Keine Lust auf Schach-Profi

Erstellt am: 16.08.2018

Jung-Großmeister Léon Mons studiert lieber Mathematik und bleibt MSA als Spitzenspieler erhalten

Von Hartmut Metz

Die Lebensversicherung der Münchner Schachakademie (MSA) Zugzwang heißt Léon Mons. Der 22-Jährige brillierte am ersten Brett gegen zahllose Weltklasse-Gegner und holte in 15 Partien stolze acht Zähler. Dank der knapp positiven Bilanz gewann der gebürtige Lübecker mit 28 Elo mehr Weltranglistenpunkte hinzu als jeder andere Spieler in der Schach-Bundesliga. Entsprechend umworben war der Mathematik-Student, doch Mons hält den Münchnern im dritten Jahr seit dem Aufstieg die Treue.

„Angebote von anderen Vereinen gab es, aber nachdem wir den Klassenerhalt geschafft hatten, war für mich klar, dass ich bei Zugzwang bleiben würde. Ich fühle mich hier wohl und freue mich schon auf eine weitere Saison am Spitzenbrett“, erklärt der frischgebackene Großmeister und ist selbst überrascht von seinem Abschneiden angesichts seines „limitierten und leicht ausrechenbaren Eröffnungs-Repertoires“. „Wahnsinn, wie er spielte“, preist MSA-Kapitän Markus Lammers die Leistung seines Mannschaftskameraden, der in der vergangenen Saison als Amateur nur eine Begegnung verlor und auch der einzige Stammspieler war, der beim Tabellenzwölften eine positive Bilanz vorweisen konnte.

Gedanken an eine Profi-Karriere verschwendet Mons dennoch keine. „Die habe ich nie angestrebt, auch jetzt kommt das für mich grundsätzlich nicht in Frage, denn finanziell lohnt sich das einfach nicht“, weiß der frühere Forchheimer Erst- und Zweitligaspieler und ergänzt, „außerdem stelle ich es mir recht eintönig vor, seine gesamte Zeit in Schach zu investieren. Als Profispieler würde ich vermutlich recht schnell die Lust verlieren.“ Das ist fürs deutsche Schach bedauerlich, denn seit seinem Sieg in der Saison 2012/13 über den damaligen deutschen Spitzenspieler Arkadij Naiditsch, der zur Bundesliga-Partie der Saison gekürt wurde, steht das Talent im Fokus. „Bei voller Konzentration aufs Schach könnte ich sicherlich die 2600 Elo knacken“, traut sich Mons zu, in den Kreis der Nationalmannschaft aufzusteigen. Wo sein „Limit liegt“ mag er „schwer zu sagen. Da ich mein aktuelles Niveau erreicht habe, ohne dafür sonderlich hart zu trainieren, vermute ich, dass ich mit viel Trainingsfleiß ein Rating im Bereich 2650 bis 2700 Elo erreichen könnte“. Das Maximum würde dann schon Top 50 in der Welt bedeuten.

Vermutlich ist es jedoch für seinen aktuellen Bundesliga-Verein so besser – denn wenn der Student nicht seine Brötchen mit Schach verdienen muss, bleibt er eher MSA Zugzwang erhalten, statt sich vom Geld der Topklubs ködern zu lassen. Sein Plan B erscheint Mons deutlich klüger. „Ich werde mein Studium dieses Jahr mit dem Master abschließen. Zur Zeit schreibe ich an meiner Masterarbeit, die Deadline dafür ist im November“, legt er sich einen gut durchdachten Plan zurecht wie auf den 64 Feldern. Nur ganz in die Ferne schweifen kann er auch im Leben nicht: „Danach werde ich wohl eine Promotion anstreben, aber ganz fest habe ich das noch nichts geplant. Ich könnte mir vielleicht vorstellen, nach dem Abschluss des Studiums ein paar Monate zu spielen, aber das wäre eher eine Notlösung für den Fall, dass ich nicht auf Anhieb eine Stelle finde“, gibt sich der angehende Mathematiker bodenständig.

Einzelturniere über den Sommer hinweg, bei denen sich andere Großmeister ihre zusätzlichen Brötchen verdienen, fasst der stärkste Münchner Schachspieler auch nicht ins Visier. Weil man beim Denksport in mehreren Ligen gleichzeitig spielen darf, überlegt sich der 22-Jährige nur: „Vielleicht nehme ich Mitte Oktober mit meinem österreichischen Team Royal Salzburg am Europacup teil, aber das steht noch nicht wirklich fest. Über andere Turniere werde ich mir erst Gedanken machen, wenn das Ende der Masterarbeit in Sicht rückt“.

Nach der „ausgezeichneten Saison sowohl für die Mannschaft als auch für mich persönlich“ will Mons weiterhin seine „Haut so teuer wie möglich verkaufen“. Noch mehr zeigt der Spitzenspieler aber Teamgeist: „Dass wir nun bereits zweimal die Klasse gehalten haben, ist schon sensationell! Ich denke, wir können es sogar ein drittes Mal schaffen.“



Über den Autor

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Hartmut Metz ist Redakteur beim Badischen Tagblatt mit Hauptsitz in Baden-Baden. Er schreibt außerdem unter anderem für die taz, die Frankfurter Rundschau und den Münchner Merkur über Schach und Tischtennis. Zudem verfasst der FM von der Rochade Kuppenheim regelmäßig Beiträge für das Schach-Magazin 64, Schach-Aktiv (Österreich) und Chessbase.de. Darüber hinaus stammen mehrere Turnierbücher aus seiner Feder.