Karpov verliert, aber Hockenheim siegt

Erstellt am: 11.11.2017
Foto: Gerd Densing

Im Spitzenkampf der 3. Runde setzte sich der SV Hockenheim mit 5:3 in Schwäbisch Hall durch und liegt mit weißer Weste genau wie Baden-Baden und Solingen an der Spitze der SBL. In sechs der weiteren sieben Begegnungen setzte sich jeweils der Favorit durch. Nur dem FC Bayern München gelang mit der Punkteteilung gegen Speyer-Schwegenheim eine kleine Überraschung.

In 13 Partien, vier für Stadthagen in der Saison 1993/94 und neun für den SV Hockenheim seit der Saison 2011/12, blieb Anatoli Karpov ungeschlagen. In der 3. Runde der Saison 2017/18 erwischte es den 12. Weltmeister der Schachgeschichte. Gegen die Grünfeld-Indische Verteidigung von Chao Li wählte er im siebten Zug einen eher seltenen Damenausflug und zwei Züge später stand eine theoretisch unerforschte Stellung auf dem Brett. Der chinesische Supergroßmeister unterminierte schnell das weiße Zentrum. Nach einem Generalabtausch vieler Figuren und Bauern verblieb Schwarz in einer Stellung mit unglechfarbigen Läuern dank seiner aktiveren Figuren mit leichtem Vorteil. Bis zum 35. Zug verteidigte sich Karpov einwandrei, doch nach einem unbedachten Königszug verlor er plötzlich entscheidend Material und die Partie.

Anatoli Karpov vor der Partie beim Interview mit dem SWR | Foto: Gerd Densing
Anatoli Karpov vor der Partie beim Interview mit dem SWR | Foto: Gerd Densing

Hockenheim, die an den Brettern fünf bis acht mit erheblichem nominellen Vorteil starteten, drehten den Kampf nach und nach. Rainer Buhmann sorgte mit einem schnellen Sizilianisch-Sieg gegen Frank Zeller für den Ausgleich, bevor Alexander Moiseenko und Ivan Saric auf 3:1 erhöhten. Beim Gastgeber Schwäbisch Hall keimte nach dem Sieg von Maxim Matlakov gegen Baadur Jobava - sehenswert, wie der russische Großmeister den Georgier auf beiden Flügeln überspielte - nochmal Hoffnung auf, doch David Baramidze sorgte mit seinem Sieg gegen Pavel Zpevak für das 5:3. Damit bleibt Hockenheim mit weißer Weste weiter an der Spitze, während Schwäbisch Hall nach der zweiten Niederlage gegen ein Spitzenteam vorerst  kleinere Brötchen backen muss.

Parallel kämpften in Schwäbisch Hall die Aufsteiger Deizisau und Hofheim um Punkte. Es war ein ungleiches Duell. Nach einem schnellen Remis am Spitzenbrett zwischen Matthias Blübaum und Jan-Christian Schröder, schwappte die Deizisauer GM-Welle über Hofheim hinweg. Nur Erik Zude gelang noch ein Remis an Brett fünf gegen Zdenko Kozul, der Rest der Partien ging an das Team aus dem Südwesten der Republik. Mit 7:1 könnte es vielleicht der höchste Sieg eines Aufsteigers in der Schachbundesliga gewesen sein - mag das jemand nachprüfen?

Matthias Blübaum und Jan-Christian Schröder trennten sich remis | Foto: Gerd Densing
Matthias Blübaum und Jan-Christian Schröder trennten sich remis | Foto: Gerd Densing

Alexander Naumann Matchwinner für Solingen

In Aachen tat sich die SG Solingen gegen die Schachfreunde Berlin erstaunlich schwer. Obwohl die Klingenstädter an jedem Brett klar favorisiert waren, reichte es nur zu einem 4,5:3,5. Predrag Nikolic brachte Solingen in Führung und Marco Baldauf glich durch einen Sieg gegen Loek van Wely für die Hauptstädter aus. Beim Stand von 3,5:3,5 besaß Alexander Naumann gegen Lars Thiede in einem Springerendspiel Vorteile, doch zwischenzeitlich war es nicht klar, ob es zu einem Sieg ausreichen würde. Zur Freude der Solinger Fans machte der Solinger Großmeister seinem Titel alle Ehre und gewann.

