„Den Sieg auf der Pfanne“

Erstellt am: 05.12.2016

Die Münchener Teams zogen sich in Mülheim sehr gut aus der Affaire und schnupperten gegen den Gastgeber sogar am Erfolg. Hartmut Metz berichtet über das Abschneiden des FC Bayern und der MSA Zugzwang München in Mülheim.

Münchner Schach-Bundesligisten verpassen Überraschungen gegen Mülheim Nord / Meister Solingen zu überlegen

Von Hartmut Metz

„Wir haben am 4:4 geschnuppert“, beklagt Markus Lammers. „Wir hatten den Sieg auf der Pfanne!“, fällt Jörg Wengler in den Klagechor ein. Die beiden Münchner Schach-Bundesligisten waren zwar am Wochenende gegen Meister SG Solingen chancenlos, doch gegen den Tabellenvierten SV Mülheim Nord verpassten sie faustdicke Überraschungen. Die Punkte hätten sowohl MSA Zugzwang als auch der FC Bayern gut gebrauchen können.

So rutschten Letztere als Tabellenzwölfter (3:9 Punkte) auf einen Abstiegsplatz in der 16er-Liga. Der Ortsrivale (1:11) ziert nun gar das Tabellenende, weil der SV Griesheim (2:10) den ersten Saisonsieg landete. An der Spitze ziehen die OSG Baden-Baden und Solingen (beide 12:0) einsam ihre Kreise. Gegen den Tabellendritten Hockenheim (10:2) traten die Baden-Badener mit Ex-Weltmeister Viswanathan Anand (Indien) an Brett drei an. Die Weltauswahl aus der Kurstadt führte der Weltranglistenzweite Fabiano Caruana in einer 115-zügigen „Seeschlange“ zu einem 5:3-Erfolg.

In derlei Dimensionen denken die Amateure aus München nicht. Entsprechend reichte es gegen Solingen nur zu jeweils ein paar Remis. Für MSA Zugzwang holten die beim 1,5:6,5 Stefan Kindermann, Robert Zysk und Markus Lammers. Der befand: „Das sah lange Zeit ordentlich aus. Letztlich hatten wir aber keine Chance.“ Bei den Bayern sah Abteilungsleiter Wengler einen „recht eindeutigen Kampfverlauf. Immerhin war das 2:6 kein Desaster“. Schließlich verteidigten Michael Fedorovsky, Thomas Reich und die beiden Schweden Linus Johansson und Philip Lindgren halbe Zähler.

Markus Lammers | Foto: Hartmut Metz
Markus Lammers | Foto: Hartmut Metz

Lindgren hätte gegen Mülheim Nord zum Helden werden können. Der 22-Jährige spielte gegen Michael Feygin eine brillante Angriffspartie und trieb den schwarzen König übers ganze Brett – doch den mehrfach möglichen „Totschlag“ fand Lindgren in Zeitnot nicht. Am Schluss verlor der wackere Schwede sogar noch. Mit seinem vollen Punkt und einem ebenfalls möglichen Sieg von Thomas Reich über Michail Saltaev in einem Turmendspiel wäre die Sensation perfekt gewesen. Doch Reich remisierte lediglich, so dass die Bayern gegen die Hausherren am Samstag mit 3:5 den Kürzeren zogen. Allein Junior Dennis Gretz gewann für den FCB: Der 17-Jährige schlug an Brett acht Volkmar Dinstuhl. Das war zu wenig, weil Fedorovsky und Johansson das Nachsehen hatten. Am Spitzenbrett ertrotzte Klaus Bischoff ein Unentschieden gegen Daniel Fridman. Der Österreicher Valentin Dragnev hielt Alexander Berelowitsch stand, und Andreas Schenk wehrte letztlich alle Gewinnbemühungen von Patrick Zelbel ab. Wengler tröstete sich über den vergebenen Elfmeter: „Zugucken hat bei Lindgren Spaß gemacht.“

Thomas Reich | Foto: Hartmut Metz
Thomas Reich | Foto: Hartmut Metz

Das war auch lange Zeit bei Kapitän Lammers so gegen die Mülheimer. Nach vier Friedensschlüssen von MSA-Spitzenspieler Stefan Bromberger, Zysk, Falk Hoffmeyer und Christoph Eichler hieß es nur 2:3. Lediglich Christian Schramm musste gegen Großmeister Berelowitsch aufgeben. „Danach sah es nach einem 4:4 aus“, analysierte Lammers. An seinem Sieg über Dinstuhl schien es angesichts zweier Mehrbauern keinen Zweifel zu geben. Zudem hatten Kindermann und Erasmus Gerigk völlig gleich stehende Endspiele auf dem Brett, die MSA Zugzwang zwei Remis versprachen. Die beiden verpatzten indes ihre Stellungen noch gegen Konstantin Landa und den erneut vom Glück begünstigten Feygin - und ihr Kapitän machte es nicht viel besser, indem er Dinstuhl in die Punkteteilung entwischen ließ. „Auch wenn es letztlich enttäuschend ausging, macht die Leistung Mut für die Zukunft“, sieht Lammers den Aufsteiger nicht völlig chancenlos im Oberhaus.

SV Mülheim Nord – Bayern München 5:3.
1. Brett Fridman – Bischoff remis, 2. Landa – Fedorovsky 1:0, 3. Berelowitsch – Dragnev remis, 4. Levin – Johansson 1:0, 5. Feygin – Lindgren 1:0, 6. Zelbel – Schenk remis, 7. Saltaev – Reich remis, 8. Dinstuhl – Gretz 0:1.

SG Solingen – MSA Zugzwang 6,5:1,5.
1. Ragger – Bromberger 1:0, 2. Predojevic – Kindermann remis, 3. Smeets – Schramm 1:0, 4. Nikolic – Zysk remis, 5. Naumann – Gerigk 1:0, 6. Handke – Hoffmeyer 1:0, 7. Andersen – Eichler 1:0, 8. Wegerle – Lammers remis.

Bayern München – SG Solingen 2:6.
1. Bischoff – Ragger 0:1, 2. Fedorovsky – Predojevic remis, 3. Dragnev – Smeets 0:1, 4. Johansson – Nikolic remis, 5. Lindgren – Naumann remis, 6. Schenk – Handke 0:1, 7. Reich – Andersen remis, 8. Gretz – Wegerle 0:1.

MSA Zugzwang – SV Mülheim Nord 2,5:5,5.
1. Bromberger – Fridman remis, 2. Kindermann – Landa 0:1, 3. Schramm – Berelowitsch 0:1, 4. Zysk – Levin remis, 5. Gerigk – Feygin 0:1, 6. Hoffmeyer – Zelbel remis, 7. Eichler -Saltaev remis, 8. Lammers – Dinstuhl remis.



Über den Autor

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Georgios Souleidis ist Internationaler Schachmeister und hat in Bochum Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Er arbeitet als Journalist, Autor und Schachtrainer. Er schreibt u.a. als Chefredakteur für die Schachbundesliga, für Chessbase, die Zeitschrift SCHACH, SPIEGEL ONLINE oder die Deutsche Presse-Agentur. Falls er mal nicht schreibt, Training gibt oder auf seinem YouTube-Kanal Schach lehrt, versucht er aktiv am Brett zu beweisen, dass 1. e2-e4 der beste Eröffnungszug ist.