Im Rennen um die deutsche Meisterschaft kassierte dIe SG Solingen einen herben Dämpfer. Im Spitzenkampf der 8. Runde unterlagen die Klingenstädter gegen Schwäbisch Hall mit 3,5:4,5. Die alleinige Tabellenführung übernahm die OSG Baden-Baden nach einem klaren Sieg gegen DJK Aachen. Ihrer Favoritenrolle gerecht wurden auch Bremen, Trier und Dresden. Der Sonntag war geprägt von vielen Fehlern, die auch für überraschende Ergebnisse in den restlichen Begegnungen sorgten. Eine Zusammenfassung der Ereignisse in Meißen, Baden-Baden, München und Griesheim.
Schwache Solinger
Da setzt die SG Solingen zum ersten Mal ihren Superstar Anish Giri ein und trotzdem reicht es nicht zu einem Sieg gegen den SK Schwäbisch Hall. An allen Brettern startete der deutsche Meister leicht bis klar favorisiert ins Match, aber nur Markus Ragger besaß ernsthafte Gewinchancen. Doch der Reihe nach. Es begann mit zwei ereignislosen Unentschieden an den Brettern fünf und sechs. Dann folgte ein böser Einsteller des sonst sehr soliden Robin van Kampen.
Van Kampen,Robin (2640) - Gharamian,Tigran (2626)
SBL 1617, SG Solingen - SK Schwäbisch Hall, 19.02.2017
Stellung nach 13...Da6:
14.a4?? Dieser Zug unternimmt nichts gegen die Fesselung des Springers auf c4 und schwächt zu allem Überfluß das Feld b3! 14.Lf1=; 14.Sfd2= 14...Sa5 15.Sfd2 Le6 16.Lf1 Lxc4! 17.Sxc4 Sb3 Weiß verliert die Qualität. Van Kampen kämpfte zwar noch weiter, doch es war für eine verlorene Sache, 0-1 nach 28 Zügen.
Dieser Lapsus hätte ein Weckruf sein müssen, doch der Rest der Partien verhieß nichts Gutes. Pentala Harikrishna sowie Predrag Nikolic quälten ihre Gegner, aber auch sich selbst, erfolglos in sehr ausgeglichenen Endspielen und Alexander Naumann konnte nach einem Fehler froh sein gegen Frank Zeller ins Remis entkommen zu sein. Anish Giri riskierte am Spitzenbrett gegen Ernesto Inarkiev mit Schwarz Kopf und Kragen, doch es half nichts. Mit einer Qualität weniger bot er Remis an, das der Gegner in horrender Zeitnot annahm.
Alle Hoffnungen lagen auf Markus Ragger. Der beste Spieler Österreichs - wenn er nicht so jung wäre, könnte man ihn fast schon als Solinger Urgestein betrachten - befindet sich in der Form seines Lebens und hat die Elo-Marke von 2700 überschritten. Mit Schwarz glich er gegen den starken VIktor Lazncika aus und schaffte es sogar seinen Gegner so unter Druck zu setzen, dass er einen Bauern im Endspiel gewann. Das Material war stark reduziert und der Gewinn, falls überhaupt möglich, alles andere als einfach. Ragger versuchte es 126 Züge lang, bis ein elementar ausgeglichenes Turmendspiel auf dem Brett stand.
Diese Niederlage ist für die SG Solingen, gegen einen zweifellos starken Konkurrenten, ein herber Rückschlag im Kampf um die Titelverteidigung. Jetzt darf es keinen Ausrutscher mehr geben, falls man sich die Möglichkeit erhalten möchte, im direkten Duell gegen Baden-Baden den Rückstand wieder wett zu machen. Bis zur 14. Runde in Berlin stehen aber noch kritische Duelle auf dem Programm.
Der zweite Kampf in Meißen war eine klare Angelegenheit. Der USV TU Dresden trat gegen den SV Mülheim Nord zwar als Favorit an, doch das 6,5:1,5 ist eine fette Ohrfeige für das Team aus dem Ruhrpott. Ein nettes Finish gelang Grzegorz Gajewski am Spitzenbrett gegen Konstantin Landa.
