Meisterschaftsrennen gelaufen?

Erstellt am: 18.03.2017

Die 9. Runde der Schachbundesliga brachte eine Vorentscheidung im Meisterschaftsrennen. Die OSG Baden-Baden gewann gegen Werder Bremen mit 5:3 und liegt mit drei Punkten Vorsprung an der Spitze, nachdem die SG Solingen gegen den SV Hockenheim mit 2,5:5,5 verlor. Im Tabellenkeller konnte kein Team punkten, während sich der DJK Aachen durch das 4,5:3,5 gegen die SF Berlin vom Abstiegskampf verabschiedete.

Spielort Hamburg

Der SV Werder Bremen gehörte in den letzten zwei Spielzeiten zu den Teams, die die OSG Baden-Baden gehörig ärgerten. Vor zwei Jahren luchsten die Werderaner dem Ligaprimus einen Punkt ab, bevor sie in der letzten Saison sogar 5:3 gewannen und Solingen zur Meisterschaft verhalfen. In der 9. Runde dieser Saison kam es am Samstag zum neuerlichen Duell. Wieder wurde es ein enger Kampf, doch dieses Mal setzte sich das Baden-Badener Starensemble mit 5:3 durch. Nach den Unentschieden an den Brettern eins, drei und vier, neigte sich die Waagschale langsam aber stetig zugunsten des Spitzenreiters. Die Führung besorgte Sergei Movsesian. Der Armenier opferte im Mittelspiel gegen David Smerdon eine Figur für zwei Bauern und Initiative. Smerdon reagierte inadäquat und geriet schnell in die Defensive, aus der er sich nicht mehr befreien konnte.

Sergei Movsesian gegen David Smerdon | Foto: Georgios Souleidis
Sergei Movsesian gegen David Smerdon | Foto: Georgios Souleidis

Die Hoffnungen auf Bremer Seite lagen danach vor allem auf Jan Werle. Der Holländer besaß Vorteil gegen Arkadij Naiditsch dank eines hochgefährlichen entfernten Freibauern im Endspiel. Naiditsch, der mit acht Punkten aus neun Partien zu den Topscorern der Liga gehört, verteidigte sich aktiv und schickte seinen König in die gegnerische Hälfte. Dieses Gegenspiel sorgte bei Werle für Verwirrung und letztendlich zum Remis.

Arkadij Naiditsch gegen Jan Werle | Foto: Georgios Souleidis
Arkadij Naiditsch gegen Jan Werle | Foto: Georgios Souleidis

In der Zwischenzeit hatte Georg Meier gegen Alexander Markgraf gewonnen. In einer ausgeglichenen Stellung leistete sich der Bremer eine entscheidende Schwächung seiner Struktur am Königsflügel, die der deutsche Nationalspieler trotz oder gerade wegen der ungleichfarbigen Läufer mit gekonnt sauberer Technik zum Gewinn führte. Baden-Baden konnte letztendlich verschmerzen, dass Alexei Shirov sein besseres Turmendspiel gegen Romain Edouard nicht zum Gewinn führte.

Im parallel ausgetragenen Kampf gewann der Hamburger SK gegen die SG Speyer-Schwegenheim mit 5,5:2,5. Für die Gäste begann das Match sehr unglücklich mit einer kampflosen Null. Ihr achtes Brett schaffte es nicht pünktlich nach Hamburg, da der Zug auf dem Weg in die Hansestadt stecken blieb und sogar evakuiert werden musste. Trotz dieser Hypothek kämpfte der Aufsteiger bravourös und hatte einige gute Stellungen. Eine davon konnte Luca Shytaj zum Sieg gegen Dorian Rogozenco verwerten. Der Italiener spielt eine Bombensaison für Speyer-Schwegenheim und sicherte sich mit sechs aus neun eine GM-Norm.

