Baden-Baden und Werder weiter im Höhenflug

Erstellt am: 10.11.2014

Auch nach der 4. Runde stehen Baden-Baden und Bremen weiterhin ohne Verlustpunkt an der Tabellenspitze, dicht gefolgt vom starken Aufsteiger Schwäbisch Hall. Andreas Albers fasst die Höhepunkte der 4. Runde zusammen.

Am Sonntagmorgen um 10:00 Uhr Schach zu spielen, ist nun wirklich nicht jeden Großmeisters Sache, aber die schnellen Friedensschlüsse hielten sich diesmal arg in Grenzen, lediglich in Baden Baden – Trier waren gleich mehrere Partien direkt nach der magischen 20-Züge-Marke beendet. Allerdings zeichneten sich zu diesem Zeitpunkt bereits deutliche Vorteile bei Jan Gustafsson und Georg Meier ab, so dass das strategisch sicher voll in Ordnung ging.

Wie im vorigen Rundenbericht angekündigt, versuchte sich tatsächlich der polnische GM im Trierer Trikot als „Mauerspecht“ und versuchte gegen „Mr. Bundesliga“, Arkadij Naiditsch, die „Berliner Verteidigung“ zu knacken. Um es kurz zu machen, der „antifaschistische Schutzwall“ hielt nicht nur Stand, sondern brachte der deutschen Nummer 1 sogar den fünften Sieg im fünften Match. Vielleicht ist die „Carlsen-Strategie“, dem Gegner gar nicht erst zu erlauben, das Gemäuer aufzubauen, doch die beste Möglichkeit?

In der längsten Partie des Tages rang Etienne Bacrot Felix Graf nieder und demonstrierte zum wiederholten Male, wie schwer das Endspiel König + Turm versus König + Turm + Läufer zu verteidigen ist. Ein lockeres 6–2 und das obwohl von den ersten sechs Spielern bisher nur Bacrot regelmäßig zum Einsatz kam. Am zweiten Adventswochenende wird das vermutlich anders aussehen, dann lädt Schwäbisch Hall zum ersten großen Showdown der Saison, vermutlich ebenfalls in besserer Aufstellung als dieses Wochenende.

Im Parallel-Wettkampf zwischen Hockenheim und Eppingen überraschten letztere mit der „Auswechslung“ von Spitzenbrett Pentala Harikrishna, so dass vermutliche alle Hockenheimer Vorbereitungen ins Leere liefen. Ein 4,5 - Sieg gibt der Teamstrategie immer Recht, Leon Mons gelang ein schöner Sieg gegen Rainer Buhmann.

Am Spitzenbrett ging es gewohnt lebendig zur Sache und Maxim Rodshtein nahm bei wenig Zeit lieber den Spatz in der Hand, anstatt sich in einem knappen Match am Ende doch noch überlisten zu lassen:

Rodshtein,Maxim (2678) - Rapport,Richard (2720)
SBL 1415, SV Hockenheim - SC Eppingen, 09.11.2014


Stellung nach 50.h7:

Zwei Springer heizen dem weißen König kräftig ein und es läßt sich in der Tat mit einem Rechner viel leichter sagen, dass hier weder ein Matt und noch nicht mal ein Dauerschach für Schwarz drin ist. 50...Sfh3+ 51.Kg2 Sf4+ 52.Kf2 Der junge Israeli nimmt das Dauerschach, anstatt "all in" zu gehen. 52.Kg3!! Sh5+ [52...De1+ sieht auch bedrohlich aus, aber sowohl 53.Tf2 (als auch direkt 53.Kg4! gewinnen die Partie) 53...Sfh3 (53...Sh5+ 54.Kg2 Sf4+ 55.Kg1 Sgh3+) 54.h8D Dxf2+ 55.Kg4 ist nicht matt und damit eine Dame mehr für Weiß] und da man ja eine neue Dame bekommt, kann die alte ruhig weg 53.Dxh5! Df4+ 54.Kg2 gxh5 55.h8D Dxf3+ 56.Kg1 Sh3+ 57.Kh2 "Dame und Springer setzen nie matt!" raunt der Meister. 57...Dxf1?? 58.Ta7+ Kg6 59.Dg7# 52...Sfh3+ 53.Kg2 Sf4+ 54.Kf2 ½-½

Für beide Teams sollte die Saison dennoch relativ problemlos laufen, Hockenheim hat ein Match weniger in der Tabelle, das kommende Wochenende könnte für Ruhe sorgen, wenn man als Gastgeber gegen Trier, Emsdetten und Bremen nicht mit leeren Händen verbleibt, Eppingen hat bereits sechs Punkte auf dem Konto und Baden Baden weg, alles läuft nach Plan.

