11. Runde: Baden-Baden mit Mühe

Erstellt am: 16.03.2014
Solingen patzt, München mit Lebenszeichen und in der Hauptstadt geht ein Gespenst um während der Spitzenkampf zwischen Hockenheim und Bremen 4:4 endete, hatte Baden-Baden gegen den Hamburger SK mehr Mühe als erwartet. Die Kämpfe in Hockenheim, aber auch an den anderen Spielorten lässt Andreas Albers Revue passieren.

Viernheim – SC Eppingen 1,5 – 6,5
Es könnte, was die Brettpunkte angeht, ein sehr reiches Wochenende für die Eppinger werden, obwohl man gegen das Pärchen Viernheim/Griesheim schon deutlich „gespart“ hat und die ersten vier Spieler des Kaders zuhause lassen konnte. So übernahm „Neu-Schweizer“ GM Sebastian Bogner das Spitzenbrett und schraubte mit seinem Sieg gegen Sebastian Maze seinen Score auf bärenstarke 4/5. Die stärksten Partien sind ja häufig die, die am einfachsten aussehen:

Bogner,Sebastian (2552) - Maze,Sebastien (2550)
SBl 2013/2014, 15.03.2014


1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4 4.Dc2 c5 5.dxc5 Sa6 6.a3 Lxc3+ 7.Dxc3 Sxc5 8.b4 Sce4 9.Dd4 d5 10.c5

Wie gut die ganze Variante für Schwarz ist, sei mal dahin gestellt, aber riskant ist sie auf jeden Fall. 10...h6 10...b6 ist vielleicht die genauere Variante, auch wenn danach noch lange nicht alles klar ist. 11.f3 bxc5 12.bxc5 Da5+ 13.Db4 und nun ist Dxb4 wohl ganz okay für Weiß, aber das Figurenopfer 13...Dc7 14.fxe4 Tb8 wird seit Jahrzehnten immer mal wieder diskutiert. Mögen andere Experten es abschließend beurteilen. 11.f3 Sg5 12.h4 Sgh7 13.g4 0-0 Danach läuft der Angriff wie von alleine. 14.g5 Sh5

15.gxh6 15.Lb2 wurde in der Stammpartie Hjartarson - Timman 1991 erfolgreich angewendet, aber Bogners Zug scheint auch nicht unlogisch. 15...Te8 16.f4 und Weiß verwertete seinen Vorteil ohne große Probleme, 1-0 nach 37 Zügen.

Wenn man der Live-Übertragung folgt, dann sieht man eine gute „Torchance“ für die Aufsteiger aus Viernheim, aber bei näherer Betrachtung entpuppt sie sich auch eher als Lattentreffer:

Libiszewski,Fabien (2522) - Braun,Arik (2564)
SBL 2013/2014, 15.03.2014


Stellung nach 29...gxf4:

30.Lxf4 Die Alternative liegt auf der Hand und hatten beide Spieler sicher auch gesehen: 30.Tgxg7! Die Rechner sprechen sofort von einer weißen Gewinnstellung. Je tiefer man in die folgenden Varianten geht, desto mehr zeichnet sich aber doch "nur" eine Punkteteilung ab. Wie soll es erstmal nach 30...Tg8 weitergehen? Die folgende Variante ist sehr hübsch, wenn auch wesentlich leichter mit Rechner-Hinweis und Ruhe zu finden und anscheinend auch nur zum Remis reichend. 31.Dc6!? vielleicht hatte Weiß das schon übersehen, aber selbst das ist noch nicht das Ende 31...Txg7+ 32.Txg7 Kxg7 und jetzt nicht etwa 33.Dxa8?? wonach Weiß mattgesetzt wird, sondern 33.Db7+

Analysediagramm Libiszewski-Braun

und den hatten vermutlich beide Spieler nicht mehr auf dem Zettel 33...Kh6 mit dem König hier hat Weiß mehr Schach-Möglichkeiten 34.Dxa8 Dg4+ 35.Kf1 Dd1+ 36.Le1 f3 37.Df8+ das war in der vorigen Variante nicht möglich 37...Kg6 38.Dg8+ Kh5 39.Df7+ Kg5 40.Dg7+ Kh5 41.Dxh7+ Kg5 42.Dg7+ Kh5 vermutlich hat Weiß hier nicht mehr als Dauerschach, aber das wäre ja auch schon mal was. 33...Dg4+ 34.Kf1 Dd1+ 35.Le1 f3 und Weiß hat nur noch ein Racheschach, dann wird er mattgesetzt. 36.Db7+ Kg6 save! 30...Dxf4 31.Tcxg7 Dh6 32.Dc7 f4