Luca Shytaj| Foto: Georgios Souleidis
Luca Shytaj| Foto: Georgios Souleidis

Eine gute Stellung hatte Toms Kantans an Brett zwei gegen Kamil Miton. Der Lette besaß im Endspiel zwischenzeitlich einfach einen Bauern mehr, gab ihn aber zurück und ließ sich in einem ausgeglichenen Springerendspiel zu einem haarsträubenden Fehler hinreißen, der ihn sogar den halben Zähler kostete. Davor gewann für Hamburg am Spitzenbrett Jan-Krzysztof Duda ein technisch schwieriges Endspiel gegen Sebastien Feller. Obwohl kaum Material auf dem Brett stand, schaffte es der junge Pole sein Gewinnpotential auszureizen und am Ende mit Springer und Läufer matt zu setzen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Niclas Huschenbeth schon seine Analyse hinter sich. Der deutsche Großmeister, der sich in starker Form befindet und die Elo-Marke von 2600 anpeilt, setzte sich nach einem heißen taktischen Schlagabtausch gegen Nikita Meskovs durch. Das Ende der Partie verlief folgendermaßen:

Meskovs,Nikita (2476) - Huschenbeth,Niclas (2548)
SBL 1617, Hamburger SK - SG Speyer-Schwegenheim, 18.03.2017


Stellung nach 22.Db4:

22...Sd3+! 23.Txd3 Txe2+! Die eigentliche Pointe. 23...cxd3? verbietet sich wegen 24.Dxh4± 24.Kd1 Txa2 Der weiße König steht einfach zu schlecht, als das Weiß überleben könnte. 25.Ta3 Txf2 26.Dxb5 De4 27.Ke1 Txg2 28.Tf1 Td8 29.Tf4

29...Td1+! 30.Kxd1 Dc2+ Weiß gab einen Zug vor dem Matt auf. 0-1

Niclas Huschenbeth | Foto: Georgios Souleidis
Niclas Huschenbeth | Foto: Georgios Souleidis

Spielort Solingen

Die SG Solingen hat sich aus dem Rennen um die Meisterschaft verabschiedet. Die Klingenstädter kamen gegen den SV Hockenheim mit 2,5:5,5 böse unter die Räder und das Ergebnis geht auch in der Höhe vollauf in Ordnung. Bei Solingen machte sich das Fehlen der Spitzenbretter Anish Giri und Pentala Harikrishna bemerkbar, insbesondere auch weil Hockenheim mit sehr starker Besetzung antrat. Nachdem die zwei ersten Bretter ohne große Aufregung remis endeten, zeigte sich an den restlichen Tischen die Überlegenheit der Gäste.

Baadur Jobava opferte gegen Robin van Kampen einen Bauern und erhielt sehr viel Initiative im Mittelspiel. Van Kampen sah sich genötigt eine Figur für mehrere Bauern zu geben, doch das ging komplett nach hinten los. Ein weiterer Holländer erwischte nicht seinen besten Tag. In minimal schlechterer Stellung übersah Jan Smeets einen Doppelangriff seines Gegners und gab sofort auf.

Robin van Kampen gegen Baadur Jobava | Foto: Guido Giotta
Robin van Kampen gegen Baadur Jobava | Foto: Guido Giotta

Den dritten Sieg für Hockenheim steuerte Dennis Wagner bei. Der junge Deutsche überrollte Predrag Nikolic am Königsflügel mit einem sehenswerten Angriff.

