Solingen trotzt Baden-Baden

Erstellt am: 21.02.2016
Rapport-Aronian | Foto: Peter Baudrexel

Der Spitzenkampf der SBL zwischen Solingen und Baden-Baden hielt, was er im Vorfeld versprach. Von Beginn an entwickelte sich ein umkämpftes und bis zum Schluss dramatisches Duell. Nach fast 6,5 Stunden sorgte Richard Rapport durch einen Sieg gegen Levon Aronian für das verdiente 4:4. Damit liegt Solingen in der Tabelle dank der mehr erzielten Brettpunkte weiterhin vor Baden-Baden. Die halbe Liga ist im Abstiegskampf verwickelt. Ab Platz acht beginnt mit Hamburg die gefährliche Zone. Eine Zusammenfassung der Ereignisse an den Spielorten München, Erfurt, Hamburg und Dresden.

Die OSG Baden-Baden und die SG Solingen wollten es am Sonntag wissen. Der deutsche Meister überraschte mit einer auf zwei Positionen geänderten Aufstellung im Vergleich zum Samstag. Teamchef Sven Noppes ließ Liviu-Dieter Nisipeanu und Sergei Movsesian pausieren und ersetzte sie mit Viswanathan Anand und Levon Aronian. Damit gingen alle drei Spieler der OSG Baden-Baden, die am Kandidatenturnier im März teilnehmen werden, an die Bretter. Im Gegensatz zu Baden-Baden trat Solingen mit der gleichen Aufstellung wie am Samstag an. Die Vorzeichen sprachen somit eindeutig für Baden-Baden, die an allen Brettern mit einem deutlichen Elo-Vorteil starteten.

Solingen zeigte aber von Beginn an, dass sie dieses Match gewinnen wollen, denn gerade die Schwarzspieler wählten aggressive Eröffnungsvarianten. Die Führung für den Tabellenführer besorgte mit Robin van Kampen allerdings ein Akteur, der die weißen Steine führte. Der 21-jährige Holländer profitierte dabei von einem Einsteller seines Gegners.

Van Kampen,Robin (2615) - Wojtaszek,Radoslaw (2741)
SBL, SG Solingen - OSG Baden-Baden, 21.02.2016


Stellung nach 21.Tc4:

21...bxc6?? 21...Txc6 und im Vergleich zur Partie wäre nach 22.Tg4 g6= möglich. 22.Tg4! Plötzlich ist die Stellung verloren, da der schwarze Königflügel auseinanderfällt. Das liegt auch an der unglücklichen Stellung des Turmes auf c8. 22...g5 22...g6 23.Txg6+ fxg6 24.Dxe6++- nebst Rückgewinn des Turmes und gewonnenem Damenendspiel. 23.Df6 Dd8 24.Dxh6 f6 25.h4 1-0

Robin van Kampfen begrüßt Radoslaw Wojtaszek | Foto: Peter Baudrexel

Ungefähr zur gleichen Zeit endete die Partie zwischen den besten Spielern Indiens mit Remis. In einer aktuellen Taimanov-Variante der Sizilianischen Verteidigung hatte Viswanathan Anand gegen seinen Kronprizen Pentala Harikrishna Vorteil erzielt. Harikrishna verteidigte sich jedoch umsichtig und Anand ließ es in ein ausgeglichenes Schwerfigurenendspiel entgleiten. Chanda Sandipan und Rustam Kasimdzhanov teilten sich nach einer umkämpften Partie ebenfalls den Punkt. Für den Ausgleich sorgte Etienne Bacrot, der Predrag Nikolic auskonterte.

Dann ging der deutsche Meister in Führung, nachdem Peter Svidler seine Freibauern meisterlich eingesetzt hatte.

Svidler,Peter (2727) - Smeets,Jan (2617)
SBL, SG Solingen - OSG Baden-Baden, 21.02.2016


Stellung nach 16...Dc6:

17.Ld6!? Verschafft sich auf kreative Weise einen Freibauern auf der d-Linie. Der Zug erhält kein Rufzeichen, da 17.Tac1 wahrscheinlich noch stärker ist. 17...Lxd6 18.e5 Dc5 19.exd6 b6 20.d7 Tcd8 21.Da4 Dc7 22.Sb5 Dc2 23.Dxc2 Lxc2 24.Td2 La4 25.Sxa7 Txd7 26.Txd7 Lxd7 27.Tc1

Weiß ist zwar den d-Bauern los, hat dafür aber eine Bauernmehrheit am Damenflügel, die ihm reichte, um die Partie nach 50 Zügen siegreich zu beenden.