33.T3g4?? 33.Dc1 rettet Turm und Dame 33...Tac8 34.Dd2 und die Partie bleibt reichlich spannend 33...Tac8! jetzt wird mit Grundreihenmattmotiven gearbeitet. 34.Te7 Tg8 35.Txg8+ Txg8+ 36.Kf1 f3 der Sargnagel! 37.Tf7 Dh3+ 38.Ke1 Tg1+ 39.Kd2 Dh6+ 0-1

Griesheim – Bayern München 3,5 – 4,5
Im Duell der Aufsteiger landete München einen immens wichtigen Sieg, der vielleicht entscheidend im Abstiegskampf sein könnte. Vor allem IM Michael Fedorovsky spielt eine hervorragende Saison und dürfte mit seinem Schwarzsieg gegen Stefan Walther seine GM-Norm komplettiert haben, doppelter Grund also heute Abend zu feiern! Allerdings nicht zu lange, denn das Match am Sonntag gegen Viernheim muss auf jeden Fall gewonnen werden, dann sieht es plötzlich richtig gut aus für die Bayern.

Wattenscheid – Schachfreunde Berlin 4,5 – 3,5
Seit Jahren kämpfen die Hauptstädter um IM Ilja Schneider erfolgreich um den Klassenerhalt, in diesem Jahr könnte es wirklich vergebens sein. Wenn man dieser Seite Glauben schenken darf, dann spielen die Schachfreunde die verhältnismäßig schwächste Saison aller 16 Vereine (übrigens dicht gefolgt von ihrem Reisepartner König Tegel). Gegen Wattenscheid wogten manche Partien arg hin und her. Am Spitzenbrett stand GM Alexander Mista lange Zeit schlecht bis auf Verlust gegen den, zur Zeit in Holland wohnenden Kanadier GM Eric Hansen, verteidigte sich aber zäh und konnte dann kontern. Bei Ilja Schneider, der zur Zeit ein Praktikum bei der ZEIT Online macht, kam es zu lustigen Stellungsbildern, in denen die entscheidende Frage war, welcher König eigentlich der schwächere ist:

Dragun,Kamil (2547) - Schneider,Ilja (2514)
SBL 2013/2014, 15.03.2014


Stellung nach 30.Ka1:

Unrochierter Monarch gegen "nackte" Majestät auf a1. Doch die weißen Figuren dienen bald als Angreifer UND Verteidiger: 30...Ta8+?! beschleunigt den Abgang 31.Ta3! Txa3+ 32.Lxa3 Sd5 33.Tc1 Db3 34.Dc5 Db7 35.Dc8+ 1-0

Mülheim – Tegel 6,5 – 1,5
Insgesamt vier Spieler schafften die weite Reise von der Europameisterschaft in Armenien nach Deutschland innerhalb von einem Tag und zwei davon spielten erfolgreich für Mülheim. Der frischgebackene Europameister Alexander Motylev spielt ebenfalls für die Mannschaft, verzichtete aber auf die Strapazen. GM Daniel Fridman und GM Pavel Tregubov (der nicht mehr unter französischer Flagge, sondern wieder für Russland spielt) scheiterten zwar relativ deutlich an der erhofften World-Cup Qualifikation, aber in der Bundesliga konnten sie ihren Frust wieder am Brett auslassen. Den Ehrentreffer für die Hauptstädter landete Torsten Sarbok, der einen Blackout von GM Michael Feygin ausnutzen konnte:

Feygin,Michael (2512) - Sarbok,Torsten (2367)
SBL 2013/2014, 15.03.2014


Stellung nach 32...hxg5:

33.Sd4?? Sf4 Kostet wegen der Drohung Se2 eine glatte Figur. 34.Sh3 Txd4 35.Sxg5+ Kh8 36.Dh4+ Kg8 und Weiß stellte sich noch für 15 Züge auf die Hinterbeine, aber am Ergebnis änderte das nichts mehr. 37.Txd4 Txd4 38.Kh1 Seg6 39.Dg3 Td3 40.Sxe6 Dc6 41.Sxf4 Txg3 42.Lxg3 Sxf4 43.Lxf4 De4 44.Ld2 Lg7 45.b4 Dd4 46.Lg5 Dxb4 47.h4 Lh6 48.c6 bxc6 49.Txc6 Lxg5 50.hxg5 Dxa5 51.Tf6 Kg7 0-1

Eine unverhoffte Chance wurde von Andreas Breier nicht genutzt, aber auch das hätte nur Ergebniskorrektur bedeutet.
Das die beiden Berliner Teams noch gegeneinander spielen dürfte für beide so ziemlich die letzte Chance sein, überhaupt noch was fürs Punktekonto zu tun.

