In der 10. Runde der Schachbundesliga verteidigte die OSG Baden-Baden die Tabellenführung durch ein hart erkämpftes 5:3 gegen den Hamburger SK. In sechs der sieben weiteren Begegnungen setzte sich ebenfalls der Favorit durch. Für eine Überraschung sorgte allein der SV Mülheim Nord. Angeführt vom überragenden David Navara schlugen die Westdeutschen mit dem SV Hockenheim genau das Team, das am Vortag die SG Solingen noch besiegte hatte, mit 4,5:3,5.
Spielort Solingen
Der Spitzenkampf der 10. Runde fand in Solingen statt. Hier trafen am Sonntag der SV Hockenheim und der SV Mülheim Nord aufeinander. Hockenheim, vor der Runde nach dem Sieg gegen Solingen auf den zweiten Platz geklettert, startete außer am Spitzenbrett mit teilweise großem Elo-Vorteil. Von Beginn an zeigte sich aber, dass die Rennstädter am Vortag ihr Pulver verschoßen hatten. Patrick Zelbel besorgte die Mülheimer Führung, nachdem Rainer Buhmann die Eröffnung mißlang. Thomas Beerdsen erhöhte auf 2:0. Der junge Holländer besiegte Dennis Wagner, der am Samstag noch gegen Predrag Nikolic brilliert hatte.
Es folgten zwei Remis, bevor David Navara das Titatenduell gegen Evgeny Tomashevsky für sich entschied. Der tschechische Großmeister zeigte gegen den russischen Weltklassespieler ein mal mehr eine Kostprobe seines außergewöhnlichen Könnens und ein gutes Beispiel, wie man Schach dynamisch interpretiert. Navara ist mit sechs Punkten aus sechs Partien in der laufenden Saison der beste Spieler der gesamten Liga. Nach seinem Sieg war der Kampf im Prinzip gelaufen. Zwar verkürzten Ivan Saric und Csaba Balogh auf 3:4, doch in der letzten Partie zeichnete sich ab, dass Nikita Vitiugov seinen Mehrbauern im Turmendspiel gegen Daniel Fridman nicht verwerten werden kann.
Während es für Mülheim ein perfektes Wochenende war, könnte man für Hockenheim "wie gewonnen so zerronnen" titeln. Nach einem tollen Sieg gegen Solingen folgte eine bittere Pille gegen Mülheim und das Abrutschen auf Platz vier.
Ein 8:0 hat in der Schachbundesliga Seltenheitswert. Das letzte Mal, das einem Team ein Sieg in dieser Höhe gelang, war, welch Überraschung, Baden-Baden. Das Starensemble von der Oos zerlegte in der 14. Runde der Saison 2014/15 den Hamburger SK. In der 10. Runder dieser Saison war es wieder soweit. Die SG Solingen schickte den SV Griesheim mit 8:0 nach Hause. Das Ergebnis ist keine große Überraschung, da der Elo-Vorteil an allen Brettern enorm war. Für Solingen war es nach zwei Niederlagen Balsam für die geschundene Meisterseele. Für Griesheim ist es kein Beinbruch, denn die Hessen reisten beileibe nicht nach Solingen, um Mannschaftspunkte zu sammeln. Da alle Abstiegskandidaten an diesem Wochenende nicht gepunktet haben, hat sich die Situation am Tabellenende zudem nicht verändert.
Spielort Hamburg
Gerade noch stand geschrieben, dass der Hamburger SK tatsächlich mal 8:0 gegen Baden-Baden verlor. Am Sonntag konnte der Tabellenführer fast schon froh sein überhaupt gewonnen zu haben. Wenige Teams boten Baden-Baden in dieser Saison so sehr Paroli wie der HSK. Der Kampf begann mit drei Remis an den Brettern sechs, fünf und sieben. Hier machte sich auch bemerkbar, dass man gegen nominell stärkere Gegner auch mal in leicht besserer Stellung der Punkteteilung nicht abgeneigt ist. Allerdings kann man Jonas Lampert keinen Vorwurf machen, der durch das Remis gegen Sergei Movsesian eine GM-Norm absicherte.
Und es kam besser für die Gastgeber, die durch einen Sieg von Jan-Krzysztof Duda am Spitzenbrett gegen Radoslaw Wojtaszek in Führung gingen. Das war auch ein Fingerzeig, wer in den kommenden Jahren die Nr. 1 in Polen sein wird, denn es führt kein Weg über Duda, der die Elo-Leiter rasant empor steigt.
Hamburg führte 2,5:1,5, doch es zeichnete sich ab, dass Baden-Baden das Ruder noch rumreißen würde. In unteren Ligen hat es im Prinzip überhaupt nichts zu bedeuten, wenn irgendwo jemand einen Vorteil hat, aber bei diesen Jungs geschieht dann auch meistens genau das, was man erwartet, sobald ein Spieler einen Vorteil oder gar klaren Vorteil hat. Michael Adams, Jan Gustafsson und Georg Meier besiegten ihre Gegner mit teilweise starkem technischen Schach und rückten die Verhältnisse zurecht.
