Baden-Baden zieht Kopf aus der Schlinge

Erstellt am: 06.12.2014
Die OSG Baden-Baden gewann gegen den SK Schwäbisch Hall mit 4,5:3,5 und liegt als einziges Team verlustpunktfrei an der Spitze, da Bremen in Hockenheim nicht über ein 4:4 hinauskam. Im Abstiegskampf holte Katernberg gegen Hamburg den ersten Saisonsieg. Eine Zusammenfassung der Ereignisse in Schwäbisch Hall, Dresden, Hockenheim und Katernberg.
Spitzenschach in Schwäbisch Hall

Der Kampf zwischen Schwäbisch Hall und Baden-Baden verlief sehr spannend und hielt, was er versprach. Alle Partien waren hart umkämpft, es gab viele schöne Züge, taktische Wendungen und fantastische Stellungen zu bestaunen. Letztendlich hatte der deutsche Meister, der leicht favorisiert in den Kampf ging, die Nase vorn, aber der Reihe nach.

Der Gastgeber ging zwar an den Brettern sieben und acht mit dem größten Elo-Nachteil in das Match, doch die beiden Franzosen Anthony Wirig nebst Matthieu Cornette remisierten problemlos gegen ihre Gegner Georg Meier sowie Sergei Movsesian. Dann brachte Boris Gelfand die Gastgeber mit einem Sieg gegen Etienne Bacrot nach knapp vier Stunden in Führung. Der 31-jährige Franzose opferte in einer theoretisch hochaktuellen Variante der Grünfeld-Indischen Verteidigung einen Bauern, erhielt aber nie genug Initiative. In schwieriger Stellung beging er einen Fehler und Gelfand fand einen tödlichen Zugang zum weißen König. Bacrot blieb nichts anderes übrig, als ob seines mitten auf dem Brett gestrandenten Königs aufzugeben. Eine tolle Partie von Gelfand bei seinem ersten Auftritt für Schwäbisch Hall in der SBL.

Nach der ersten Zeitkontrolle sah alles nach einem Sieg für den starken Aufsteiger aus. Li Chao gegen Alexei Shirov sowie Viktor Laznicka gegen Arkadij Naiditsch hatten Gewinnstellungen auf dem Brett und Boris Avrukh gegen Liviu Dieter Nisipeanu stand vielversprechend. Da konnte es Hall verkraften, dass Francisco Vallejo Pons durch einen Sieg gegen Tigran Gharamian ausglich und Rustam Kasimdzhanov Baden-Baden sogar in Führung brachte.

Der Kampf kippte nach und nach an den Brettern zwei und drei, wo Schwäbisch Hall seine Gewinnstellungen nicht verwertete.

Li,Chao b (2722) - Shirov,Alexei (2683)
SBL 14/15, SK Schwäbisch Hall - OSG Baden-Baden


Stellung nach 31...Tfe8:
32.Tbc1! Bietet ein Opfer an, um den schwarzen König anzugreifen. 32...Dxa4 32...Db7 33.Txc8 Dxc8 wäre sicherer gewesen, doch wenn man keinen direkten Gewinn sieht für den Gegner, nimmt man auch gerne die Figur. 33.Txc8 Txc8?! Der Computer möchte hier mit 33...Dxa2+ 34.Te2 Dxe2+ 35.Dxe2 Txc8 36.Dxa6 Tc2+ 37.Kh3 Sf8 fortsetzen. Objektiv ist das besser, aber Schwarz sah keinen Gewinn für Schwarz und dementsprechend wollte er sich nicht in einem Endspiel mit Materialnachteil quälen lassen. 34.Dxe6+ Dauerschach hat Weiß und macht jetzt einige Züge, um die Zeitkontrolle zu schaffen. 34...Kg6 35.Df5+ Kf7 36.De6+ Kg6 37.Df5+ Kf7 38.Dxd5+ Kg6 39.De4+ Kf7 40.De6+ Kg6 41.Df5+ Kf7 42.Dd5+ Kg6
43.f4! Der 25-jährige Chinese, der sich durch seine Vielspielerei in Europa inzwischen einen Namen gemacht hat, möchte mehr als remis. Das entspricht seinem sehr sehenswerten Spielstil, denn Chao beeindruckt immer wieder durch sehr einfallreiches Spiel. Die Drohung lautet 44.f5+ nebst 45.Th1#. 43...Tc2+ 44.Kh3 Tc3?! 44...Sf8 45.Df5+ Kf7 46.fxg5 Dc6 47.gxf6 Dg2+ 48.Kh4 gxf6 49.g5+- lautet eine weitere komplizierte Variante.
45.De4+? Er sieht es nicht. An dieser Stelle werden sich viele Einheimische die Haare gerauft haben. Die Krönung der Partie wäre 45.f5+ Kh7 46.Th1! gewesen. Es droht der Abzug mit dem König und matt. Schwarz hat keine Verteidigung, z.B. 46...Tc2 (46...Dc2 47.Th2!+-) 47.Lf2!+- 45...Kh6 46.De8 Es droht matt, aber Schwarz kann kontern. 46...Txg3+! 47.Kxg3 Das verrückte 47.Kh2!! bot hier noch Remischancen. Die Computervariante lautet 47...g6 (47...Dxa2+ 48.Te2) 48.fxg5+ Kxg5 49.Kxg3 Dxd4 50.De3+ Dxe3+ 51.Txe3 47...gxf4+ 48.Kh2
48...g5! Sehr kaltschnäutzig. Weiß kommt dem schwarzen König nicht mehr bei und jetzt fallen die schwarzen Figuren über den weißen König her. 49.De2 Lxd4 50.De6+ Sf6 51.Kg2 Dc2+ 52.Te2 Dd3 53.Kh1 Dd1+ 0-1
Alexei Shirov
Eine tolle Partie, die man unter diesem Link mit der Bewertung der Engine Stockfish (allerdings manchmal etwas optimistisch) nachspielen kann.

