Der SC Eppingen war in der 9. und 10. Runde Gastgeber eines Bundesligawochenendes. Der 1. Vorsitzende, Rudolf Eyer, berichtet in seinen Randnotizen über Ereignisse abseits des Brettes.
Randnotizen vom Bundesliga-Wochenende am 23. und 24. Februar 2013 in Eppingen
(beobachtet und zu Papier gebracht vom Eppinger Vorsitzenden Rudolf Eyer)
Murphys Gesetz („Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen „) fiel mir siedend heiß ein, als sich am Samstagmorgen während des Aufbaus herausstellte, dass ein elektronisches Schachbrett, der dazu gehörende Figurensatz und 2 Digitaluhren fehlen. Das Material muss entweder beim letzten Heimspielwochenende im November 2012 oder an seinem Aufbewahrungsort von unbekannten Dieben entwendet worden sein. Damit war glasklar, dass wir am Nachmittag nur 15 Begegnungen live ins Internet übertragen können. Alle Überlegungen, auf die Schnelle irgendwo Ersatz zu beschaffen, brachten uns nicht weiter. Dann kam ausgerechnet unser Kassierer Wolfgang Geiger (und nicht etwa die Techniker als Fachleute) auf die rettende Idee: Das Turnschuhnetz! Wir erfassten die fehlende Partie in Chessbase, erzeugten eine pgn-Datei, die wir immer wieder fortschrieben und von Zeit zu Zeit via E-Mail an Pascal Pflaum nach Hamburg zur Eingabe ins Liveportal sandten. Hand auf’s Herz: Haben Sie bei der Übertragung diese kleine Beeinträchtigung im Live-Portal bemerkt...?
(Polit-)Prominenz zu Hauf. Dieses Heimspielwochenende in der Fachwerkstadt war zugleich unser letztes vor der zentralen Finalrunde in der kommenden Saison. Es wird als eine ganz besondere Veranstaltung in die Vereinsannalen eingehen: Zu unserem Sponsorenempfang am Samstagnachmittag durften wir nicht nur Freunde und Gönner des SCE willkommen heißen, sondern auch einige ganz spezielle Gäste: Außer OB Klaus Holaschke kamen der neue BSV-Präsident, Dr. Uwe Pfenning, sowie erstmals gleich zwei hochkarätige Politiker in die „Hardwaldhalle“: Thomas Strobl, MdB und Landesvorsitzender der CDU Baden-Württemberg, und MdB Josip Juratovic (SPD).
„Schlechtere Frauenquote als bei der CDU“. In seinen Grußworten bekannte Thomas Strobl , dass er nicht allzu viel vom Schach verstehe, aber dafür stünde bei ihm nicht - wie bei einem Fotoshooting der Herren Steinbrück und Altkanzler Schmidt - das Schachbrett verkehrt herum. Der CDU-Landeschef sah viele Parallelen zur Politik. „Beim Schachspiel muss man psychisch und physisch fit sein, Züge vorausdenken und Ziele vor Augen haben“. Ihm fiel beim Gang durch das Turnierareal auf, dass „die Frauenquote beim Schach sogar noch schlechter ist als bei der CDU“. Auf sein Verhältnis zum Schach angesprochen, erklärte MdB Josip Juratovic, er wäre sicherlich der erste Ex-Jugoslawe, der nicht Schach spielen könnte. Als er seinen Wehrdienst in der Armee ableistete, waren Schach und Mühle die einzigen Spiele, die dort zum Zeitvertreib erlaubt waren. Außerdem habe er als Jugendlicher am Sonntagmorgen regelmäßig mit seinem Vater Schach gespielt.
