Hockenheim setzt Ausrufezeichen

Erstellt am: 16.10.2016

Vier Mannschaften gelang ein perfekter Start in die Saison 2016/17. Neben Baden-Baden, Solingen und Mülheim setzte Hockenheim mit einem fulminanten Sieg gegen Bremen das Ausrufezeichen der 2. Runde. Wir fassen die Höhepunkte an den Spielorten Solingen, Schwäbisch Hall, Hamburg und München zusammen.

David Navara glänzt in Solingen

Nach dem klaren Sieg gegen die Schachfreunde Berlin legte die SG Solingen mit einem 6:2 gegen König Tegel standesgemäß nach. Mads Andersen und Markus Ragger sorgten schnell für das 2:0, doch dann geschah etwas Seltsames. Richard Rapport verlor eine Partie. Gegen Robert Rabiega übertrieb es der 20-jährige Ungar in der Eröffnung und entwickelte kaum Figuren. Rabiega nutzte die Gelegenheit und hielt den in der Brettmitte steckenden schwarzen König ständig unter Beschuss. Am Ende lief dieser sogar bis nach a1, bevor er mattgesetzt wurde. Das war für Rapport erst der zweite Partieverlust in seiner sechsten Saison in der SBL. Seine erste Niederlage kassierte er 2011/12 gegen Igor Glek, damals noch im Trikot von Werder Bremen. Der Rest der Solinger hielt sich aber schadlos. Pentala Harikrishna, Predrag Nikolic und Alexander Naumann gewannen ihre Partien und Jan Smeets rettete zudem eine verlorene Stellung.

Richard Rapport | Foto: Guido Giotta
Richard Rapport | Foto: Guido Giotta

Der Kampf zwischen den Schachfreunden Berlin und dem SV Mülheim Nord verlief sehr ausgeglichen. Nach vier recht schnellen Unentschieden brachte David Navara nach einer sehr schönen Partie Mülheim in Front. Anbei eine kurze Analyse der wichtigsten Momente.

Navara,David (2742) - Piorun,Kacper (2681)
SBL, SF Berlin - SV Mülheim Nord, 16.10.2016


Stellung nach 18...c5:

19.Txc5! Genie und Wahnsinnn liegen eng beieinander. Der Zug ist objektiv gut aber sehr riskant, zumal Weiß über die simple Fortsetzung 19.b4 mit weißem Vorteil verfügte. 19...Ld7 19...dxc5 20.Lxc5+ Kg8 21.Se7+ Kh7 22.Sxf5± war die Grundidee. 20.De4 f5 20...dxc5?? 21.Lxc5+ Kg8 22.Se7++- 21.Dc4 dxc5 22.Lxc5+ Ke8 Weiß hat nur zwei Bauern für den Turm, aber mit diesem König auf e8... 22...Kf7 23.Sf4+ Ke8 24.Se6+-

23.Td1 Stattdessen hätte der Marsch des e-Bauern, mit der Idee die e-Linie zu öffnen, Weiß großen Vorteil gebracht, z.B. 23.e4!! f4 24.e5 Tc8 25.e6! Txc5 26.exd7+ Dxd7 27.Dxc5± 23...Tc8 Schwarz ist wieder im Spiel. 24.Td3 Tc6 25.b4?! Weiß hätte sich mit dem Remis begnügen sollen: 25.Te3+ Te6 26.Txe6+ Lxe6 27.Sc7+ Dxc7 28.Dxe6+ Kd8 29.Dd5+ und jetzt z.B. 29...Dd7 30.Da8+ Kc7 31.Dxa7+ Kc6 32.Da4+! Kc7 33.Da7+= 25...Te6 Nach 25...Dc8!-+ blinkt der Computer mit entscheidendem Vorteil für Schwarz. 26.Lxa7 Weiß holt sich einen Bauern, da der Angriff ins Stocken geraten ist. 26...Le5 27.Lc5 Db8 28.Ta3 Db5 29.Dc2 Lb8 30.Dxf5

Bis hierhin hatte sich Schwarz gut aus der Affaire gezogen, doch jetzt folgt der Verlustzug. 30...Dxe2? Das lässt das Schach auf f6 zu. 30...Kd8! geht aus dem Schach und es bleibt spannend. 31.Sf6+ Txf6 31...Kd8 32.Td3+- 32.Dxf6 De1+ 33.Kg2 De4+ 34.f3 De2+ 35.Lf2 Lh3+ 36.Kxh3 Df1+ 37.Kg4 h5+ 38.Kxg5 Tg8+ 39.Kh6 Dxf2 40.Kh7 Ein schöner Schlusszug, aber 40.De6+ setzte sogar forciert matt. 1-0

David Navara | Foto: Guido Giotta
David Navara | Foto: Guido Giotta

Die Waagschale neigte sich endgültig zugunsten der Mülheimer, als Alexander Berelowitsch nach einem spannenden Verlauf Arnd Lauber besiegte.