Noch klarer war die Angelegenheit an Brett drei:

Naiditsch,Arkadij (2719) - Laznicka,Viktor (2667)
SBL 14/15, SK Schwäbisch Hall - OSG Baden-Baden


Stellung nach 31.Sc5:
31...Sb6 Das sollte ausreichen, doch nach 31...Sxc5 32.dxc5 Txh3 hätte Weiß im Grunde genommen aufgeben können. Vielleicht übersah Schwarz, dass nach 33.c6 sehr überzeugend 33...Th2+ 34.Lf2 Txf2+! 35.Kxf2 Th2+-+ folgt. 32.Da5 Txh3 33.Tc3 Txe3+ 33...Lxc5!-+ 34.Txe3 Th2+ 35.Kd3 Dh8 36.Tc1 Dh7+ 37.Kc3
37...Sc4?? Hier gewannen so viele Züge, dass man sie kaum alle aufzählen kann. Stattdessen lässt Schwarz den folgenden Konter zu. 38.Db5! Lxc5 39.De8+! Schwarz entkommt jetzt nicht dem Dauerschach. 39...Kc7 40.dxc5? Einen Zug vor der Zeitkontrolle übersehen beide Spieler eine Feinheit. 40.Dxf7+! Kd8 41.dxc5 Sxe3 (41...Sxe5 42.Df8+ Kc7 43.Dd6+ Kc8 44.Dxe5+-) 42.Df8+= 40...a6? Mit 40...Sxe5! 41.De7+ (41.Txe5? Dh3+ 42.Kb4 Tb2+-+) 41...Sd7 hätte Schwarz wieder auf Gewinn spielen können, aber das war zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht einfach zu sehen. 41.Dxf7+ Kb8
42.c6! In schwieriger Stellung sichert dieser Zug Weiß das Remis, da der schwarze König kein sicheres Plätzchen mehr findet. Den Rest der Partie kann und sollte man hier nachspielen. ½-½

Am Ende verkürzte Boris Avrukh durch seinen Sieg gegen Liviu Dieter Nisipeanu auf 3,5:4,5. In dieser Partie sah man zum Schluss mit Turm + Springer + Läufer gegen Turm + Springer ein überaus seltenes Materialverhältnis.

Im Parallelkampf setzte sich der SC Eppingenn mit 5:3 gegen Bayern München durch. Zwischendurch sah es bei 3:3 nach einer Überraschung aus, doch der Eindruck täuschte, da Maxim Rodshtein und Arik Braun sich schon längst auf der Siegerstraße befanden.

Dresden besiegt Mülheim

Der SV Mülheim Nord kommt auf keinen grünen Zweig in dieser Saison. Im sechsten Kampf setzte es schon die dritte Niederlage mit 3,5:4,5. Mit gerade mal vier Punkten findet man sich plötzlich sogar im Abstiegsbereich wieder, aber heute hat man es sich absolut selbst zuzuschreiben. Volkmar Dinstuhl gewan gegen Volker Seifert ein theoretisch gewonnenenes Endspiel mit Turm und vier Bauern gegen Läufer und vier Bauern auf einem Flügel nicht und dann gab es noch dieses Drama zu bestaunen:

Berelowitsch,Alexander (2541) - Bartel,Mateusz (2662)
SBL 14/15, USV TU Dresden - SV Mülheim Nord