Wo bleiben die Linke und die FDP? Dr. Uwe Pfenning zeigte gegenüber der geballten Polit-Prominenz in seiner kurzen Rede das gravierende Ungleichgewicht in der staatlichen Sportförderung auf: Er bemängelte, dass rund 90 Prozent der Sportmittel in olympische Disziplinen fließen, während sich alle übrigen Sportarten den Rest teilen müßten. Hier sieht er dringenden Handlungsbedarf. Für etwas Heiterkeit sorgte der BSV-Vorsitzende, als er verkündete, dass er Mitglied bei den „Grünen“ sei und ihm von seiner Partie bei den kommenden Bundestagswahlen die Kandidatur auf einem sicheren Platz der Landesliste angetragen worden sei. Angesichts dieser politischen Bandbreite in der „Hardwaldhalle“ hätte man aus dem Sponsorenempfang locker einen politischen Dämmerschoppen machen können, wenn auch noch Vertreter der Linken und der FDP zugegen gewesen wären...
Unabsteigbar bis 2020!?. Klaus Holaschke lieferte in seinem Grußwort gleich die Begründung mit, warum der Schachclub Eppingen in den nächsten Jahren keine Abstiegssorgen haben wird: „Der SCE spielt seit 2004 Bundesliga – seitdem ich Oberbürgermeister bin. Im vergangenen Jahr bin ich (Anmerkung des Autors: auf acht Jahre) wiedergewählt worden. Der Schachclub wird also bis mindestens 2020 in der ersten Liga spielen!“
Monopolstellung im Kraichgau?. Bis vor kurzem galt der überschaubare Sportkreis Sinsheim als Bundesliga-Ballungsraum: In der vergangenen Saison spielten die Frauen des SV Sinsheim in der Volleyball-Bundesliga, 1899 Hoffenheim geht in der Fußball-Bundesliga auf Torejagd und der SC Eppingen sorgte in der Schach-Bundesliga für Schlagzeilen. Die Volleyball-Damen stiegen mittlerweile in die 2. Liga ab und mußten in der Folge Insolvenz anmelden. „Hoffe“ liegt auf dem vorletzten Tabellenplatz, 5 Punkte vom Relegationsplatz und 11 Punkte vom rettenden 15. Rang entfernt. Es ist durchaus möglich, dass der SC Eppingen bald der einzige Erstligist im Kraichgau ist...
Mit mehr Prominenz, als ihnen lieb war, sahen sich die Schachfreunde Heidelberg am Freitagabend konfrontiert: Der SC Eppingen, der bei den Spielen um Platz 1 und 3 im Bezirkspokal gleich zweimal vertreten war, trat an Brett 2 des A-Teams mit GM Arik Braun an. Der Erstligist setzt im Normalfall keine Spieler seines Bundesligakaders in diesem Wettbewerb ein. Da aber das SCE – Aufgebot zum Bundesligaevent bereits am Freitag angereist war, ergab sich die seltene Gelegenheit, den U18-Weltmeister von 2006 und deutschen Meister 2009 auch einmal auf „unterer Ebene“ zu präsentieren. Natürlich waren die tapferen Gegner der SF Heidelberg überfordert. Für Eppingen gewann neben Arik Braun noch Jungtalent Chris Noe, der das Spitzenbrett verwaltete. Michael Franke und Jonas Reimold erzielten beim 3,0:1,0 – Sieg jeweils ein Remis.
Chess Boxing: Für großes Aufsehen sorgte in der Presse meine beiläufige Bemerkung gegenüber einem Zeitungsredakteur, dass der U-18 Weltmeister von 2006 mittlerweile ein neues Hobby für sich entdeckt hat: Arik Braun ist dem Chess Boxing Club Berlin beigetreten, dem einzigen, den es weltweit gibt. Eines der Vereinsziele besteht darin, das Schachboxen als ernsthafte und eigenständige Sportdisziplin wie z.B. Biathlon zu etablieren. Der Physikstudent gibt den Boxern Schachunterricht, während er von den Boxern Boxtraining erhält. Bisher hat Arik erst einen einzigen „richtigen“ Schach-Boxkampf mit Boxrunden und Schnellpartien im Wechsel bestritten. Dessen Ausgang ist mir leider nicht bekannt, aber Arik hat ganz sicher überlebt! Meistens malträtiert er den Sandsack, deutlich ungefährlicher, aber nicht weniger anstrengend.
