriel der Ausgleich für München, doch Emanuel Berg und Olaf Wegener machten den Dortmunder Erfolg perfekt.

Kevin Schröder | Foto: Georgios Souleidis
Kevin Schröder | Foto: Georgios Souleidis

Bremen und Emsdetten fulminant

Werder Bremen und Turm Emsdetten waren von ihren Gegnern in der 14. Runde nicht aufzuhalten. Bremen ging in den Platinlogen des Weserstadions favorisiert in das Match gegen Schwäbisch Hall, doch einen so klaren Sieg mit 6:2 hätte kaum jemand erwartet. Thorben Koop brachte sein Team schnell in Führung, die David Smerdon und Alexander Markgraf ausbauten. Für Markgraf war es der siebte Sieg in Folge in der SBL! Die GM-Norm hat er übererfüllt. Gegen Frank Zeller, der bis zu seinem Blackout eine schöne Angriffspartie spielte, hatte er aber den Papst in der Tasche.

Zeller,Frank (2394) - Markgraf,Alexander (2488)
SBL, Werder Bremen - SK Schwäbisch Hall, 23.04.2016


Stellung nach 26...Ke8:

27.c3! Die Öffnung der Stellung in der Brettmitte, um den weißen Türmen einen Zugang zu verschaffen, ist die richtige Idee. In diesem Sinne war auch zuerst 27.Thd3 nebst 28.c3 möglich. 27...dxc3 28.bxc3? 28.Sxc3 Df8 29.Dg6+- sieht total gewonnen aus für Weiß. 28...Da3 Hat Weiß diesen Zug übersehen? 29.Kc2 Es war wohl Zeit mit 29.Dg8+ Df8 30.Dxf8+ Kxf8= die Notbremse zu ziehen. 29...Da2+ 30.Kd3 Plötzlich steht auch der weiße König etwas nackig da. 30...Kd7! Nimmt den König aus der Schusslinie. 31.Dg6 Taf8

32.Kc4?? Wo will der weiße König hin? Unglaublich! Zu diesem Zug könnte man sich einige lustige Kommentare einfallen lassen, doch wir belassen es bei "Weiß verlor vollkommen den Faden." 32.Dg1! schaut nach b6. Die Chancen halten sich die Waage. 32...b5+? 32...De2+! 33.Thd3 Kc6! und Weiß kann das drohende Matt 34...b5# nur mit 34.Sb4+ axb4 35.Kxb4-+ und verlorener Stellung abwehren. 33.Kc5?? Der König musste wieder zurück nach d3, doch Weiß träumte wohl von einem Abzug seines Springers auf d5. 33.Kd3 Kc8 ist klar besser für Schwarz. 33...Ld6+ 33...Dxb3-+ 34.Kb6? Weiß bastelt weiter am Selbstmatt. 34.Kd4 Dxb3 ist "nur" gewonnen für Schwarz. 34...Da3 35.Dg1 Tb8+ 36.Ka6 Kc6 37.Sb6 Lc5

Die Schlussstellung verdient ein Diagramm. 0-1

Alexander Markgraf | Foto: Georgios Souleidis
Alexander Markgraf | Foto: Georgios Souleidis

Bei Schwäbisch Hall lief nichts zusammen. Tigran Gharamian stellte gegen Matthias Blübaum einen Bauern ein und verlor ebenfalls. Es stand 4,5:0,5 für Bremen. Drei abschließende Remis sorgten zumindest für etwas Ergebniskosmetik.

Durch das 6:2 sicherte sich Bremen nach einer sehr starken Saison den dritten Platz in der Tabelle und die Qualifikation für den Europacup für Vereinsmannschaften. Gegen Erfurt soll zum Abschluss die Kür folgen. Im zweiten Kampf an der Weser besiegte der SK Turm Emsdetten den Erfurter SK mit 7:1, ein in dieser Höhe etwas überraschendes Ergebnis, auch wenn die Thüringer ersatzgeschwächt antraten. Erfurt liegt auf dem letzten Nichtabstiegsplatz, doch es ist unwahrscheinlich, dass sie noch eingeholt werden. Wie weiter oben schon erwähnt, müsste Griesheim für ein kleines Wunder in Solingen sorgen.

