Hockenheim mit vier 2700ern, Baden-Baden trotzdem vorne

Erstellt am: 08.02.2020

Baden-Baden bleibt verlustpunktfrei vorne, dahinter Hamburg und Hockenheim in Lauerstellung. Aachen wartet weiter auf den ersten Sieg, Bayern München gelingt eine Überraschung. Der fünfte Spieltag der Schachbundesliga:

Ausrichter: FC Bayern München

 
FC Bayern München – SC Viernheim 5:3
 
Niclas Huschenbeths Instagram-Account erlaubt einen Einblick in den Urlaub des Deutschen Meisters. Und in dessen Physiognomie.
Niclas Huschenbeths Instagram-Account erlaubt einen Einblick in den Urlaub des Deutschen Meisters. Und in dessen Physiognomie.
 
Ohne ihren urlaubenden Spitzenmann Niclas Huschenbeth traten die Münchner gegen die mächtigen Viernheimer an. Die boten drei 2650+-Recken an den Spitzenbrettern auf. Aber an Brett acht der Münchner rückte für Huschenbeth nicht irgendwer nach, sondern der ehemalige WM-Kandidat Zoltan Ribli. Der ist zwar mittlerweile 68, aber versteht immer noch mehr vom Schach als die meisten anderen Leute. In der Partie des Spieltags mit der bei weitem größten Altersdifferenz zwischen den Gegnern (51 Jahre) erteilte Ribli der ehemaligen U16-Weltmeisterin Annmarie Mütsch eine Strategie-Lehrstunde. Diese Vorlage spornte seine Kollegen an, für eine Überraschung zu sorgen, insbesondere Noel Studer, der sich am fünften Brett gegen Schachtennis-Weltmeister Sebastien Maze einen vollen Punkt erzauberte.
 
Ribli-Mütsch, die Schlusstellung: Materiell ging es sogar noch für die ehemalige U16-Weltmeisterin. Aber sie war komplett überspielt.
Ribli-Mütsch, die Schlusstellung: Materiell ging es sogar noch für die ehemalige U16-Weltmeisterin. Aber sie war komplett überspielt.
 
Zoltan Ribli. || Foto: Wikipedia
Zoltan Ribli. || Foto: Wikipedia
 
BCA Augsburg – Aachener SV 6:2
 
Wer den Youtube-Kanal des Aachener Spitzenspielers Christian Seel verfolgt, der weiß, dass die Aachener an diesem Wochenende gegen zwei potenzielle Abstiegskandidaten erstmals punkten wollen. Der erste Versuch misslang. Gegen Augsburg setzte es ein 2:6, das die Bayern ins Mittelfeld  befördert, während die Aachener weiter mit null Punkten dastehen. 
 

Ausrichter: SG Turm Kiel

 
SG Turm Kiel – OSG Baden-Baden 2:6
 
An den oberen vier Brettern hielten die Kieler, an den unteren gingen sie unter, Baden-Baden bleibt verlustpunktfrei Tabellenführer. Das ist die Geschichte des Vergleichs Kiel versus Baden-Baden in Kurzform. Würde sie hier länger erzählt, dann käme der Glanzsieg Alexei Shirovs zur Sprache, vielleicht gäbe es noch Ausführungen zu Arkadi Naiditsch, der sich gegen den 15-jährigen GM Jonas Buhl Bjerre Dänemark beinahe die dritte Null der Saison eingehandelt hätte. Aber der Däne erlaubte Naiditsch einen Rettungsanker auszuwerfen, was dieser prompt tat und die lange Rochade zum Saisonstart verhinderte.
 
Ralph Junge - Alexei Shirov: Nach 35...Txf3 bekam Shirov starken Angriff, der schließlich durchschlug.
Ralph Junge - Alexei Shirov: Nach 35...Txf3 bekam Shirov starken Angriff, der schließlich durchschlug.
 
38...Kg7, ein Fehler: Per 39.Tf7+ warf Naiditsch hier den Rettungsanker aus. Am Ende der Abwicklung dringt die weiße Dame in schwarze Lager ein, und die schwarzen Türme sind zu schlecht koordiniert, um sie herausschmeißen zu können.
38...Kg7, ein Fehler: Per 39.Tf7+ warf Naiditsch hier den Rettungsanker aus. Am Ende der Abwicklung dringt die weiße Dame in schwarze Lager ein, und die schwarzen Türme sind zu schlecht koordiniert, um sie herausschmeißen zu können.
 
Hamburger SK – SF Deizisau 4:4
 
Vielleicht die Begegnung mit den nominell interessantesten Paarungen des Spieltags. Zum Beispiel Nationalspieler Rasmus Svane gegen Ex-WM-Finalist Gata Kamsky, dessen emotionaler Ausbruch beim Banter-Blitz vor wenigen Wochen chess24 veranlasste, Kamsky-Merchandise ins Programm zu nehmen. Die beiden Jungstars des deutschen Schachs waren dabei, Keymer für Deizisau, Engel für Hamburg, der es mit Georg Meier und somit mit der nationalen Spitzenklasse zu tun bekam. Ein anderer, nicht mehr ganz so junger Youngster, Dmitrij Kollars, möchte vielleicht noch eher als diese beiden Nationalspieler werden. Da kann es nicht schaden aufzutrumpfen, wenn einem mit Dorian Rogozenco der Bundestrainer gegenübersitzt. Doch all diese Herren teilten die Punkte, während Deizisaus Alexander Donchenko den Hamburger Routinier Lubomir Ftacnik auseinanderschraubte. Und so führte Deizisau, bis es Hamburgs Sipke Ernst in der letzten Partie des Spieltags gelang, nach mehr als sechs Stunden die neue deutsche Nummer zwei Matthias Blübaum niederzuringen.
 