Berelowitsch,Alexander (2528) - Lauber,Arnd (2434)
SBL, SF Berlin - SV Mülheim Nord, 16.10.2016

Stellung nach 38...Sc2:

39.Sxa4 Berelowitsch hätte den a-Bauern mit 39.Sb5! ignorieren können, da 40.Sd6 eine sehr starke Drohung darstellt. 39...Sxd4 40.Sb6 Db8 40...Da3! sichert Schwarz zumindest das Remis nach 41.Dd8+ Kg7 (41...Df8 42.Dc7= wird am Remis auch nichts ändern) 42.Df6+ (42.Sd7 Df3+ 43.Kh2 Dxf2+=) 42...Kg8 43.Dd8+= 41.Sc8 Dxe5? Der Verlustzug.Allerdings war die Remiswendung sehr schwierig zu finden. 41...Sc6! 42.Dxc6 Db4!= und Weiß kann das drohende Dauerschach nicht verhindern. 42.Dd8+ Kg7

43.Sd6!+- Es droht 44.Se8+ der Punkt f7 wird angegriffen und der Springer deckt das Feld e4. 43...Sc6 44.Dc7 Mit Doppelangriff auf f7 und c6. Es ist vorbei. 44.Se8+?? Kf8!-+ 44...h5 45.Dxf7+ Kh8 46.Df8+ Kh7 47.Dh6+ Kg8 48.Dxg6+ Dg7 49.Dxe6+ Kh7 50.Df5+ Kh8 51.Dc8+ 1-0

Lars Thiede verkürtzte letztendlich durch seinen Sieg gegen Volkmar Dinstuhl auf 3,5:4,5.

Socko rettet Dresden

In Schwäbisch Hall glückte dem Gastgeber der erste Saisonsieg. Nach dem leblosen 4:4 gegen Trier brannte die Mannschaft gegen Aachen zwar kein Feuerwerk ab, doch die Siege von Petr MIchalik und Viktor Laznicka reichten aus, um den Aufsteiger aus dem Westen mit 5:3 zu bezwingen. Im parallel ausgetragenen Kampf zweier nominell etwa gleichstarken Mannschaften trennten sich die SG Trier und USV TU Dresden mit 4:4. Miklos Galyas brachte Trier in Führung, nachdem Paul Hoffmann mit seiner Dame früh auf Wanderschaft ging und böse dafür bestraft wurde.

Dresden schien danach seine nominelle Überlegenheit an den ersten vier Brettern mit Siegen von Almasi und Socko zu bestätigen, doch nur ein Spieler konnte seine gewinnverheißende Stellung zum vollen Punkt verwerten. Almasi übersah eine taktische Abwicklung und so musste Bartosz Socko ein Schwerfigurenendspiel mit Mehrbauern gegen Benjamin Gledura weiterspielen. Der ungarische Nachwuchsstar hatte das Remis im Turmendspiel eigentlich schon sicher, patzte dann aber im 86. Zug und verlor letztendlich etwas unglücklich.

Bartosz Socko | Foto: Georgios Souleidis
Bartosz Socko | Foto: Georgios Souleidis

Beide Teams können mit dem Saisonauftakt zufrieden sein. Trier holte gegen zwei starke Teams zwei Unentschieden, während Dresden mit drei Punkten deutlich besser als in der Vorsaison startete

Hockenheim deklassiert Bremen

Der SV Hockenheim verfügt über eine sehr starke Mannschaft. Das zeigte das Auftaktwochenende in Hamburg. Nach dem klaren Sieg gegen den HSK folgte im Spitzenkampf der 2. Runde mit dem 6:2 gegen Bremen ein Ergebnis, das kaum jemand erwartet haben dürfte. Arik Braun zeigte sich sehr gut aufgelegt und gewann wie am Samstag mit seiner Lieblingseröffnung "Caro-Kann". Sein Opfer war dieses Mal mit Alexander Markgraf einer der herausragenden Spieler der vergangenen Saison. Hannes Rau und Rainer Buhmann erhöhten zum zwischenzeitlichen 4:1. Dabei verlor Luke McShane gegen Buhmann auf eine Art und Weise, wie sie für ihn selten ist. Der deutsche Nationalspieler überspielte den Engländer in einer Slawischen Partie auf beiden Flügeln und setzte folgendermaßen den Schlusspunkt.