Abstiegskampf pur gab es in Berlin zum Mitfiebern. Nicht nur Fußball- Hertha, sondern auch die kampferprobten Schachfreunde Berlin grüßen vom unteren Tabellendrittel. Wenn dann gegen Hansa Dortmund „nur“ ein 4–4 rausspringt, dann muss man sich mal wieder ernsthaft Sorgen machen. Der Armenier Hrant Melkumjan nutzte zwar seinen Weißvorteil gegen Alexander Donchenko zu einem souveränen Sieg und auch Martin Krämer gewann, aber Alexander Mista verschmähte (vielleicht in Anbetracht der noch laufenden Partien) ein mögliches Dauerschach und verlor am Ende sein Turmendspiel gegen den Tschechen Robert Markus und auch dem Spanier Emilio Moreno Tejera gelang gegen den norwegische Youngster Aryan Tari trotz einiger Vorteile kein Sieg. Die drei Punkte aus diesem Wochenende sind aller Ehren wert, trotzdem könnte dieses Unentschieden noch richtig weh tun.

Noch schlimmer läuft es für die Sportfreunde Katernberg, die nach der chancenlosen Niederlage gegen Dresden (fast Topaufstellung, lediglich Gregorz Gajewski fehlte als neuer Anand-Sekundant) mit erst einem Punkt tief im Keller stehen. Der junge Holländer Benjamin Bock wurde von in Olympia-Silbermedaillengewinner Zoltan Almasi ziemlich sehenswert überrollt:

Bok,Benjamin (2591) - Almasi,Zoltan (2695)
SBL 1415, SF Katernberg - USV TU Dresden, 09.11.2014


Stellung nach 34.Ld2:

In herraufziehender Zeitnot entscheidet sich der Ungar für das Gaspedal: 34...Dh4! 35.Lxb4 und nun als kurzen Zwischenzug 35...Lh6! Jetzt kann die Dame wegen Dh1# nicht nach f2 zurück. 35...Dh2+? 36.Kf1 Lh6 37.Df2 und alles ist in Ordnung für Weiß. 36.Dc3?? Das ist ein Schritt zu weit über den Abgrund 36.Dd3 ermöglicht der Dame die Verteidigung über f1 36...Dh2+ 37.Kf2 Lh3 38.Tg1 Tg5 39.Df1. 36...Dh2+ 37.Kf1 37.Kf2 Lh3 38.Tg1 Tg5 37...Lh3 38.Ke2 38.Td2 Tg5 und der Druck wird zu groß! 38...Tc8

und nun sah sich Benjamin Bok schon genötigt die Dame zu geben. Der Rest ist kein Problem mehr... 38...Lxg2 hätte sogar noch schneller gewonnen, aber wie gesagt, die Zeitnot.

Zoltan Almasi

Beim kommenden Heimwochenende gegen Hamburg und Rostock stehen die Katernberger damit gehörig unter Druck und brauchen unbedingt vier Punkte, sonst könnte es ganz ganz eng unten werden.

Ganz andere Sorgen macht man sich vermutlich bei Werder Bremen und Emsdetten. Das erfolgreichste „Pärchen“ der Liga hat noch kein Match verloren und auch dieses Wochenende gegen die Medaillenkandidaten Mülheim und Solingen sehr erfolgreich gestaltet.

Mit blütenweißer Weste steht Werder da und zieht dabei die „4 + 4 Formel“, ein Quartett Legionäre und dann vier heimische Spieler (wobei der in Holland studierende Australier David Smerdon mal großzügig zur zweiten Gruppe gezählt wird) voll durch. Matthias Blübaum „patzte“ zwar und gab sein erstes Remis ab, aber Altmeister Predag Nikolic musste wirklich alle Verteidigungskünste aufbieten, um den jungen „Prinzen“ zu bremsen. Die schönste Partie des Matches spielte sicherlich Luke McShane gegen den schwer zu schlagenden Markus Ragger.

Joker Smerdon wurde am Sonntag eingewechselt und stach sofort gegen Alexander Naumann zu:

Smerdon,David (2506) - Naumann,Alexander (2560)
SBL 1415, Werder Bremen - SG Solingen, 09.11.2014


Stellung nach 21.Se5:

Es ist schon nicht besonders gut gelaufen für Schwarz, aber nun lädt er die "Freunde nach Hause ein" und das endet, wie so häufig in einem Desaster. 21...c6 22.d6! Kf8 22...Txd6 23.Sxf7! und es hängt viel zu viel bei Schwarz 23.Tae1 Lc2

23...f6 geht auch nicht mehr: 24.Sxg6+ hxg6 25.Te7 24.Sxf7! 24.d7 ist vielleicht auch gut, aber wozu beeilen? 24...Te7 25.Sg6+ Lxg6 26.Txe7 Sxd7 und Schwarz wehrt sich noch ein wenig. 24...Txe3 25.Txe3 Td7 26.Le6 Txf7 27.Lxf7 Kxf7 28.Te7+ Kf6

und dann noch ein hübscher Zug zum Abschluß. 29.g5+ 1-0

David Smerdon

Solingen gelang in Sandipan – Efimenko lediglich ein Partiegewinn und ist mit einem Punkt aus diesem Wochenende sicher nicht zufrieden, wirklich Sorgen braucht man sich allerdings nicht zu machen.

