Meine beste Bundesliga-Partie

Erstellt am: 31.05.2020

In unserer Reihe "40 Jahre Schachbundesliga" stellt Michael Prusikin seine beste Partie vor. Der 42-jährige Großmeister ging dabei weit zurück an den Anfang seiner Bundesligakarriere.

Da ich nie ein richtiger Vollprofi war (an erster Stelle stand bei mir schon immer die Trainertätigkeit) spielte ich über alle die Jahre in „nur“ 5 europäischen Ligen. „Andere Länder – andere Sitten“, das trifft auch auf die Mannschaftswettbewerbe im Schach zu.

Zwei Jahre in Portugal waren ein Farbtupfer in meinem Semiprofi-Leben: eine Liga, die als Rundenturnier kompakt innerhalb von neun Tagen ausgetragen wird. Ein wunderschönes Land, 4er-Mannschaften, ein „Pflichtportugiese“, dem in der Regel 3 ausländischen Profis zur Seite stehen, kaum Spieler über 2650. Einmal schaffte es unser russisches Brett 1 nicht, ein Visum zu bekommen, aber uns gelang zu dritt der Klassenerhalt.

In Frankreich spielte ich immer unterklassig, „just for fun“, meine Mannschaftskollegen waren in der Region vor allem für ihre Trinkfestigkeit und -freudigkeit bekannt :-)

In Österreich spielte ich bei mehreren Vereinen, in der Regel 1. Bundesliga, aber auch 2 Jahre zweitklassig, durfte mich an allen Brettern probieren, erlebte sowohl die Zeit, wo noch 50% Einheimische vorgeschrieben waren, als auch die völlige Abschaffung der Ausländerbeschränkungen. Das in der ersten ÖBL praktizierte Modell - 11 Runden in drei Blöcken (4+4+3) gespielt, finde ich sehr sympathisch und nachahmenswert.

Und dann gibt es noch die Schweiz. Dort spiele ich seit 20 Jahren bei demselben Verein, ein Großteil der Mannschaft blieb über all die Jahre zusammen. Bei den Eidgenossen, wo das EU-Recht nicht greift, darf nach wie vor nur 1 Ausländer pro Saison zum Einsatz kommen. Dadurch behält die Liga einen weitgehend amateurhaften, familiären Charakter, eine Tatsache, die auch durch eine Vielzahl von Einzelrunden unterstrichen wird.

In Deutschland spielte ich jahrzehntelang für den SC Forchheim in der 2.BL Ost, aber zwei Mal gelang uns der Aufstieg. Beide Male gingen wir als krasser Außenseiter ins Rennen und wurden beide Male dieser Rolle mehr als gerecht :-) Auch ich musste am Spitzenbrett einiges an Prügel einstecken, trotzdem blieben diese zwei Ausflüge nach oben ein unvergessliches Erlebnis. Dazwischen durfte ich noch einmal mit den „Bindlacher Bären“ oben antreten und nun bereits die zweite Saison in Folge mit dem BCA Augsburg.

Michael Prusikin im Einsatz für BCA Augsburg während der zentralen Endrunde der SBL in Berlin 2019 | Foto: Georgios Souleidis
Michael Prusikin im Einsatz für BCA Augsburg während der zentralen Endrunde der SBL in Berlin 2019 | Foto: Georgios Souleidis

Die deutsche Bundesliga ist natürlich die mit großem Abstand stärkste nationale Mannschaftsmeisterschaft, an der ich teilnehmen durfte. Persönlich fände ich es besser, wenn die über das ganze Land verteilte Doppelrunden durch zentral gespielte Blöcke nach dem österreichischen Vorbild ersetzt werden würden, aber die teilnehmenden Vereine sind da wohl anderer Meinung :-)

Als mich Ulrich Geilmann gefragt hat, ob ich Lust hätte, meine beste BL-Partie zu kommentieren, fiel mir die Zusage leicht. Ebenso leicht war die Auswahl der Partie. Mein allererster Sieg in der höchsten deutschen Spielklasse bleibt bis heute nicht nur die denkwürdigste, sondern wohl auch die qualitativ beste Partie, die ich je in der Bundesliga gewann.



