Bayern-Schachspieler stürmen zu 5:3-Heimsiegen/Rückzug des SV Lingen schockt Bundesliga/Viernheim schlägt Augsburg
Von Hartmut Metz
„Ich kann mich nicht erinnern, dass wir mitten in der Saison so weit vorne standen. Nicht einmal bei einem Bundesliga-Start waren wir Sechster und hatten eine positive Punkte-Bilanz“, zermartert Jörg Wengler vergebens sein Gehirn, um als langjähriger Kapitän und Abteilungsleiter der Schach-Abteilung des FC Bayern München ein ähnliches Ereignis hervorzukramen. In der Schach-Historie des Europacup-Siegers von 1992 muss man exakt ein Vierteljahrhundert zurückgehen, um derlei permanent zu entdecken. 1995 hatten die Münchner zum letzten Mal den Titel abgeräumt. Auf die zehnte Meisterschaft warten sie bis heute und mutierten zur Fahrstuhl-Mannschaft. Auch das soll ein Ende finden: „Wir haben am Wochenende zwei riesige Schritte in Richtung Klassenerhalt gemacht“, glaubt Wengler angesichts seines sukzessive verjüngten und verstärkten Kaders.
In Milbertshofen bezwang sein Oktett am Samstag erst das potenzielle Spitzenteam Viernheim mit 5:3. Am Sonntag legten die Gastgeber mit einem 5:3 über den Aachener SV nach und verbesserten sich auf 7:5 Punkte. Die zahlreichen Zuschauer kamen auf ihre Kosten und sahen ungewöhnlich viele unterhaltsame Angriffspartien. Das freute besonders Großmeister Klaus Bischoff, der diesmal nicht ans Brett ging, sondern als Kommentator wieder die Fans begeistern konnte. Seine Bayern hatten auch ohne ihn erstaunlich leichtes Spiel gegen Favorit Viernheim. Die beiden Schweizer Nicolas Georgiadis und Noel Studer (Foto oben) überrollten den deutlich Elo-stärkeren Sergey Fedorchuk beziehungsweise Sebastien Maze, die beide ihre liebe Müh mit den Türmen hatten. An Brett acht erhöhte überdies Ex-WM-Kandidat Zoltan Ribli gegen Annmarie Mütsch auf 4:1, nachdem Miguel Santos Ruiz sowie Martin Lokander zuvor mit Yuriy Kryvoruchko und Maximilian Meinhardt remisiert hatten.
An vorderster Front verzichtete Viernheim auf seinen Ausnahmekönner Shakhriyar Mamedyarov. FCB-Spitzenspieler Sebastian Bogner war dennoch nur Außenseiter, verbuchte jedoch mit Schwarz klaren Vorteil gegen Vladimir Malachov. Den gab der einstige deutsche GM wieder aus der Hand, ansonsten wäre der fünfte Spieltag perfekt für die drei Eidgenossen im Bayern-Team verlaufen. Bogners Unentschieden wie jenes von Michael Fedorowsky mit Fabien Libiszweski reichten indes, um den verdienten Gesamtsieg abzusichern. Nur Valentin Dragnev musste Igor Kovalenko an Brett drei gratulieren. „Das sind zwei Bonuspunkte für uns“, ordnet Wengler das 5:3 über die nach sechs Runden exakt gleichauf liegenden Viernheimer (beide 7:5 Punkte und 24 Brettpunkte) ein.
Gegen Schlusslicht Aachen taten sich die Bayern erstaunlicherweise sogar ein bisschen schwerer, weil Ribli und Georgiadis überraschend Nikolaos Begnis beziehungsweise Tom Piceu unterlagen. Beide Aachener weisen über 200 Elo weniger auf. Die Schlappen bügelten Bogner, Santos Ruiz, Lokander und erneut Studer aus. Letzterer baute seinen Saisonscore auf 3,5/4 aus. Die Remis von Dragnev und Fedorovsky mit Thibaud Vandenbussche und Oscar Lemmers machten auch gegen den punktlosen Aufsteiger ein 5:3 perfekt. Reisepartner BCA Augsburg hatte Aachen tags zuvor 6:2 bezwungen. Für den Ehrenpunkt des Schlusslichts sorgte Rudolf Meessen gegen Frank Zeller. Michael Prusikin, Peter Arnaudov, Eckhard Schmittdiel, Gregory Pitl und Andreas Rupprecht ließen allerdings nichts anbrennen. Der Münchner Reisepartner unterlag dafür Viernheim im parallelen Kampf am Sonntag 3,5:4,5. Diesmal siegte zwar Zeller über Meinhardt – die Niederlagen von Schmittdiel und Pitl gegen Maze und Libiszewski kosteten Augsburg aber Zählbares.
Dass mit dem SV Lingen der erste Absteiger feststeht, ist für Wengler kein Grund zur Freude. Der Neuling war in der 16er-Liga furios mit 7:1 Punkten gestartet und hatte dabei selbst die Meisterschaftsanwärter Hockenheim und Solingen zu Fall gebracht – doch vor dem fünften Spieltag platzte die Bombe: Mit einem dürren Zweizeiler teilte der Neuling mit, dass Lingen das Team zurückziehe (die Bundesliga-Webseite berichtete). Es mangele an Sponsoren. „Der weitere Rückzug eines Vereins spricht Bände und ist schlecht für die Bundesliga“, kommentiert Wengler, obwohl damit die Münchner nur noch drei Absteiger hinter sich lassen müssen. „Das ist wirklich ärgerlich!“, meint der Bayern-Abteilungsleiter dennoch und bedauert das Aus aus einem weiteren Grund: „Mitte März wäre Lingen bei uns zu Gast gewesen. Jetzt haben wir an dem Doppel-Wochenende nur ein Heimspiel.“
Soweit Hartmut Metz. Jörg Wengler schildert die Ereignisse vom Wochenende für die Webseite des FC Bayern München.