Gajewski,Grzegorz (2633) - Landa,Konstantin (2599)
SBL 1617, SV Mülheim Nord - USV TU Dresden, 19.02.2017
Stellung nach 23...fxg3:
24.Se7+! Kh8 25.hxg3 Es droht 26.Dxh7+! nebst 27.Th1#. 25...g6 26.Txf8+ Txf8 27.Sxg6+! Weiß gewinnt mindestens die Qualität, da nach 27...hxg6 28.Dxg6 das drohende Matt mit 29.Th1# nur aufgeschoben werden kann. 1-0
Spaziergang für Baden-Baden
Nach dem Ausrutscher der SG Solingen ist die OSG Baden-Baden klarer Favorit auf den Titelgewinn. Bislang trat das Team sehr dominant auf in dieser Saison und auch der DJK Aachen war kein echter Prüfstein. Der Sieg stand schon nach der ersten Zeitkontrolle fest und fiel mit 6,5:1,5 standesgemäß aus. Mit Georg Meier und Sergei Movsesian feierten zwei Spieler zwei Siege an diesem Wochenende. Kurios kam allerdings, und das ist ein Nachtrag zu gestern, Movsesians Sieg gegen Laszlo Gonda zu Stande. Der Trierer Spieler gab in einer Stellung auf, in der Movsesian das Dauerschach hätte forcieren müssen - so groß scheint der Respekt vor Baden-Baden schon zu sein.
Die SG Trier gewann 5:3 gegen Speyer-Schwegenheim. Der Sieg war völlig verdient und sicher herausgespielt. Einzig Artur Neiksans konnte auf Seiten des Aufsteigers ernsthaften Druck gegen seinen Gegner ausüben, doch Viktor Erdos rettete sich letztendlich ins Remis. Für Trier punkteten die Rumänen Andrei-Nestor Cioara und Mircea-Emilia Parligras voll. Der Abschluss des Großmeisters verlief folgendermaßen:
Kantans,Toms (2491) - Parligras,Mircea-Emilian (2595)
SBL 1617, SG Trier - SG Speyer-Schwegenheim, 19.02.2017
Stellung nach 33.Tf2:
33...Sxg2!-+ Öffnet den Zugang zum weißen König. 34.Kxg2 Te3 35.Tf3 Txf3 36.Kxf3 Dxh3+ Schwarz hat nur noch zwei Schwerfiguren, doch die reichen völlig aus gegen den sich selbst verteidigenden weißen König. 37.Kf2 Dh2+ 38.Kf1 Dh1+ 39.Kf2 Te1 40.Tc4 Dg1+ 41.Kf3 Tf1+ 42.Ke2 Dg2+ 0-1
Hamburg verteilt Geschenke
Der MSA Zugzwang München ergatterte zu Hause dank des 4:4 gegen den Hamburger SK den zweiten Punkt in seiner ersten Bundesligasaison. Freilich lag das weniger an der eigenen guten Leistung als vielmehr an der Schläfrigkeit der Gäste. Nils Grandelius und Sipke Ernst patzten ihre Partien einzügig ein und Jonathan Carlstedt versuchte es zu sehr mit der Brechstange. Zum Glück gab es für den HSK aber drei Spieler, die an diesem Wochenende gut drauf waren. Rasmus Svane - ein schöner Schub Motivation für das am Dienstag beginnende Aeroflot Open in Moskau, Jonas Lampert und Thies Heinemann holten sechs aus sechs, während der Rest des Teams kümmerliche drei aus zehn beisteuerte.
MSA Zugzwang München stand sogar kurz vor einem Sieg. Beim Stand von 4:3 lief die Partie Gerigk-Lampert. Das Endspiel war ausgeglichen, doch der junge Hamburger luchste seinem Gegner einen Läufer ab. Trotzdem war es noch ein langer Weg zum Sieg, denn es standen kaum Figuren auf dem Brett. Mit Turm, Läufer und Bauer gegen Turm und zwei Bauern ging der Kampf so lange weiter, bis eine typische Situation mit Turm und Läufer gegen Turm auf dem Brett stand. Gerigk gab das falsche Turmschach und schon zappelte sein König im Mattnetz. Letztendlich, nach vielen Fehlern, ein glücklicher Punkt für Hamburg.
