9. Runde: Baden-Baden locker

Erstellt am: 22.02.2014

In der 9. Runde der Schachbundesliga setzte sich Baden-Baden gegen Solingen durch und führt die Tabelle weiter mit weißer Weste an. In den restlichen Kämpfen sorgte der Hamburger SK mit einem Sieg gegen Emsdetten für eine kleine Überraschung. Anbei fassen wir die Höhepunkte der 9. Runde zusammen.

Der Spitzenkampf zwischen der SG Solingen und der OSG Baden-Baden hielt nicht die in ihn gesetzten Erwartungen. Die Klingenstädter verzichteten auf einen Großteil der Stammspieler - sogar die zwei Jugendspieler kamen zum Einsatz - und dementsprechend hatte der Deutsche Meister beim 7:1 leichtes Spiel. Die Zuschauer kamen aber gut auf ihre Kosten, denn der indische Superstar Viswanathan Anand setzte sich mal wieder ans Baden-Badener Spitzenbrett.

Man kann eigentlich die Uhren danach stellen, wann der Ex-Weltmeister für Baden-Baden spielt, nämlich immer einige Wochen vor einem wichtigen Turnier, um die eigene Form zu überprüfen. Das Turnier, auf das er sich aktuell vorbereitet, ist natürlich das Kandidatenturnier in Khanty Mansyisk, wo er einen neuerlichen Anlauf auf den WM-Thron unternehmen wird.

Anand setzte mit einem Sieg gegen Markus Ragger den Schlusspunkt, doch vorher brillierte u.a. Arkadij Naiditsch gegen Predrag Nikolic auf folgende Weise:

Naiditsch,Arkadij (2724) - Nikolic,Predrag (2620)
SBL 2013/14 SG Solingen - OSG Baden-Baden (9), 22.02.2014


Stellung nach 13...0-0:

Auf den ersten Blick sieht die Stellung nicht besonders vielversprechend aus für Weiß. Er hat einen Isolani und schon zwei Leichtfiguren wurden abgetauscht. Umso erstaunlicher ist es, wie Naiditsch seine Figuren maximal aktiviert und einen starken Angriff entfacht. 14.Te4 Der Turm macht auf der 4. Reihe einen guten Job. 14...Tfd8 15.Tf4 De7 Das kann man mit Computerhilfe natürlich gut kritisieren, der Zug sieht aber normal aus. 15...Dh6! mit Fesselung des Turms stört die Harmonie der weißen Figuren. 16.d5! Öffnet die e-Linie, um die letzte inaktive Figur mit Tempo ins Spiel zu bringen, ein lehrreicher Zug. 16...exd5 17.Te1 Le6 18.Th4! 18.Txf7!? war ebenfalls verlockend, nach 18...Lxf7 19.Txe7 Sxe7 20.Sg5 oder 20.Db4 hat Weiß die Initiative. 18...h6

19.Txh6! Die Pointe des weißen Spiels. 19...Db4 19...gxh6 20.Dxh6 f6 Es ist wichtig, dass der Turm auf e1 den Läufer auf e6 fesselt. 21.Sg5! Dg7 22.Dxg7+ Kxg7 23.Sxe6+ Kf7 24.Sxd8+± mit einem Mehrbauern für Weiß. 20.Dg5 Dg4 21.Lh7+ Kf8

22.Thxe6! Dxg5 23.Sxg5 fxe6 24.Sxe6+ Kf7 25.Sxd8+ Txd8 Die ganze Aufregung der letzten gut zehn Züge nur um einen Mehbauern im Endspiel zu haben. Auf diesem Niveau ist das aber in der Regel entscheidend. Weiß ließ nichts mehr anbrennen und gewann nach 56 Zügen.

Im parallel ausgetragenen Kampf setzte sich der SV Hockenheim gegen die SG Trier mit 5:3 durch. Trotzdem hatten die Domstädter einen kleinen Grund zum Jubeln, denn ihr Jugendbrett Lev Yankelevich gewann gegen IM Boguslavskyy - auch wenn mit gütiger Hilfe des Gegners.

Hamburg mit Ausrufezeichen

Dem Hamburger SK gelang der "Underdog-Sieg" der Runde. Obwohl Emsdetten an sieben von acht Brettern mit nominellen Vorteil - teilweise deutlich - in den Kampf ging, gelang den Hansestädtern vor heimischer Kulisse ein 4,5:3,5.

Diese kampfstarken Teams lieferten sich von Beginn an einen spannenden Kampf. Im Duell der "besten Freunde" hielt Anish Giri am Spitzenbrett gegen Robin van Kampen mit Mühe und Not das Remis fest, nachdem er in der Eröffnung durch ein Versehen einfach einen Bauern verlor.

Anish Giri von hinten, der Rest sitzend und denkend

Jonas Lampert - mit 2,5 aus drei Partien spielt das Hamburger Jugendbrett bislang eine starke Saison - brachte mit einem überzeugenden Sieg gegen Christian Richter den HSK in Führung.