Die OSG Baden-Baden führt die Tabelle nach 10 von 15 Runden mit weißer Weste und drei Punkten Vorsprung an. Der 11. Titel der Vereinsgeschichte scheint nur noch reine Formsache zu sein.
Werder Bremen besiegte die SG Speyer-Schwegenheim mit 5:3. Auch in diesem Kampf zeigte sich, dass man gegen nominell stärkere Spieler trotz aussichtsreicher Stellung eher dazu geneigt ist ein Remis zu forcieren, anstatt alles auf eine Karte zu setzen. So geschehen an den Brettern vier und sechs, wo Ilmar Starostits und Zsivko Bratanov auf Gewinn stehend, allerdings in komplizierter Stellung, das Dauerschach forcierten. Auf der anderen Seite muss man allerdings einräumen, dass Alexander Markgraf durch einen unbedachten Zug seinen großen Vorteil gegen Enrico Krämer wegwarf und dementsprechend einen halben Punkt verschenkte. Der Sieg für Bremen geht somit in Ordnung.
Spielort Schwäbisch Hall
In Schwäbisch Hall kam an diesem Wochenende keine Spannung auf. Zu deutlich waren die Spielstärke-Unterschiede zwischen den teilnehmenden Mannschaften. Der USV TU Dresden besiegte Bayern München mit 5,5:2,5 und verbesserte sich auf Platz sechs der Tabelle. Zwar ging München durch einen Sieg von Andreas Schenk gegen Roven Vogel in Führung, doch die Spitzengroßmeister an den vorderen Brettern und Elisabeth Pähtz sorgten für den standesgemäßen Endstand. Mateusz Bartel zeigte dabei die Stärke von vorgerückten Freibauern.
Bartel,Mateusz (2634) - Dragnev,Valentin (2502)
SBL 1617 Bayern München - USV TU Dresden, 19.03.2017
Stellung nach 26...Dc7:
27.Lxh6! Lxh6 28.exd5 Die starken Freibauern garantieren Weiß großen Vorteil. 28...Lxg4 29.d6! Der Anziehende kann es sich sogar erlauben einen ganzen Turm zu geben. 29...Lxd1 30.Txd1 Db6 31.c7 Te6 32.Dd7 Das reicht zum Sieg, doch 32.Da5!+- mit Beseitigung einer Verteidigungsfigur war hier besonders schön. 32...Lf8 33.c8D Txc8 34.Dxc8 Txd6 35.Txd6 Dxd6 36.a4+- Die Freibauern am Damenflügel sind mittelfristig nicht aufzuhalten. Weiß gewann sicher nach 49 Zügen.
Der SK Schwäbisch Hall gehört zu den Gewinnern des Wochenendes. Da sich die direkten Konkurrenten die Punkte gegenseitig abnahmen, sprang das Team aus dem Südwesten der Republik nach dem 5,5:2,5 gegen MSA Zugzwang München auf Platz zwei der Tabelle. Genau wie im parallel ausgetragenen Kampf ging zwar der Außenseiter in Führung, doch die Hausherren nutzten reihenweise ihre nominellen Vorteile an den vorderen Brettern und drehten den Spieß schnell um.
Spielort Berlin (Tegel)
Genau wie die Münchener Teams mussten auch die Berliner Teams an diesem Wochenende ihren Gegnern die Mannschaftspunkte überlassen. Zwar wehrte sich der SK König Tegel tapfer gegen den DJK Aachen, doch der Favorit setzte sich letztendlich mit 5:3 durch. Sehr schnell gewann Lucas van Foreest, der die unterentwickelten schwarzen Kräfte zentral auseinandernahm.
van Foreest,Lucas (2453) - Von Herman,Ulf (2346)
SBL 1617 DJK Aachen - SK König Tegel, 19.03.2017
Stellung nach 16...Td7:
17.d4! Die weißen Bauern laufen einfach durch. 17...f6 18.d5 Lf7 19.d6 g6 20.e5 Der nächste Bauer rollt an. 20...f5 21.Le3 Db4 22.e6! Es geht Material verloren. Nach 22...Lxe6 folgt 23.De5 mit Doppelangriff auf Läufer und Turm. 1-0
Mit dem gleichen Ergebnis siegte die SG Trier gegen die SF Berlin. Die Schachfreunde lagen zwar mit 3:2 vorne, doch Piotr Bobras und Viktor Erdos drehten den Spieß zugunsten der Domstädter um. Einer der Berliner Spieler dürfte sich aber trotzdem gefreut haben, denn Marco Baldauf erzielte gemäß diesen Zahlen eine GM-Norm.
Mit der 11. und 12. Runde geht es weiter am 08. und 09. April. In Schwegenheim verteidigt Baden-Baden die Tabellenführung gegen die Berliner Teams. In Bremen kämpft das Nord-Duo Bremen/Hamburg gegen Schwäbisch Hall/Dresden. Um Punkte gegen den Abstieg geht es in München. Dort treffen die Münchener Vereine auf Griesheim. Außerdem ist Aachen Gastgeber einer Runde. Hier fordern Aachen und Trier das Duo Solingen/Mülheim heraus.
Einzelergebnisse der 10. Runde
Kreuztabelle
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