Buhmann,Rainer (2640) - McShane,Luke J (2671)
SBL, SV Hockenheim - SV Werder Bremen, 16.10.2016


Stellung nach 41...Ta7:

42.Txf7! Txf7 43.Dxb4+ 43.Th8+ Kc7 44.Dxb4 führt auch zum Matt. 43...Db7 43...Tb7 44.Th8+ Ka7 45.axb7+-; 43...Kc7 44.Db6+ Kc8 45.Th8++- 44.Th8+ 1-0

Rainer Buhmann | Foto: Georgios Souleidis
Rainer Buhmann | Foto: Georgios Souleidis

Des Weiteren gewannen auf Hockenheimer Seite Csaba Balogh und David Baramidze, während Alexander Areshchenko das Duell am Spitzenbrett gegen David Howell für sich entschied, obwohl Howell besser vorbereitet gewesen sein dürfte, nachdem Hockenheim Anatoly Karpov aussetzen ließ.

Der Hamburger SK kann tief durchatmen, denn der erste Saisonsieg ist unter Dach und Fach. Die Gastgeber gewannen gegen den SV Griesheim verdient mit 5:3. Thies Heinemann setzte einen jungen Gegner matt, Dorian Rogozenco erhöhte auf positionell saubere Weise und Jonas Lampfert luchste Robert Baskin im MIttelspiel einen Bauern ab, den er im Turmendspiel zum vollen Punkt verwertete. Am Ende konnte Stefan Walter durch einen Sieg gegen Lubomir Ftacnik für die Hessen nur noch verkürzen.

Bayern München mit erstem Saisonerfolg

Der zeitlich kürzeste und einseitigste Kampf der Runde fand in München statt. Der Top-Favorit auf den Titel, die OSG Baden-Baden, hatte gegen MSA Zugzwang keine Mühe und siegte mit 7:1. Nur Leon Mons und Falk Hoffmeyer gelang jeweils ein Remis. Erfreulich aus Sicht der Baden-Badener war der Sieg ihres Jugendbrettes Julian Martin, der Markus Lammers das Nachsehen ließ. Eine schöne Wendung dieses Kampfes wollen wir auch mit einem Diagramm küren.

Adams,Michael (2738) - Kindermann,Stefan (2509)
SBL, OSG Baden-Baden - MSA Zugzwang, 16.10.2016


Stellung nach 15...Se4?:

Der letzte Zug von Schwarz war ein Fehler. Auf den ersten Blick ist nicht klar warum, doch Adams zeigte schnell auf, warum der Springer besser auf f6 geblieben wäre. 16.Sxc6! bxc6 17.Se5 Es hängt nicht nur der Bauer c6, sondern auch der Bauer f7! 17...Ld7 18.Sxf7! Kxf7 19.Dxe4 Die Pointe. Der Bauer d5 ist gefesselt. Weiß hat einen Bauern mehr und die bessere Stellung wegen des "offenen" schwarzen Königs. Adams ließ nichts mehr anbrennen und gewann nach 31 Zügen. 1-0

Michael Adams | Foto: Georgios Souleidis
Michael Adams | Foto: Georgios Souleidis

Einen spannenden Kampf lieferten sich Speyer-Schwegenheim und Bayern München. Zuerst schien es, als ob der Aufsteiger aus der 2. Liga Süd seinen zweiten Saisonsieg feiern würde. Nach einem Sieg von Gabor Kovacs und vier Remis stand es 3:2 für Speyer-Schwegenheim, doch dann zeichnete sich nach und nach ab, dass die Hausherren an den restlichen Brettern über einige Gewinnstellungen verfügen. So kam es auch, dass Chrstian Gabriel, Valentin Dragnev und Peter Meister den Spieß zugunsten der Bajuwaren umdrehten.

Mit der 3. und 4. Runde der Saison 2016/!7 geht es weiter am 19. und 20. November. Die Fans dürfen sich gleich auf mehrere Spitzenkämpfe freuen. Solingen und Mülheim gastieren in Bremen und Baden-Baden bekommt es im Top-Duell des Wochenendes mit Schwäbisch Hall zu tun. Außerdem wartet mit Dresden ein weiterer starker Gegner auf den Titelfavorit.

Einzelergebnisse 2. Runde
Alle Partien nachspielen auf dem Liveportal
Kreuztabelle nach der 2. Runde



Über den Autor

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Georgios Souleidis ist Internationaler Schachmeister und hat in Bochum Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Er arbeitet als Journalist, Autor und Schachtrainer. Er schreibt u.a. als Chefredakteur für die Schachbundesliga, für Chessbase, die Zeitschrift SCHACH, SPIEGEL ONLINE oder die Deutsche Presse-Agentur. Falls er mal nicht schreibt, Training gibt oder auf seinem YouTube-Kanal Schach lehrt, versucht er aktiv am Brett zu beweisen, dass 1. e2-e4 der beste Eröffnungszug ist.