Jonas Lampert in Aktion

Mchedlishvili und Pruijssers drehten das Blatt, bevor Ftacnik für den Ausgleich sorgte. Beim Stand von 3,5:3,5 verwertete Thies Heinemann nur noch seinen riesigen Vorteil gegen Jonny Hector, den er sich auf folgende Weise erspielt hatte:

Hector,Jonny (2503) - Heinemann,Thies (2461)
SBL 2013/14 Hamburger SK - SK Turm Emsdetten (9), 22.02.2014


Stellung nach 44.Sh2?:

44...Txe4! 45.Lxe4 Lxe4+ 46.Dxe4 Df2 Die Pointe. Weiß kann nicht nur den Punkt b2 nicht mehr decken, sondern verliert auch den Turm auf h1. 47.Kc1 Dxb2+ 48.Kd1 Da1+ 49.Ke2 Dxh1 Schwarz hat zwei Bauern mehr und diesen Mega-Bauern auf b2. Weiß kämpfte für die Mannschaft noch weiter, doch die Partie war entschieden, 0-1 nach 64 Zügen.

Im zweiten Kampf in Hamburg setzte sich Werder Bremen problemlos mit 6:2 gegen SF Katernberg durch und übernahm wieder den 2. Platz in der Tabelle.

Der Bremer Teamchef, Gennadij Fish (stehend), scheint schon was zu ahnen

Eppingen und Tegel knapp siegreich

Der SC Eppingen wurde mit einem 5:3 gegen SF Berlin seiner Favoritenrolle gerecht. Die Hauptstädter hatten allerdings ihre Chancen und mit ein wenig mehr Fortune hätte es zu einem Punkt gereicht, z.B. verwertete Lars Thiede eine gewinnträchtige Stellung gegen Robert Ruck nicht. Den Tag der Jugendbretter machte Christopher Noe perfekt, der mit Schwarz gegen IM Agopov ein Remis ergatterte.

Ebenfalls mit 5:3 gewann der SK König Tegel im Duell der Kellerkinder gegen Bayern München. Der Kampf war geprägt von zahlreichen taktischen Wendungen - man könnte auch Einsteller sagen - letztendlich ging der Sieg für die Berliner aber in Ordnung. Anbei ein kleiner Höhepukt aus diesem Kampf:

Renner,Christoph (2389) - Richter,Michael (2473)
SBL 2013/14 SK König Tegel - Bayern München (9), 22.02.2014


Stellung nach 32.De3:

Offensichtlich hat Schwarz einen starken Angriff und für einen Spieler mit Richters Elo-Zahl ist der folgende Zug ein "no-brainer". 32...Sf3+! 33.gxf3 Dh3 nebst Matt auf g2. 0-1

Favoriten setzen sich durch in Viernheim

Der SV Mülheim Nord setzte sich beim SV Viernheim mit 5,5:2,5 durch. Beim Gastgeber gelangen Thal Abergel (gegen Daniel Fridman!) und Michael Müller (gegen Nico Zwiers) immerhin zwei Achtungserfolge, ein besonderes Ende gab es allerdings in der Partie Feygin-Carbonnel zu bestaunen.

Feygin,Michael (2512) - Carbonnel,Pierre (2210)
SBL 2013/14 SC Viernheim - SV Mülheim Nord (9), 22.02.2014


Stellung nach 19...Te8:

20.Lxf7+! Kxf7 21.Tdf1+ Kg8 22.Dh2 Dg5+ 23.Tf4?! 23.Kb1! Lh6 24.Dxh6 Dxh6 25.Txh6± war Weiß vielleicht zu wenig, aber der Textzug lässt eine überraschende Rettung zu. 23...Lf5 Das war noch recht einfach zu sehen, da es mehr oder weniger der einzige Zug ist. 24.gxf5

24...Le5? 24...Txc3! hätte das Blatt vielleicht komplett gewendet: 25.f6! (25.Dh7+ Kf8 26.Thf1 Tf3! 27.T1xf3 Txe4 28.Dxg6 Dh6!!-+ und Schwarz nutzt die Fesselung des Turmes gewinnbringend aus; 25.bxc3 Txe4 26.f6 Dxf4+ 27.Dxf4 Txf4 28.fxg7 Kxg7 mit klarem schwarzen Vorteil im Endspiel) 25...Tf3 26.fxg7 (26.Dh7+ Kf7 27.Dxg7+ Ke6-+) 26...Dxf4+ 27.Dxf4 Txf4 28.Th8+ Kxg7 29.Txe8= 25.Sd5! Der Turm wird gedeckt und die Drohungen auf der h-Linie entscheiden letztendlich. 25...Tc7 25...Lxf4+ 26.Sxf4 Kf7 27.fxg6+ Ke7 28.Tg1+- 26.Kb1 Lxf4 Schwarz wird jetzt matt gesetzt. 27.Dh8+ Kf7 28.Th7# 1-0

Auf dem Programm in Viernheim stand auch die Paarung SV Griesheim gegen den SV Wattenscheid und es wurde eine erstaunlich einseitige Angelegenheit. Die Bochumer siegten mit 7,5:0,5 und dürften sich endgültig aller Abstiegssorgen entledigt haben.

Einzelergebnisse der 9. Runde
Partien nachspielen auf dem Liveportal
Fotos aus Hamburg

Über den Autor

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Georgios Souleidis ist Internationaler Schachmeister und hat in Bochum Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Er arbeitet als Journalist, Autor und Schachtrainer. Er schreibt u.a. als Chefredakteur für die Schachbundesliga, für Chessbase, die Zeitschrift SCHACH, SPIEGEL ONLINE oder die Deutsche Presse-Agentur. Falls er mal nicht schreibt, Training gibt oder auf seinem YouTube-Kanal Schach lehrt, versucht er aktiv am Brett zu beweisen, dass 1. e2-e4 der beste Eröffnungszug ist.