Stellung nach 48...Tf8+:
Es ist natürlich nicht angenehm auf offenem Brett gegen zwei Läufer zu spielen, aber das Material ist sehr stark reduziert. 49.Kg6? Die falsche Richtung. 49.Kg4 Le6+ 50.Kg3 Le5+ 51.Kg2= 49...Lf7+ 50.Kh7 Le6 Plötzlich droht tödlich 51...Lf5+ und Weiß muss die Qualität geben! 51.Ta5 Lf5+ 52.Txf5 Txf5 53.Kg6 Ke6 54.Se4?
Ein Fehler folgt selten allein. Jetzt erst ist es verloren, da der Springer in Bedrängnis gerät auf e4. 54.h5! 54...Tf3! Sehr stark. Der Turm nimmt dem weißen Springer das Feld g3. 55.Ld8? Der Läufer macht das Feld g5 frei für den Springer, doch hiernach haben alle weißen Figuren keine stabilen Felder. Und der Bauer auf h4 wird plötzlich schwach, verrückt. 55.h5 Kd5 56.Sd2 Tf2 57.h6 gxh6 58.Lxh6 Lc3 59.Sb1 Lb4-+ und der weiße Springer geht verloren. 55...Tf4 56.Sg5+ Kd7 57.Sh3 Tf3 58.Sg5
58...Ta3! Nimmt dem Läufer das Feld a5. 59.Kf7 Ta1 Natürlich nicht 59...Kxd8?? 60.Se6+ Kd7 61.Sxd4= 60.Kg6 Ta6+ und Weiß gab auf wegen 61.Kf7 Kxd8 62.Se6+ Txe6 63.Kxe6 Ke8-+ 0-1
Mateusz Bartel
Den zweiten Sieg für Dresden landete Bartosz Socko, der sich sehenswert gegen Daniel Hausrath durchsetzte.

Die Schachfreunde Berlin haben sich im Abstiegskampf durch einen weiteren Punkt gegen ein nominell favorisiertes Team viel Luft verschafft. Das 4:4 war leistungsgerecht. Peter Michalik brachte die Hauptstädter in Führung, bevor Nico Georgiadis eine Stunde später für Solingen ausglich. In der sechsten Stunde brachte Martin Kraemer Berlin wieder in Front, doch Ralf Appel glich für die Klingenstädter erneut aus.

Bremen mit erstem Punktverlust

Werder Bremen gab beim 4:4 gegen Hockenheim den ersten Punkt in der Saison ab. Das Ergebnis spiegelt den Verlauf zweier nominell ungefähr gleichstarker Teams gut wieder. David Smerdon brachte die Bremer in Führung, nachdem Dennis Wagner die Eröffnung komplett misslang und der deutsche Nachwuchsspeler schon nach zwölf Zügen auf Verlust stand. Alexander Moiseenko sorgte mit einem Sieg am Spitzenbrett gegen Romain Edouard kurz nach der Zeitkontrolle für den Ausgleich. Die restlichen Partien endeten remis.

Der SK Turm Emsdetten spielt weiterhin eine sehr gute Rolle in der Schachbundesliga. Die Münsterländer gewannen sicher gegen Trier mit 5:3 und liegen mit acht Punkten im oberen Tabellendrittel. Gegen Trier punkteten Daniil Dubov, Nils Grandelius und Mustafa Yilmaz, während auf Trierer Seite der starke Nachwuchsspieler Lev Yankelevich seinen Kontrahenten Martin Zumsande bezwang.

Katernberg schöpft Hoffnung

Im Kampf zwischen den SF Katernberg und dem Hamburger SK sah es nach knapp vier Stunden nach einem klaren Sieg für die nominell favorisierten Hamburger aus. Nach vollen Punkten von Sipke Ernst und Robert Kempinski lag der HSK mit 3:1 vorn, doch dann lief alles für die Gastgeber. Robert Ris besorgte den Anschlusstreffer, nachde Lubomir Ftacnik etwas zu sorglos seinen Königsflügel geschwächt hatte:

Ris,Robert (2425) - Ftacnik,Lubomir (2558)
SBL 14/15, SF Katernberg - Hamburger SK


Stellung nach 25...Kh7:
26.Lxh5! Lf7 26...gxh5 27.Dxh5+ Lh6 28.Dxh6# 27.d7 27.Le2! mit der Idee 28.h5 ist noch stärker. 27...gxh5 28.d8D Txd8 29.Dxd8 De6 29...Sxb4 30.Sxf5 e3 31.Sxe3± 30.Td1!+- Sxb4 31.Td6 Dc4 32.Dd7 Sd3 33.Dxf5+ Kh8 34.Td8+ Lf8 35.Txf8+ Kg7
36.Lh6+ und Schwarz gab auf, da er forciert matt gesetzt wird. 1-0
Robert Ris
Die Essener endgültig auf Siegkurs brachten Nazar Firman, der seinen Landsmann Martin Kravtsiv auf dem Weg zur Jahrhundertpartie humorlos auskonterte, und Christian Scholz, der ein besseres Turmendspiel gegen Jonas Lampert gewann. Für Katernberg war es der erste Saisonsieg und der nötige Strohhalm, um weiter an den Klassenerhalt zu glauben. Für Hamburg ist diese Aufgabe nicht minder einfach. Die Situation könnte bedrohliche Ausmaße annehmen, wenn gegen Dortmund am Sonntag eine weitere Niederlage eingefahren wird.

Im zweiten Spiel in Essen erledigte der SC Hansa Dortmund die Pflichtaufgabe gegen Rostock mit Bravour. Das 6:2 spiegelt die Kräfteverhältnisse wieder. Jetzt geht es gegen Hamburg und bei einem Sieg könnte mit sechs Zählern an einem Wochenende der ganz große Wurf gelingen.

Einzelergebnisse der 5. Runde
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