Alexander Naumann | Foto: Guido Giotta
Alexander Naumann | Foto: Guido Giotta

Aachen gegen Dresden war ein erstaunliches Match. Gemäß der Aufstellung war Dresden an den ersten vier Brettern favorisiert, während der Gastgeber an den Brettern fünf bis acht nominelle Vorteile besaß. Das liegt vor allem am Aachener Konzept nicht strikt nach Elo aufzustellen. Dementsprechend gestaltete sich der Kampf und endete 4:4. Aachen führte nach Siegen von Twan Burg und Miguel Santos Ruiz, während Grzegorz Gajewski auf der anderen Seite voll punktete, mit 2,5:1,5. Dann erhöhrte Alexander Donchenko (an Brett acht!) und es stand nach vier Stunden 4:2. Mateusz Bartel und Hans Moehn sorgten für das Dresdner Comeback. Der polnische Großmeister fand kurz vor der Zeitkontrolle einen Weg in die Stellung von Ilja Zaragatski, während Moehn ein besseres Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern gegen Robin Swinkels gewann.

Impression aus dem Kampf Aachen gegen Dresden | Foto: Guido Giotta
Impression aus dem Kampf Aachen gegen Dresden | Foto: Guido Giotta

Bremen siegt locker im Nordderby

Der Klassiker im Norden zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger war dieses Mal eine klare Sache für die Mannen von der Weser. Zwar konnte Jonathan Carlstedt die Bremer Führung durch Luke McShane - nahm den in der Mitte steckenden König von Niclas Huschenbeth gekonnt unter Beschuss - schnell ausgleichen, doch danach ging gar nichts mehr beim HSK. Nur Sipke Ernst und der 15-jährige Luis Engel, bei seinem ersten Einsatz in der Schachbundesliga, konnten einen halben Punkt ergattern, so dass Bremen mit 6:2 gewann.

Der zweite Kampf im Weserstadion war ebenfalls eine klare Sache. Der SV Mülheim Nord siegte sicher mit 5,5:2,5 gegen den SK Norderstedt. Das Team aus dem Westen hat dieses Wochenende David Navara im Einsatz. Der tschechische Superstar konterte Lawrence Trent problemlos aus.

Bayern mit Punktgewinn

Im Prinzip gelang dem FC Bayern München die einzige Überraschung des Tages, auch wenn sie klein war. Speyer-Schwegenheim startete mit leichten Vorteilen, musste sich aber am Ende mit einem 4:4 zufrieden geben. Makan Rafiee brachte durch einen Sieg gegen Gabor Kovacs München in Führung, doch die lettischen Spitzenbretter Arturs Neiksans und Nikita Meskovs wendeten das Blatt zum 2,5:1,5. Den Big Point zum 4:4 schaffte Philipp Lindgren durch einen Sieg gegen Luca Shytah. Shytah verpasste mit einem Springer gegen zwei Freibauern die beste Verteidigung und musste sich geschlagen geben.

Impression vom Spielgeschehen in München | Foto: Peter Baudrexel
Impression vom Spielgeschehen in München | Foto: Peter Baudrexel

Die OSG Baden-Baden gewann standesgemäß mit 6,5:1,5. Die Spieler der MSA München wehrten sich vor heimischer Kulisse nach Kräften und lange stand es 0:0, bevor Wojtaszek und Co. den klaren Sieg einfuhren. Besonders ärgern wird sich bei den Gastgebern Markus Lammers, der gegen Peter Heine Nielsen eine klare Gewinnstellung aus der Hand gab.

Am Sonntag geht es ab 10 Uhr weiter mit der 4. Runde. Große Spannung verspricht der Kampf zwischen dem SV Hockenheim und den SF Deizisau.

Alle Einzelergebnisse der 3. Runde
Kreuztabelle nach der 3. Runde
Alle Partien nachspielen auf dem Liveportal

Teaserfoto (Chao Li gegen Anatoli Karpov): Gerd Densing



Über den Autor

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Georgios Souleidis ist Internationaler Schachmeister und hat in Bochum Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Er arbeitet als Journalist, Autor und Schachtrainer. Er schreibt u.a. als Chefredakteur für die Schachbundesliga, für Chessbase, die Zeitschrift SCHACH, SPIEGEL ONLINE oder die Deutsche Presse-Agentur. Falls er mal nicht schreibt, Training gibt oder auf seinem YouTube-Kanal Schach lehrt, versucht er aktiv am Brett zu beweisen, dass 1. e2-e4 der beste Eröffnungszug ist.