Im parallel ausgetragenen Kampf hatte der SV Werder Bremen keine Mühe Bayern München mit 6,5:1,5 in die Schranken zu weisen. Matthias Blübaum, der wie Svane beim bärenstark besetzten Aeroflot Open mitspielt, überrollte Michael Fedorovsky und auch Luke McShanes Schlussspiel wusste zu gefallen:
Bezold,Michael (2502) - McShane,Luke J (2671)
SBL 1617, SV Werder Bremen - Bayern München, 19.02.2017
Stellung nach 29.Td2:
29...Sxh2! Reißt eine entscheidende Lücke in die weiße Defensive. 30.Lxh2 Lxh2 31.Th1 31.Kxh2 Dxf2+ 32.Kh1 Dh4+ 33.Kg1 (33.Kg2 Te5-+) 33...Dg3+ 34.Kh1 Dh3+ 35.Kg1 Dxe3+ 36.Kg2 Te5-+ 31...Le5 32.Kf1 Kg7 33.Tg1 Dh3+ 34.Ke1 Bezold läuft mit seinem König weg, doch ohne Harmonie und Bauer macht die Stellung keinen Spaß mehr. 34...Tcd8 35.Kd1 Lf6 36.Kc1 Dh2 0-1
Hauen und Stechen in Griesheim
Die Kämpfe in Griesheim waren nichts für schwache Nerven. Die Schachfreunde Berlin zeigten ein Mal mehr, dass sie gegen starke Gegner über sich hinauswachsen können. Der SV Hockenheim trat gegen die Hauptstädter favorisiert an, war aber am Ende mit dem 4:4 sehr gut bedient. Zwar gewannen Dennis Wagner und David Baramidze verdient, doch Marco Baldauf und Lars Thiede egalisierten den Kampf. Am Ende müssen die Berliner mit ihren vertanen Chancen an den Brettern drei und fünf hadern. Hier agierten Martin Kraemer und Krzysztof Jakubowski gegen ihre nominell stärkeren Gegner mit Schwarz sehr couragiert, ließen aber jeweils mehrere Siegchancen aus und ihre Gegner ins Remis entwischen.
Richtig verrückt verlief der Kampf zwischen dem SV Griesheim und dem SK König Tegel. Die Gastgeber gewannen 5:3, doch das war äußerst glücklich. Beim Stand von 2:2 patzte Torsten Sarbok gegen Holger Nothnagel in klar besserer Stellung einzügig einen Turm ein. Den Vogel schoß dann Rene Stern am Spitzenbrett gegen Nico Georgiadis ab. Nach einer feinen positionellen Leistung mit Schwarz hatte er seinen Gegner an den Abgrund gedrängt, ließ sich aber wohl euphoriegetränkt zu einem Galauftritt hinreißen, der aber einen bösen Haken hatte.
Georgiadis,Nico (2475) - Stern,Rene (2521)
SBL 1617, SK König Tegel - SV Griesheim, 19.02.2017
Stellung nach 46.Ld1?:
46...Lxh3! Dem weißen König gehts an den Kragen. Kaum verwunderlich, so gut wie die schwarzen Figuren postiert sind. 47.Kxh3 Dd7+ 48.Kh2 Sg4+ 49.Kh1
49...Se3?? Hallo! Stattdessen erwartete wohl jeder, der die Partie live im Internet oder vor Ort verfolgte 49...Le3-+ mit Damengewinn. Warum Stern diesen Zug nicht ausführte, ist schleierhaft. Es kann eigentlich nur daran liegen, dass er dachte, er hätte einen einfacheren oder schöneren Gewinnweg gefunden. 50.Tf2 Ta1 51.Sg1! Diesen Gegenangriff auf f6 bei gleichzeitiger Schließung der Grundreihe muss Schwarz übersehen haben in seiner Berechnung. 51...Txd1 52.Dxf6+ Kh7 53.De6 Dxe6? Ein weiterer Fehler, der die Partie sogar wegschmeißt. Es war jetzt natürlich auch eine Nervensache. Von total auf Gewinn auf Remis umzuschalten ist nicht einfach im Schach. 53...Dd8 54.Tf7+ Lg7 ist okay und ein Remisschluß wahrscheinlich. 54.dxe6 Lg5 55.e7! Schwarz muss den Läufer geben, um diesen Bauern aufzuhalten. Weiß steht auf Gewinn. 55...Lxe7 56.Tf7+ Kg8 57.Txe7 g5 58.Lf2 1-0
Letztendlich machte es auch nichts mehr aus, dass Martin Bruedigam gegen Stefan Walter ein besseres Endspiel nicht zum Sieg führte. Für Griesheim, die in der SBL nominell mit einer "Sparformation" antreten, läuft die Saison überaus erfolgreich. Die Hessen haben vier Punkte gehamstert und dürfen sich berechtigte Hoffnungen auf den Klassenerhalt machen.
Einzelergebnisse der 8. Runde
Kreuztabelle der SBL
Alle Partien nachspielen auf dem Liveportal
Mit der 9. und 10. Runde der SBL geht es weiter am 18. und 19. März. Die OSG Baden-Baden gastiert in Hamburg und muss zum immergrünen Duell gegen Bremen ran. Die SG Solingen trifft zu Hause in einem weiteren Kracher auf den SV Hockenheim. Gastgeber einer Runde sind außerdem der SK König Tegel und der SK Schwäbisch Hall.