SK Schwäbisch Hall mit Bombentransfer

Erstellt am: 24.06.2014

Der SK Schwäbisch Hall will es wissen. Der Aufsteiger aus der 2. Bundesliga Süd meldet einen Bombentransfer. Kein Geringerer als Boris Gelfand verstärkt das Team, das jetzt schon als zukünftiger Herausforderer Baden-Badens gelten darf. Der Pressesprecher des Klubs, IM Frank Zeller, stellt den Verein im folgenden Interview vor und verrät, welche weiteren Neuzugänge Schwäbisch Hall getätigt hat.

Schachbundesliga: Bitte stellen Sie Ihren Verein vor!

Frank Zeller: Der Schachklub Schwäbisch Hall e.V. ist ein Verein mit langer Tradition in Hall. Er wurde 1936 gegründet, und zählt gegenwärtig 100 Mitglieder. Diese sind von durchaus internationaler Couleur, 16 verschiedene Nationalitäten kann man da ausmachen! Zu den fünf aktiven (Herren-) Mannschaften gesellt sich noch eine Damenmannschaft, die nun ebenfalls wie das Herrenteam in die 1. Bundesliga aufgestiegen ist.

Der Haller Ersten gelang das Kunststück eines echten Durchmarsches: vier Mal in Folge ist sie aufgestiegen, von der Landesliga Württemberg direkt in die 1. Liga! In frühen Zeiten war der Traditionsklub jahrelang in den höchsten Württembergischen Ligen vertreten, aber in der Zeit von 1980 bis 2006 geriet der Verein in eine Art Dornröschenschlaf, sportlich ging es nur noch rückwärts. Bis dann die Verantwortlichen entschieden, dass etwas passieren muss – die Aufbruchsstimmung kam mit der Verpflichtung von zwei tschechischen IMs.

Patenschaften mit ausländischen Vereinen gab es in Hall schon seit den frühen 60er Jahren, den Anfang machte eine Verbindung mit dem lothringischen Epinal. Bis heute dauert dieser Kontakt an, hier wurden die Grundsteine zu den guten Kontakten zu französischen Spielern gelegt.
Freundschaften werden heutzutage vor allem mit Klubs in Tschechien gepflegt, es gibt einen Austausch der Spieler, der Verein organisiert Reisen nach Tschechien zwecks Urlaub oder Teilnahme an Turnieren, wie in Pardubice.

Bis zu dreimal wöchentlich treffen sich Schachinteressierte in Hall: neben dem offiziellen Vereinsspielabend gibt es noch Schachangebote im Mehrgenerationenhaus (Senioren + Jugendliche). Zudem treffen sich seit einigen Jahren jeden Montag Freunde des Problemschachs im (Schach-) Café Seifried von Mannschaftsführer Harald Barg (auch Harry`s Bar genannt).

Der Haller Schachklub ist bemüht, Schach der breiten Öffentlichkeit näher zu bringen und mit publikumswirksamen Events auf sich aufmerksam zu machen. Einige spektakuläre Aktionen fanden bereits statt, wie die Deutsche Blitzmannschaftsmeisterschaft 2013, ein Wettkampf Schach und Handicap, eine Simultangroßveranstaltung mit mehreren Haller Großmeistern sowie zuletzt die Deutsche Schulschachmeisterschaft. Der Fokus ist dabei gleichermaßen auf Spitzensport wie Breitensport gelegt. In der mittelgroßen Kreisstadt Schwäbisch Hall (mit knapp 40 000 Einwohnern) ist der Verein sehr bekannt und gut vernetzt, das lokale „Haller Tagblatt“ berichtet regelmäßig und ausführlich vom Schachgeschehen. Sportlich ist Schach nun ein erstes Aushängeschild der Stadt, daneben spielen noch die „Schwäbisch Hall Unicorns“ in der 1. Liga – in der 1. German Football League!

Schachbundesliga: Welche Bedeutung hat es für ihren Verein, in der Schachbundesliga vertreten zu sein und mit welchen Erwartungen (auch sportlich) gehen sie in die Saison?

Frank Zeller: Wir sind stolz und glücklich, nun dort angekommen zu sein, wo man in einer vagen Vision vor ein paar Jahren hinwollte. Unsere 1. Bundesligasaison gehen wir mit viel Enthusiasmus an und spüren die breite Rückendeckung im Verein. Wir wollen Werbung für Schach machen, den Bekanntheitsgrad des „Schachsportes“ in der öffentlichen Wahrnehmung stärken. Wir hoffen, dass wir frischen Wind in 1. Liga bringen können, sowohl bei den Herren, als auch bei den Damen. Wir träumen auch davon, vorne mitspielen und die etablierten Klubs etwas ärgern zu können.

Württemberg ist im Spitzenschach bislang nie richtig angekommen, Teams, die in die 1.Liga aufstiegen, sind meist gleich wieder abgestiegen. Wir hoffen, dass wir mit Hall für die nächsten Jahre eine Art Schachzentrum in Württemberg etablieren können.

Schachbundesliga: Wie ist die Mannschaft gegenüber dem Vorjahr personell verändert worden?
 