Endspiel um Platz fünf

Irgendwann zu Beginn der Saison ging in Hamburg das Abstiegsgespenst um. Es war wohl das harmloseste Gespenst aller Zeiten, schaut man aktuell auf die Tabelle. Auf Platz fünf trohnte der HSK das letzte Mal vor sechs Jahren im Klassement. Die gute Platzierung behaupteten die Norddeutschen durch ein 4,5:3,5 gegen USV TU Dresden. Am Erfolg kamen kaum Zweifel auf. Thies Heinemann und Jonas Lampert sorgten für eine knappe Führung, die Jan-Krzysztof Duda zum 4:2 ausbaute. Es ist sehenswert, wie der junge Pole drei Tage vor seinem 18ten Geburtstag dem Remis auswich.

Duda,Jan-Krzysztof (2645) - Gajewski,Grzegorz (2646)
SBL, USV TU Dresden - Hamburger SK, 23.04.2016


Stellung nach 27...Th8:

28.g6! Geht der Zugwiederholung durch ewige Angriffe auf die Dame aus dem Weg, indem er sie einfach opfert. Allerdings erhält Weiß mit Turm und vier Bauern enorm viel Material für die Monarchin. Außerdem zeigt sich gleich, wie aktiv die weißen Figuren stehen. 28...Txh6 29.Lxh6 Tc8 30.c5! 30.cxb5 Sxg6 wäre überhaupt nicht klar. 30...Txc5

31.Lf8!! Superstark, insbesondere weil Duda das wohl schon bei 28.g6 gesehen haben muss. Schwarz ist ob der vielen Fesselungen paralysiert. 31...Sxg6 Es gab keinen besseren Zug. 32.Lxd6+- Weiß steht mit Turm, Läufer, zwei Bauern plus Initiative auf Gewinn. Nach langem Kampf und 78 Zügen setzte sich Duda durch.

Jan-Krzysztof Duda | Foto: Georgios Souleidis
Jan-Krzysztof Duda | Foto: Georgios Souleidis

Bartosz Socko verkürzte durch einen Sieg gegen Rasmus Svane auf 3:4 aus Dresdner Sicht, doch Lubomir Ftacnik stand in einem Springerendspiel auf Gewinn. Der Slowake patzte zwar, doch das Remis und der Hamburger Sieg standen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Debatte.

Am letzten Spieltag kommt es zu einem Endspiel um Platz fünf gegen die Schachfreunde Berlin. Die Hauptstädter siegten leicht und locker mit 6,5:1,5 gegen Norderstedt. Auf der Webseite der SF Berlin kann man das Geschehen aus Berliner Sicht nachverfolgen.

Am Sonntag den 24. April findet die letzte Runde der Saison 2015/16 statt. Beginn ist um 10 Uhr. Solingen fehlt ein Sieg gegen Griesheim, um zum zwölften Mal die Meisterschaft zu gewinnen. Baden-Baden hofft auf ein Griesheimer Wunder. Der Abstiegskampf ist sportlich im Grunde genommen entschieden. München oder Norderstedt kommen auch bei einem Sieg in der letzten Runde nicht mehr an Griesheim ran, da sie die deutlich schlechtere Brettpunktewertung haben.

Ergebnisse der 14. Runde
Kreuztabelle
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Über den Autor

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Georgios Souleidis ist Internationaler Schachmeister und hat in Bochum Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Er arbeitet als Journalist, Autor und Schachtrainer. Er schreibt u.a. als Chefredakteur für die Schachbundesliga, für Chessbase, die Zeitschrift SCHACH, SPIEGEL ONLINE oder die Deutsche Presse-Agentur. Falls er mal nicht schreibt, Training gibt oder auf seinem YouTube-Kanal Schach lehrt, versucht er aktiv am Brett zu beweisen, dass 1. e2-e4 der beste Eröffnungszug ist.