Es folgten zwei Remis. Alexander Naumann stand gegen Arkadij Naiditsch unter Druck, fand aber einen sicheren Weg, um eine Zugwiederholung zu forcieren. Bange Momente musste auf der anderen Seite Michael Adams überstehen, bevor Markus Ragger die Partie ebenfalls durch Zugwiederholung remis gab. Beim Stand von 4:3 für Baden-Baden lief noch die Partie an Brett zwei zwischen Richard Rapport und Levon Aronian. Aronian patzte im Mittelspiel und verlor gleich zwei Bauern. Der 19-jährige Ungar gab das Geschenk aber nach und nach zurück. Rapport hatte aber Glück im Unglück, denn er besaß einen starken Freibauern auf der a-Linie, der von einem guten Läufer unterstützt wurde. Objektiv konnte Aronian die Stellung wohl halten, doch Rapport konnte ohne Risiko "weiterdrücken". Tatsächlich drang er mit seinem König in den Königsflügel ein und fand einen Weg Aronians Verteidigung zu durchbrechen.

Rapport,Richard (2649) - Aronian,Levon (2765)
SBL, SG Solingen - OSG Baden-Baden, 21.02.2016


Stellung nach 78...g6:

79.Txe5! Die weißen Freibauern machen jetzt das Rennen. 79...fxe5 80.hxg6 Tc6 81.Kf7 Tc7+ 82.Kf6 Tc6+ 83.Kf5 e4 84.g7 Tc5+ 85.Kg6! Nicht 85.Kf6?, weil der Läufer nach 85...Tg5 86.Kf7 Txg3 87.g8D Txg8 88.Kxg8 h5= nicht beide schwarzen Bauern aufhalten kann, ohne dass der a-Bauer verloren geht. 85...Tg5+ 86.Kxh6 Txg3 87.Kh7 1-0

Rapport gegen Aronian, Anand im Hintergrund | Foto: Peter Baudrexel

Das 4:4 darf als Erfolg für Solingen verbucht werden, bedenkt man die Aufstellungen der Teams. Der Kampf um die deutsche Meisterschaft ist weiterhin völlig offen und das Restprogramm spricht sogar für die Klingenstädter. Bei Punktgleichheit am Saisonende würde übrigens ein Stichkampf über den Titel entscheiden. Außenseiterchancen im Meisterschaftsrennen hat übrigens noch Schwäbisch Hall. Dafür müsste allerdings ein Sieg gegen Baden-Baden her und Solingen müsste noch mindestens zwei Punkte liegen lassen.

Im parallel ausgetragenen Kampf am Spielort München gewann die SG Trier gegen die Gastgeber mit 5:3. Das war ein enorm wichtiger Sieg, wodurch die Domstädter die Abstiegsränge verließen. Für München wird es jetzt sehr schwierig die Klasse sportlich zu halten, da das Restprogramm eindeutig gegen die Bayern spricht.

Hockenheim und Hall trennen sich remis, Griesheim mit Lebenszeichen

Der Kampf zwischen Hockenheim und Schwäbisch Hall endete Unentschieden. Nur am Spitzenbrett startete Hall als Favorit, doch Chao Li konnte den Widerstand von Dennis Wagner nicht brechen - ein kleiner Erfolg für Hockenheim. An den restlichen Brettern waren die Rennstädter teilweise klar favorisiert, doch nur Tamasz Banusz, gegen den wie üblich anstürmenden Frank Zeller, und Arik Braun, gegen Nikoas Pogan, konnten ihrer Rolle gerecht werden. Auf Haller Seite konnten dagegen Viktor Laznicka, gegen Csaba Balogh, und Peter Michalik, gegen Rainer Buhmann, ihre Endspiele siegreich gestalten. Schwäbisch Hall verteidigte mit dem 4:4 Platz drei, während Hockenheim auf Platz fünf zurückfiel.

Der SV Griesheim meldete sich im Abstiegskampf zurück. Die Hessen siegten in Erfurt gegen den Gastgeber mit 4,5:3,5. Den Erfolg stellten Marcin Tazbir und Stefan Walter sicher, die ihre interessanten Turmendspiele gewannen. Beide Teams haben es im Abstiegskampf in eigener Hand mit weiteren Punkten die Klasse zu sichern, da zahlreiche Duelle gegen direkte Konkurrenten auf dem Programm stehen.

Hamburg mit Big Point

Der Hamburger SK feierte gegen den SK Turm Emsdetten einen sehr wichtigen Sieg. Mit 5:3 schickte der HSK die Münsterländer nach Hause und behauptete einen vorerst sicheren Mittelfeldplatz. Neben Dorian Rogozenco sorgte Jonathan Carlstedt für eine komfortable Hamburger Führung.