Hockenheim – Bremen 4 - 4
Und der nächste Kandidat für eine GM-Norm war wieder erfolgreich: IM Matthias Blübaum greift mit starken 6/9 und einer Leistung von 2587 Elo nach dem begehrten Zertifikat. Heutiger Gegner war IM Hannes Rau, gegen den Matthias mit Qualitätsopfer und dann guter Endspieltechnik erfolgreich war. Die Bremer werden sich trotzdem ärgern, denn auch wenn Luke McShane nun wirklich nicht seinen besten Tag im „Duell der Künstler“ gegen Richard Rapport hatte, so waren doch zumindest Laurent Fressinet (noch einer von den EM-Reisenden) und vor allem Vlastimil Babula deutlich näher am Sieg.
Den Tschechen erwischte es ganz bitter:

Banusz,Tamas (2596) - Babula,Vlastimil (2569)
SBL 2013/2014, 15.03.2014


Stellung nach 35.Le2:

Wer hätte gedacht, dass Schwarz hier in 5 Zügen aufgeben muss? 35...Le4?? "und was ist, wenn ich schlage?" 35...Dd4! 36.Df2 Le4-+ und alles ist in Butter, weil der Td2 nicht mehr angegriffen ist. 36.Txe4 und so gut war die schwarze Stellung dann auch nicht, dass er einfach eine Figur einstellen kann. 36...gxf6 37.Lf3 Kg7 38.Lg3 Ta2 39.Te2 Txe2 40.Lxd5 1-0

Babula-Banusz (Foto: Reinhard Ahrens)

Beide Teams bleiben aber zusammen mit Mülheim und Eppingen die Kandidaten für das Treppchen.

Baden-Baden - Hamburger SK 5-3
„Wir gewinnen gegen Baden Baden“ frohlockte der Autor dieser Zeilen beim ersten Blick auf die Übertragungsbretter. Alles befand sich laut Engine im Gleichgewicht, außer bei Robin van Kampen (gerade mit starkem 2. Platz aus Reykjavik zurück) und Lubomir Ftacnik.
„Doctore Lubo“ erlebt seinen hundersten Frühling, mit 7/9 hat er souverän das HSK GM-Turnier gewonnen und dabei so manchem Nachwuchsstar eine gratis Lehrstunde am Brett erteilt. Gegen Sergei Movsesian schien die Erfolgssträhne weiter zu gehen:

Ftacnik,Lubomir (2546) - Movsesian,Sergei (2696)
SBL 2013/2014, 15.03.2014


1.d4 d5 2.c4 c6 3.e3 Lf5 4.cxd5 cxd5 5.Db3 Lc8 6.Sc3 e6 7.Sf3 Sc6 8.Lb5 Sf6 9.Se5 Ld7 10.0-0 Ld6 11.f4 0-0 12.Ld2 De7 13.Ld3 Sa5?

Irgendetwas muss der Armenier bei der folgenden Schlagfolge übersehen haben, denn Weiß gewinnt schlicht und einfach einen Bauern. 14.Sxd5 Sxd5 15.Lxa5 Lxe5 16.fxe5 Sxe3 17.Lxh7+ Kxh7 18.Dxe3

Aber wie es so häufig ist gegen Baden Baden: Man bekommt eine Chance und dann wehren sie sich wie die Teufel! Movsesian schafft es auf jeden Fall mit einer ganzen reihe von präzisen Zügen seinen Nachteil möglichst gering zu halten, auch wenn ich das Gefühl nicht los werde, dann Schwarz nicht so "billig" davon gekommen wäre, wenn er einen kleineren Namen gehabt hätte. 18...Lc6 19.Tf4 f5 20.exf6 Txf6 21.Dh3+ Th6 22.Dd3+ Kg8 23.Ld2 Tf6 24.Txf6 Dxf6 25.Tf1 Dd8 26.Lc3 ½-½

Movsesian-Ftacnik (Foto: Reinhard Ahrens)

Jan Gustafsson, „Hamburger Jung“, der mittlerweile nach Gibraltar ausgewandert ist, bekam es mit seinem möglichen Nachfolger in der Hansestadt, Jonas Lampert, zu tun und testete mal wieder seinen geliebten Slawisch-Abtausch. Vermutlich war objektiv lange Zeit nichts los, aber die Stellung schien immer ein wenig unangenehm für Schwarz und nach sechs Stunden setzte sich die Erfahrung und Endspieltechnik dann doch durch.