Dmitrij Kollars testet die Theoriekenntnisse des Bundestrainers: Diese Stellung nach 25.Tdf1 gab es schon drei Mal, jeweils mit Remisschluss. Erstaunlich. Schwarz holt sich per ...Te4+xe6 den Läufer ab, aber dann kommt Tf7 mit Doppeldrohung. Heikel.
Dmitrij Kollars testet die Theoriekenntnisse des Bundestrainers: Diese Stellung nach 25.Tdf1 gab es schon drei Mal, jeweils mit Remisschluss. Erstaunlich. Schwarz holt sich per ...Te4+xe6 den Läufer ab, aber dann kommt Tf7 mit Doppeldrohung. Heikel.
 

Ausrichter: SV Werder Bremen

 
SV Werder Bremen – USV TU Dresden 4:4
 
Remis spielen kann der ehemalige Bundestrainer Uwe Bönsch in Diensten der Dresdner in dieser Saison nicht. Neben seinem Glanzsieg gegen Arkadij Naiditsch hatte er bislang drei Nullen kassiert. Jetzt war wieder eine Eins an der Reihe, und zwar eine souverän und schnell herausgespielte gegen Vlastimil Babula. Aber als Babula aufgab, deutete sich schon an, dass Roven Vogel gegen Bremens Jan Werle einen schweren Stand haben würde. Bis zum 3:2 hielten die Dresdner ihre Führung, dann markierte Werle den Ausgleich, dazu zwei Remis – 4:4. Für die Dresdner der erste Mannschaftspunkt einer Saison, die unglücklich begonnen hat.
 
Uwe Bönsch wird uns nachsehen, wenn wir sein mit leichter Hand gespieltes ...Txc3 als nicht besonders schwierig bezeichnen. Dafür war's sehr schön.
Uwe Bönsch wird uns nachsehen, wenn wir sein mit leichter Hand gespieltes ...Txc3 als nicht besonders schwierig bezeichnen. Dafür war's sehr schön.
 

Ausrichter: SG Speyer-Schwegenheim

 
SG Speyer-Schwegenheim – SG Solingen 2:6
 
Kommt der Solingen-Express nach einem argen Stotterstart doch noch in Schwung? Dem Zwischenstand nach konnten die Speyrer kurz Hoffnung schöpfen, nachdem der nominell 100 Punkte unterlegene Nikita Meshkovs am dritten Brett in einer undurchsichtigen Partie den Anand-Sekundanten Surya Ganguly besiegte und zum 2:3 verkürzte, aber da standen sie in den drei verbliebenen Partien schon mit dem Rücken zur Wand.  Und holten keinen Punkt mehr. Solingen darf den Sieg als Beginn einer Aufholjagd werten, Speyer hat sich nach ergebnisarmem, aber couragiertem Start gegen favorisierte Teams nun die erste richtige Klatsche abgeholt.
 
SV Hockenheim – SV Mülheim Nord 5,5:2,5
 
„Boah“ möchte man angesichts der Aufstellung des SV Hockenheim sagen. Mit vier 2700ern begaben sich die Hockenheimer gegen Mülheim an die Bretter. Dennis Wagner (Elo 2565) am achten Brett war mit mehr als 100 Punkten Abstand der eloschwächste Hockenheimer. Andererseits hatten die Mülheimer Jugend-Europamannschaftsmeister Valentin Buckels, der unlängst in Gibraltar mit Vassili Iwantschuk einen potenziellen 2700er vom Brett gefegt hatte. Oder den niederländischen IM Max Warmerdam, der sich gerade in Wijk ordentlich warm gespielt hatte. Und Buckels kam tatsächlich mit einer veritabel-bedrohlichen Freibauernschar gegen Vladimir Fedoseev aus der Eröffnung. Und dann gewann am ersten Brett auch noch Mülheims David Navara gegen Nikita Vitiugov. Trotzdem setzte sich die Hockenheimer Elomacht durch. Buckels Partie drehte sich, drei weitere gingen verloren, und Hockenheim darf weiter nach ganz oben gucken. Dafür musste der Favorit allerdings hart arbeiten.


Über den Autor

Bild des Benutzers Conrad Schormann

Conrad Schormann, gelernter Tageszeitungsredakteur, betreibt in Überlingen am Bodensee ein Büro für Redaktion und Kommunikation. Beruflich hilft er Unternehmen, Verbänden oder Parteien bei der Außendarstellung. Ambitioniertes Schach hat er mangels Talent und Trainingseifer aufgegeben und auf Schach-Fan umgesattelt. Manchmal guckt er nicht nur zu, sondern schreibt auch noch darüber, in erster Linie auf seinem Blog, außerdem für die Schachbundesliga.