Wagner,Dennis (2543) - Nikolic,Predrag (2622)
SBL 1617, SG Solingen - SV Hockenheim, 18.03.2017

Stellung nach 14...Dxg5:

15.Ta2!+- Ein schöner Turmschwenk zur offenen h-Linie. 15...Dd8 15...Dg3+ 16.Tf2 nutzt nichts. Weiß gewinnt nach z.B. 16...Lf5 17.Ke2 und die Türme verbinden sich auf der h-Linie. 16.Tah2 Sf6 17.Dc2! Eine nette Ablenkung. 17...g6

18.Txh7! Macht den Weg frei für die Dame. 18...Sxh7 19.Dh2 Te8 20.Dxh7+ Kf8 21.Dh6+ Ke7 22.Dg5+ 1-0

Dennis Wagner | Foto: Guido Giotta
Dennis Wagner | Foto: Guido Giotta

Der zweite Kampf in Solingen war eine klare Angelegenheit. Der SV Mülheim Nord startete hochfavorisiert gegen den SV Griesheim und setzte sich locker mit 7:1 durch. Alle Schachfans dürfen sich auf die Partie von David Navara am Sonntag freuen. Der tschechische Großmeister walzte in seinen fünf bisherigen Partien alles nieder am Spitzenbrett und trifft am Sonntag auf Evgeny Tomashevsky.

Spielort Schwäbisch Hall

Die Kämpfe in Schwäbisch Hall waren ebenfalls eine klare Angelegenheit. Der USV TU Dresden gewann mit dem selbsen Resultat wie Mülheim. Die Leidtragenden waren die Spieler der MSA Zugzwang München. Etwas knapper gewann der SK Schwäbisch Hall gegen FC Bayern München. Obwohl die Hausherren auf die ersten sechs Bretter verzichteten, reichte es zu einem klaren 5,5:2,5 gegen die Bayern. Nach der Solinger Niederlage läuft momentan alles auf ein Duell um den zweiten Platz zwischen Hockenheim und Schwäbisch Hall hinaus. Dieser Kampf findet in der 14. Runde während der zentralen Endrunde in Berlin statt.

Spielort Berlin (Tegel)

Der spannendste Kampf der 9. Runde, nimmt man das Ergebnis als Maßstab, fand in Berlin statt. Hier duellierten sich die SF Berlin gegen den DJK Aachen. Auf Seiten der Hauptstädter gewannen Kacper Piorun, dank eines sehr starken Läuferpaares im Endspiel, und Marco Baldauf gegen Ilja Zaragatski, der das Risiko zu hoch schraubte. Auf Seiten der Aachener punkteten Michael Hoffmann, Christian Braun und Lucas van Foreest.

Spielsaal Berlin-Tegel | Foto: Frank Hoppe
Spielsaal Berlin-Tegel | Foto: Frank Hoppe

Das 4,5:3,5 für den Aufsteiger war letztendlich etwas glücklich. Mikail Agopov hatte gegen Braun zwischenzweitlich einfach eine Qualität mehr und darüber hinaus sehr gute Chancen die Partie für sich zu entscheiden und Arnd Lauber übersah ausgangs der Eröffnung gegen Hoffmann eine taktische Wendung. Für den Aufsteiger aus dem Westen verläuft die Saison sehr erfolgreich. Mit sieben Punkten auf dem Konto und einem auf dem Papier vielversprechenden Restprogramm winkt zum Saisonende ein schöner Mittelfeldplatz.

Am Sonntag geht es weiter mit der 10. Runde der Schachbundesliga. Kann Hockenheim gegen Mülheim nachlegen und den zweiten Platz in der Tabelle behaupten und wie wird sich der Hamburger SK gegen Baden-Baden schlagen? Ab 10 Uhr übertragen wir die Partien live.

Einzelergebnisse der 9. Runde
Kreuztabelle
Alle Partien nachspielen auf dem Liveportal



Über den Autor

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Georgios Souleidis ist Internationaler Schachmeister und hat in Bochum Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Er arbeitet als Journalist, Autor und Schachtrainer. Er schreibt u.a. als Chefredakteur für die Schachbundesliga, für Chessbase, die Zeitschrift SCHACH, SPIEGEL ONLINE oder die Deutsche Presse-Agentur. Falls er mal nicht schreibt, Training gibt oder auf seinem YouTube-Kanal Schach lehrt, versucht er aktiv am Brett zu beweisen, dass 1. e2-e4 der beste Eröffnungszug ist.