Frank Zeller: Wir konnten ein paar gewichtige Verstärkungen an der Spitze des Teams machen, und ganz aktuell gelang uns eine äußerst spektakuläre Personalie: Boris Gelfand hat seine Zusage gegeben, dass er für den Verein ein paar Spiele machen will!

Gelfand hat schon seit Urzeiten nicht mehr für eine Bundesligamannschaft in der höchsten Deutschen Klasse gespielt, der Vizeweltmeister von 2013 war zwar in der Saison 2007/08 für Remagen gemeldet, spielte dann aber keine einzige Partie. Das soll sich nun ändern!

Die Kontakte zu Gelfand wurden über Boris Awruch geknüpft. Der erfolgreiche Buchautor Awruch, der seit zwei Jahren für Hall spielt, ist mit Gelfand befreundet.

Die Verpflichtung von Viktor Láznička wurde bereits gemeldet, desweiteren konnten noch zwei zusätzliche „Hochkaräter“ ins Kochertal gezogen werden:

Mit Radosław Wojtaszek konnte ein starker 2700+er dem HSK abgeworben warden. Der 27jährige Pole führt die Eloliste seines Heimatlandes an, er gehörte desöfteren zum Sekundantenstab Anands und gewann etliche offene Turniere.

Zudem konnte ein weiterer Spieler von Weltformat aus einem fernen Land angeworben werden: aus China stößt Li Chao nach Hall. Der 25-jährige Großmeister hielt sich für ein paar Monate in der Akademie Schloss Solitude bei Stuttgart auf, nachdem er ein Stipendium erhalten hatte. Li Chao nutzte die Zeit, um in Europa von Open zu Open zu reisen – dabei schlug er fast alle Gegner, die sich ihm in die Wege stellten! Die Schwierigkeiten wird darin bestehen, ein Visum für ihn zu erhalten, zudem sind Li Chaos Englischkenntnisse bescheiden, was die Kommunikation schwierig gestaltet.

Zu diesen hohen Hausnummern gesellt sich ein weiterer Neuzugang, der den deutschen und regionalen Bezug stärken soll: Mathias Womacka ist kürzlich berufsbedingt in die Nähe von Schwäbisch Hall gezogen. Der Großmeister und Mathematiker nutzt die Gunst der Stunde, um wieder in der 1. Liga spielen zu können, was er früher bei Chemnitz bereits tat. Womacka gelang das in der Schachszene seltene Kunststück, es im „fortgeschrittenen“ Alter von deutlich über 40 Jahren noch den Großmeistertitel zu erringen, 2010 war es bei ihm so weit.
Die Stammspieler der Vorsaison sind größtenteils gehalten worden, teilweise sollen sie nun die 2. Mannschaft verstärken, welche möglichst bald in die Oberliga Württemberg aufrücken soll, um die Kluft zwischen 1. und 2. Team nicht zu groß werden zu lassen.

Schachbundesliga: Welche Ziele verfolgt der Verein mit seinem erhöhten finanziellen Engagement bei Männer und Frauen?

Frank Zeller: Bei den Herren ist ein Platz im vorderen Mittelfeld anvisiert, vom Klassenerhalt geht man mal aus.
Da in der Frauenbundesliga die Konkurrenz nicht so breit gefächert ist, erscheint ein Platz unter den ersten Drei durchaus realistisch. Halls Frauen können durchaus in den Titelkampf eingreifen.

Schachbundesliga: Woher stammen die finanziellen Mittel?

Frank Zeller: Aus regionalen Wirtschaftsunternehmen mit einigen größeren und etlichen kleineren Sponsoren. Aber auch private Mäzene stehen für die Kosten gerade.

Schachbundesliga: Für welchen Zeitraum ist das Engagement geplant?

Frank Zeller: „Schau mer mal ...“

Schachbundesliga: Strebt der Verein an, OSG Baden-Baden Konkurrenz zu machen?

Frank Zeller: Das wäre doch prinzipiell gut für die BL, oder nicht? Meinen Sie nur die Männer oder auch die Frauen? Bei den Frauen kann man Baden jedenfalls Konkurrenz bieten, bei den Männern… wäre das noch ein bisschen überzogen, aber wer weiß, vielleicht ist Hall ja für die eine oder andere Überraschung gut! Jedenfalls zählt für unser Team nicht nur die Elo, sondern auch der Einsatz für das Team, unser Motto lautet : "kein Remis!"
Wir sind sehr überrascht, wie groß das Interesse an unserem Verein ist - mehr als 20 eigenständige Anfragen traten an unseren Verein aus aller Herren Länder heran!

Herr Zeller, vielen Dank für das Gespräch!

Über den Autor

Bild des Benutzers Georgios Souleidis

Georgios Souleidis ist Internationaler Schachmeister und hat in Bochum Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Er arbeitet als Journalist, Autor und Schachtrainer. Er schreibt u.a. als Chefredakteur für die Schachbundesliga, für Chessbase, die Zeitschrift SCHACH, SPIEGEL ONLINE oder die Deutsche Presse-Agentur. Falls er mal nicht schreibt, Training gibt oder auf seinem YouTube-Kanal Schach lehrt, versucht er aktiv am Brett zu beweisen, dass 1. e2-e4 der beste Eröffnungszug ist.