Gustafsson-Lampert (Foto: Reinhard Ahrens)

Den zweiten Sieg für den designierten deutschen Meister setzte Arkadij Naiditsch, der sich mit 3,5 Punkten aus den letzten 4 Runden zwar immer noch lange nicht im (Elo-) positiven Bereich befindet, aber zumindest wieder zu den bewährten Stützen des Teams gehört. In der Partie gegen Sipke Ernst ging es allerdings mal wieder reichlich chaotisch zu:

Ernst,Sipke (2573) - Naiditsch,Arkadij (2724)
SBL 2013/2014, 15.03.2014


Stellung nach 35...Sh3:

Wer weiß wie das Match ausgegangen wäre, wenn der Holländer im Hamburger Trikot hier getroffen hätte? (Eine Frage, die man sich in Hamburg nicht nur im Schach ab und zu stellt) 36.Sg6? Danach bekommt Schwarz den Laden in den Griff 36.Sd5! hatte Sipke sogar beabsichtigt und nun am Brett Gespenster gesehen. 36...Txa8 37.Sxe7+ Kh7 38.Kg2+- und mit der Idee Sc8 gewinnt für Weiß. 36...Sxf2+ 37.Kg1 Sxd1 38.Sxe7+ Kf7 39.Txd8 Kxe7 40.Tg8 Kxd7 41.Txg7+ Kc6 42.Se6 Sxb2 43.Tg6 Kd5 44.Sf4+ Ke4 0-1

Naiditsch-Ernst (Foto: Reinhard Ahrens)

Eine tolle Verteidigungsleistung vollführte Rasmus Svane, der mit zwischenzeitlich 3 Minusbauern im Endspiel gegen Vallejo Pons immer genug Aktivität entwickeln konnte, um den halben Punkt festzuhalten. Sicher eine Partie für Rasmus Trainer Karsten Müller und seine Endspielrubrik.
Die Niederlage ist für Hamburg natürlich zu verschmerzen, und 6 Remisen sind eine gute Bilanz gegen die Super-Truppe, die allerdings massiv geschwächt ist, gefühlt weilt der halbe Kader in Khanty-Mansiysk bei den Kandidatenwettkämpfen.

Katernberg – Solingen 5 – 3
Sicherlich die größte Überraschung an diesem Spieltag, vor allem wie souverän die Essener das Match im Griff hatten. Okay, Solingen läuft personell (weil finanziell) auf der letzten Rille, dennoch war mit diesem Sieg nicht unbedingt zu rechnen und vertreibt endgültig alle Abstiegsgeister aus dem Team von Ulrich Geilmann und Sebastian Siebrecht. Ilja Zaragatzki, mittlerweile in Hamburg ansässig kam ebenfalls direkt vom GM-Turnier des HSK. Dort war es nicht besonders gut gelaufen und so ließ er einigen Frust an Jörg Wegerle aus.

Spannend wäre das Match geworden, wenn Jan Hobusch seine Chance gegen Christian Scholz genutzt hätte:

Scholz,Christian (2379) - Hobusch,Jan (2117)
SBL 2013/2014, 15.03.2014


Stellung nach 32.Le1:

Schwarz hatte aus dem Nicht einen Angriff gezaubert und nimmt nun dankbar die Chance zu Friedensverhandlungen auf, anstatt weiter auf Angriff zu spielen. 32...Txd1 32...Te8!! der Läufer e1 muss vernichtet werden, koste es was es wolle. 33.Txc1 Txe1 34.Txe1 Dxf2+ 35.Kh1 Dg1# 33.Dxd1 Lxb2 34.Tf3 ½-½

Emsdetten – Trier 2,5 – 5,5
Ich hätte vor dem Spieltag an diesem Spielort beide Matches anders herum getippt, aber meistens ist man hinterher schlauer, denn auch Emsdetten ließ zumindest einige der Spitzenleute lieber zu Hause und so war die Eloverteilung schon zu Gunsten der Trierer. Eine starke Saison spielt der Ungar Laszlo Gonda der Stefan Kuipers förmlich überfuhr:

Gonda,Laszlo (2535) - Kuipers,Stefan (2411)
SBL 2013/2014, 15.03.2014


Stellung nach 14...Sxd5:

15.Sf5! Dc7 16.Tad1 Tad8 17.e4 Sg4? vermutlich hatte Schwarz sich darauf verlassen, aber es reicht einfach nicht 17...Sb4 18.Dc3 mit der Idee Dg3 gefiel im verständlicher Weise nicht, war aber objektiv besser. 18...Sxa2 19.Dg3 f6 18.exd5 Lxh2+ 19.Kh1 Lg1

fast Matt! 20.d6 doch nicht! 1-0

Nach einer relativ schnellen 0,5 – 3,5 Führung kam nie so richtig Spannung auf, zumal es für beide Mannschaften eigentlich um nichts mehr geht.

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Von Andreas Albers

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