Das Merchandising hat beim SC Eppingen Einzug gehalten. Die „Heilbronner Stimme“ erkannte in ihrem Bericht vom Montag: „Schach ist ganz schön in Mode – zumindest beim SC Eppingen. Der Bundesligist aus dem Kraichgau präsentierte bei seiner Heimspielrunde seinen ersten echten Fanartikel: einen schwarz-weißen Schal mit dem Vereinsnamen und dem Vereinswappen. Die Freunde und Gönner des Vereins scheinen die Schals anziehend zu finden...“. Von den ersten 100 Exemplaren der SCE-Kollektion wurden bereits mehr als die Hälfte an die Frau / den Mann gebracht...
Polizeischutz für den Schiri?? Zumindest zeitweise wies das Turnierareal am Sonntag eine sehr hohe Polizeidichte auf. Die Zuschauer staunten nicht schlecht, als plötzlich drei uniformierte Polizisten die „Hardwaldhalle“ betraten und sich einige Zeit unter die Kiebitze mischten. Die Spieler ließen sich nicht von ihren Partien ablenken, sofern sie die Anwesenheit der Ordnungshüter überhaupt registrierten. Schiedsrichter Dr. Holger Moritz reagierte äußerst cool, weil er inzwischen weiß, dass meine Ehefrau Marion Polizeibeamtin ist. Wenn sie am Wochenende Dienst schiebt und die Sicherheitslage im Revierbereich es erlaubt, macht sie gelegentlich eine Stippvisite beim Schachclub. Dieses Mal wurde sie von zwei Kollegen begleitet, die noch nie ein Bundesligamatch gesehen hatten und wissen wollten, wie so etwas abläuft.
Ein Ex-Weltmeister in Eppingen!? Für eine Riesenüberraschung sorgte am Sonntag der Eppinger Reisepartner SV Hockenheim, indem er seine Mannschaftsaufstellung änderte und gegen Aufsteiger Wiesbaden Anatoli Karpov aufbot. Der mehrfache Weltmeister ist immer noch 2616 ELO-Punkte „schwer“. Obwohl die Schach-Legende wegen seiner politischen Laufbahn kaum noch Zeit zum systematischen Training findet, bewies Karpov mit einem ungefährdeten Remis gegen einen wesentlich jüngeren Gegner, dass er nichts verlernt hat und sicherte seinem Team in der längsten Partie des Tages den Mannschaftserfolg gegen die Rheinhessen. So sehr wir den Hockenheimern diesen Sieg gönnen, zumal wir dadurch in der Tabelle an Wiesbaden vorbeizogen, ein fader Beigeschmack bleibt meiner Meinung nach. Wenn bekannt gewesen wäre, dass Karpov kommt, dann hätte man die Veranstaltung ganz anders bewerben können! Zugegeben: Es ist bisweilen ein sehr schmaler Grat zwischen solchen taktischen Erwägungen eines Vereins und dem gemeinsamen Bestreben, die Randsportart Schach und die Schach-Bundesliga mehr in den Fokus der Öffentlichkeit zu bringen. Dennoch frage ich mich: Wann wird diese Geheimniskrämerei (und damit meine ich nicht nur den SV Hockenheim) endlich aufhören? Wann werden die Vereine begreifen, welch exzellenter Werbemöglichkeiten (z.B. Veranstaltungen an Schulen, Presse-Interviews, Autogrammstunden etc.) sie sich Spieltag für Spieltag selbst berauben? Der SCE gehörte vor einigen Jahren zu den wenigen Vereinen, die eine Saison lang freiwillig ihre Aufstellung spätestens bis Donnerstagabend um18 Uhr vor den jeweiligen Spielen bekannt gaben. Und wir machten damit nur die allerbesten Erfahrungen! Die Spieler, die Verantwortlichen, die Zuschauer und insbesondere die Medien begrüßten diese Maßnahme ausdrücklich. Leider wurde sie von der Mehrheit der Bundesligavereine gekippt!
Rudolf Eyer