Carlstedt,Jonathan (2440) - Zumsande,Martin (2422)
SBL, SK Turm Emsdetten - Hamburger SK, 21.02.2016


Stellung nach 39...Td5:

40.Se7+! Mit dem letzten Zug vor der Zeitkontrolle sichert sich Weiß Materialvorteil. 40...Dxe7 41.Dxd5 Ld8 41...exd5 42.Txe7+- 42.Dh5 Df7 43.Dg4 Df6 44.Lc4 Kf7 45.Lxe6+ 1-0

Jonathan Carlstedt im Kampf gegen Bremen | Foto: Georgios Souleidis

Twan Burg verkürzte für Emsdetten durch einen Sieg gegen Lubomir Ftacnik, doch beim Stand von 4:3 für Hamburg gab es am Erfolg der Gastgeber nichts zu rütteln. Sipke Ernst hatte gegen Jorden van Foreest seine sehr gute Stellung zwar wieder verspielt, doch sein jüngerer Landsmann nutzte nicht die ihm gebotene Chance und stellte eine Figur ein. In der längsten Partie des Tages verwertete Ernst seinen Vorteil und sorgte für den Endstand.

Werder Bremen hatte keine Mühe gegen den SK Norderstedt und machte nach dem Sieg gegen Hamburg mit dem 6:2 gegen das Schlusslicht das Wochenende perfekt. Die "Grün-Weißen" überholten in der Tabelle Hockenheim und schoben sich auf Platz vier vor.

Dresden und Berlin die Gewinner in Meißen

Dresden und Berlin bestätigten ihren Aufwärtstrend mit guten Ergebnissen in der 9. Runde. Dresden überrollte den SC Hansa Dortmund mit 7:1. Ein Resultat, das nicht überrascht, schaut man auf die Aufstellungen der Teams. Am Spitzenbrett dominierte Pavel Eljanov die norwegische Nachwuchshoffnung Aryan Tari.

Eljanov,Pavel (2717) - Tari,Aryan (2518)
SBL, SC Hansa Dortmund - USV TU Dresden, 21.02.2016


Stellung nach 33...Dh5:

34.Dc3! Nutzt die Schwächung der Diagonale a1-h8 aus. 34...e5 34...Tf6 35.c5! (35.e5 Lb4! 36.De3±) 35...Lc7 36.Dd3 Tf8 37.Ld4+- 35.c5 Tc8 36.Dc4+ Kg7 37.cxd6! Die Pointe. Nach 37...Txc4 38.d7 läuft der d-Bauer zur neuen Dame. 1-0

Die Schachfreunde Berlin unternahmen einen weiteren Schritt Richtung Klassenerhalt. Gegen Mülheim, die nominell allerdings nicht favorisiert waren, gelang den Hauptstädtern ein 4:4. Sechs Punkte bedeuten Platz elf, doch es stehen noch reihenweise Duelle gegen direkte Konkurrenten aus. Mülheim liegt stabil im Mittelfeld, hoch hinaus wird es für die Westdeutschen in dieser Saison aber nicht mehr gehen, dafür sind sieben Minuspunkte zuviel des Guten. Die Schachfreunde haben ihre Kämpfe an diesem Wochenende auf ihrer Webseite schon Revue passieren lassen. In diesem Artikel freut man sich über den Sieg gegen München und hier über das Unentschieden gegen Mülheim.

Alle Ergebnisse der 9. Runde in der Übersicht
Alle Partien nachspielen auf dem Liveportal
Kreuztabelle SBL
Statistik auf der Webseite des Godesberger SK

Die nächsten Runden der SBL finden am 12. und 13. März statt. Die Spielorte sind Norderstedt, Emsdetten, Griesheim und Dortmund. Dabei stehen zwei wichtige Kämpfe um die Tabellenspitze auf dem Programm. Solingen trifft in Dortmund auf Mülheim, während es Baden-Baden in Emsdetten mit Werder Bremen zu tun bekommt.

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Über den Autor

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Georgios Souleidis ist Internationaler Schachmeister und hat in Bochum Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Er arbeitet als Journalist, Autor und Schachtrainer. Er schreibt u.a. als Chefredakteur für die Schachbundesliga, für Chessbase, die Zeitschrift SCHACH, SPIEGEL ONLINE oder die Deutsche Presse-Agentur. Falls er mal nicht schreibt, Training gibt oder auf seinem YouTube-Kanal Schach lehrt, versucht er aktiv am Brett zu beweisen, dass 1. e2-e4 der beste Eröffnungszug ist.