Natürlich ist auch Mülheim schlicht zu stark, um Probleme in der Liga zu bekommen, aber es ist diese Saison einfach wie verhext, erst ein Sieg in vier Runden und jede Menge vergebene Chancen. Tragischer Held gegen Emsdetten war sicherlich Daniel Hausrath:

Burg,Twan (2518) - Hausrath,Daniel (2515)
BL 1415, Turm Emsdetten - SV Mülheim Nord, 09.11.2014


Stellung nach 32...Ta1:

Schwarz hat zwei Figuren für Turm und Angriff gegeben und Weiß kann dem Druck nicht stand halten: 33.Kh2?? Taxf1! 34.Lxf1 Sf3+ 35.Kg3 Df5!! sehr streng 35...Sxd2? Das war nicht die Idee 36.Kxf4 und da Weiß nicht mattgesetzt wird, hat er einfach Material mehr. 36.Te2 Dg5+? Sehr verständlich, zumal in Zeitnot. 36...g6!-+ danach resigniert der Rechner sofort. 37.Kf2 und unglaublicherweise hat Schwarz keinen gewinnbringenden Abzug, da immer noch Te8# droht 37...Dh4+ 37...Se5+ 38.Kg1+- kein Matt, kein gar nichts. 38.Ke3

Es sind "leider" noch zwei Züge bis zur Zeitkontrolle, wenn die 40 schon geschafft wären, dann hätte Schwarz sicher etwas besonnener agieren können. 38...Se5?? Das kostet sogar noch die ganze Partie 38...Df6! ist aber eher eine Computerlösung 39.Kd3 Td4+! 40.Sxd4 (40.Kc3 und nun das unglaublich kaltblütige 40...Kf8! und Weiß kann nichts mehr gegen einen gewinnenden Turmabzug unternehmen) 40...Dxd4# 39.Kd2 Evakuiert den König auf sicheren Pfaden und verbleibt mit einer weißen Mehrfigur. Den Rest der Partie kann man hier nachspielen.

Twan Burg

Alexander Berelowitsch sorgte wenigstens noch für das Unentschieden aber auch das ist eigentlich nicht das, was man sich vor dem Kampf ausgerechnet hatte. Als nächstes geht es in Dresden gegen die starken Gastgeber und dann gegen aufopferungsvoll kämpfende Berliner, es dürfte interessant werden.

Nach zwei hohen Siegen hatten die Hamburger anscheinend Ihr Pulver bereits verschossen, zumindest ging der Wettkampf gegen Schwäbisch Hall ziemlich chancenlos mit 3–5 verloren. „Wenn nicht dieses Wochenende, wann sonst soll man Hall schlagen“ munkelten die Zuschauer angesichts der vielen Ausfälle bei den starken Aufsteigern und in der Tat sprach das Papier leicht für die Gastgeber.

Allerdings waren mit Li Chao und Viktor Laznika noch zwei „Stars“ dabei und beide brillierten zum wiederholten Male, der Chinese in einem wilden Gefecht mit Robin van Kampen. Der Tscheche konterte die polnische Nachwuchshoffnung Duda aus. Als dann auch noch Rasmus Svane gegen Frank Zeller zu spät realisierte, dass er schlecht steht, war das Match gelaufen:

Svane,Rasmus (2506) - Zeller,Frank (2445)
SBL 1415, Schwäbisch Hall - Hamburger SK, 09.11.2014


Stellung nach 25.f4:

Rasmus hatte die Eröffnung scharf angelegt, aber nach eigener Aussage das Gefühl für Gefahr verloren und das nutzt Schwarz sehenswert aus: 25...Tc8! der Bauer d6 läuft ja nicht weg 25...Dxd6 26.Dxd4 und alles ist okay für beide Seiten. 26.Td3 In der Hoffnung, gleich den Bauern d4 doch noch zu bekommen, aber dabei hatte er einen taktischen Schlag schlicht übersehen. 26...Tc3 27.Txd4?

27...e5!! Gipfelt in einem Damenopfer 28.fxe5 fxe5 29.Txe5 Leseraufgabe: Schwarz setzt Matt: 29...Dxd4+! Genau! Grundreihenmatt! (29...Dxd4+ 30.Dxd4 Tc1+) 0-1

Frank Zeller

Das Duell Bayern München – SSC Rostock sollte eigentlich eine spannende Angelegenheit werden, zumal Rostock mit Max Weber noch einen „Joker“ für das letzte Brett präsentierte, der eine starke Schwarzpartie gegen Zajogin gewinnen konnte. Aber ansonsten setzte sich die Erstligaerfahrung der Münchener komplett durch und das 6–2 entsprach auch in etwa dem Matchverlauf.

Bayern München zeigte sich also erholt vom Samstag und zeigte, dass sie zumindest gewillt sind, gegen die direkten Konkurrenten zu punkten, vielleicht reicht es diesmal für den sportlichen Klassenerhalt, zu wünschen wäre es der Truppe. Für Rostock hängen die Trauben in diesem Jahr einfach sehr sehr hoch, aber das wusste man vorher.

Einzelergebnisse im Überblick

Von Andreas Albers

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