 

Partie(n) zum Nachspielen: 
[Event "Bundesliga 0203"] [Site "Germany"] [Date "2002.10.20"] [Round "2.1"] [White "Prusikin, Michael"] [Black "Ftacnik, Lubomir"] [Result "1-0"] [ECO "D86"] [WhiteElo "2504"] [BlackElo "2603"] [Annotator "Prusikin,M"] [PlyCount "63"] [EventDate "2002.10.19"] [EventType "team-tourn"] [EventRounds "15"] [EventCountry "GER"] [SourceTitle "EXT 2014"] [Source "ChessBase"] [SourceDate "2013.11.20"] [SourceVersion "1"] [SourceVersionDate "2013.11.20"] [SourceQuality "1"] [WhiteTeam "Forchheim"] [BlackTeam "Hamburger SK"] [WhiteTeamCountry "GER"] [BlackTeamCountry "GER"] 1. d4 Nf6 2. c4 g6 3. Nc3 d5 4. cxd5 Nxd5 5. e4 Nxc3 6. bxc3 Bg7 7. Bc4 Nc6 { Keine Ahnung, warum Ftacnik, der als einer der größten Grünfeld-Experten weltweit gilt, auf Hauptvarianten verzichtet, zumal ich 2002 über praktisch gar kein Eröffnungsrepertoire verfügte.} 8. Ne2 e5 9. Be3 O-O 10. O-O Qe7 11. Qc2 Na5 12. Bd3 b6 $1 (12... exd4 13. cxd4 c5 14. dxc5 Bxa1 15. Rxa1 {1-0 (44) Naumkin,I (2421)-Kosmac,B (2223) Maribor 2015 kann für Schwarz natürlich nicht gefallen, während er nach}) (12... c5 13. dxc5 Be6 14. f4 Nc4 15. Bf2 f6 16. f5 Bf7 17. Ng3 {in der Partie Sakaev-Hracek (2001) ebenfalls nicht gut ausgesehen hat}) 13. Rab1 $1 $146 {Stellt sich auf das kommende c7-c5 ein. Eine Vorgängerpartie sah} (13. f4 c5 $1 14. dxc5 bxc5 15. Qa4 Rd8 16. Rad1 c4 { mit Vorteil für Schwarz}) 13... f5 (13... c5 $6 14. dxc5 bxc5 15. c4 Nc6 16. Nc3 Nd4 17. Nd5 Qd6 18. Qc3 $14) 14. exf5 Bxf5 15. Bxf5 Rxf5 16. Ng3 Rf7 17. Rbe1 {Zeit für eine Zwischenbilanz: Der schwarze König ist etwas schlechter geschützt, daher steht Weiß einen Tick angenehmer, solange die Damen auf dem Brett sind. Im Endspiel hätte wiederum der Nachziehende das etwas bessere Spiel, weil seine Bauernstruktur kompakter ist.} Rd8 $6 {Hier hätte Schwarz Zeit gehabt, den Sa5 bequem ins Spiel zu bringen} (17... Nc4 $1) 18. Ne4 { Wenn Weiß überhaupt etwas hat, dann muss er schnell sein und Drohungen gegen den schwarzen König schaffen, bevor der Sa5 zurück ins Spiel findet, das ist das bestimmende Thema der nächsten Züge} Qd7 19. dxe5 $1 Bxe5 20. Rd1 $1 Qe8 21. Rxd8 Qxd8 22. Ng5 ({Stark sieht der Computervorschlag} 22. Rd1 $5 Rd7 23. Re1 $3 {aus, weil jetzt} Nc4 $4 {an} 24. Qb3 $18 {scheitert}) 22... Rd7 $6 {[#] } (22... Re7 {war um einiges genauer, aber diesen Unterschied am Brett heruaszufinden war alles andere, als einfach.} 23. h4 $14) 23. h4 $1 {Ein Luftloch un ein Angriffszug (bei Gelegenheit könnte h4-h5 eine Idee sein) in einem. Zugleich wird noch der Springer überdeckt.} Qf6 $6 {Noch eine Ungenauigkeit, aber die schwarze Stellung war bereits schwer zu spielen} 24. Qe4 Re7 $2 {[#] Verliert etwas überraschend forciert.} ({nur} 24... Qf5 25. Qa8+ Qf8 26. Qxa7 Qc8 {erlaubte noch einigen Widerstand} 27. c4 $1 Qb7 (27... Nxc4 28. Qa4 $1 Nxe3 29. fxe3 Qe8 30. h5 $1 gxh5 31. Qc4+ Kh8 32. Rf5 $1 $18) 28. Qxb7 Nxb7 29. g3 $16) 25. Qa8+ $1 Kg7 26. Nf3 $1 Qc6 $8 {[#]} (26... c5 27. Bg5 $18) (26... h6 27. Nxe5 $18) 27. Bh6+ $1 Kxh6 28. Qf8+ Rg7 29. Nxe5 Qe6 ( 29... Qe4 30. Nf7+ $18) 30. Qf4+ g5 31. hxg5+ Rxg5 32. Nf7+ 1-0


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