Die Schachspieler hielten sich auf jeden Fall nach dem Prestige-Sieg gegen Hamburg auch am Aufsteiger Rostock schadlos, vor allem um „Unterhaus“, also den Brettern 4-8, gab es für die Ostseestädter nichts zu holen. Vorne spielten Luke McShane und Alexander Areshchenko ein wenig mit dem Feuer, um mehr als einen halben Punkt zu holen, aber beide verbrannten sich dabei nicht die Finger und so stand es am Ende 6,5 – 1,5 für Bremen. Dass die Saison für den Aufsteiger hart werden würde, war klar, aber das Team hat sich teuer verkauft und wird sicher beim „Dreier-Wochenende“ im November (am Freitag, den 7.11. steht das Reisepartnermatch gegen Hamburg auf dem Plan) die ersten Partiegewinne verzeichnen.
Bremens Reisepartner, der SK Turm Emsdetten, gewann relativ souverän gegen den Hamburger SK, die zwar durch einen Schwarz-Überfall ihres neuen spanischen Spielers IM Jose Cuenca Jimenez gegen GM Roeland Pruissers in Führung gehen konnten, aber danach nicht mehr allzu viel auf die Bretter brachten. Alle vier Weißpartien der Hamburger endeten Remis, aber die restlichen Schwarzpartien gingen verloren, darunter durchaus unterhaltsam der ehemalige Juniorenweltmeister Alexander Ipatov gegen den „Ur-Hamburger“ (seit 22 Jahren mittlerweile im Verein) Lubomir Ftacnik.
Ipatov,Alexander (2625) - Ftacnik,Lubomir (2546) [A45]
SBL 2014/15, 19.10.2014
1.d4 Sf6 2.Lg5 d5 3.Lxf6 gxf6 4.e3 c5 5.dxc5 e6 6.Sc3 Lxc5 7.Dh5 Sd7 8.0–0–0 f5
Mit dem „Tromp“ scheinen die Hamburger an diesem Wochenende auf Kriegsfuß zu stehen. Am Samstag verlor Rasmus Svane mit Weiß in dieser Eröffnung, nun zauberte der junge türkische Nationalspieler hier: 9.Sxd5!? aus dem Hut, was der Computer zwar nicht glauben kann, aber durchaus interessant zu sein scheint. 9...exd5 10.Txd5 De7 11.Sf3 und nun wollte sich Schwarz verständlicherweise nicht auch noch vom Bauern f5 trennen, aber nach 11...Sb6? 12.Lb5+! gab es erstaunlich viel Stress rund um die d-Linie wie ihr beim Nachspielen der Partie "aus nächster Nähe" betrachten könnt.
Alexander Ipatov
Auch Emsdetten hat also noch eine weiße Weste und sollte keine Probleme in dieser Saison haben, zumal man ja mit Anish Giri den eigentlichen Superstar „auf der Bank“ hat - aktuell souveräner 4,5-1,5 Matchsieger gegen Alexei Shirov!
Die Hamburger mussten der Personallage Tribut zollen: Zwei Spieler bei der Jugend-WM in Indien, weitere Spitzenspieler anderswo unterwegs, dann wird es verdammt ungemütlich in dieser Liga. Beim bereits erwähnten nächsten Wochenende in Hamburg müssen unbedingt Erfolgserlebnisse her, geht es doch gegen die Abstiegskonkurrenten Rostock, München und dann gegen den starken Aufsteiger Schwäbisch Hall.
Baden Baden gewann „natürlich“ auch seine zweite Begegnung, diesmal gegen die Schachfreunde Berlin, wobei sich vor allem Arkadij Naiditsch mal wieder in Spiellaune befand. Laut Reglement ist es den Spielern nicht mehr erlaubt vor dem 20. Zug Remis anzubieten, Etienne Bacrot wiederholte allerdings gegen Ilja Schneider bereits zwischen Zug 15 und 18 die Stellung, so dass hier Frieden geschlossen werden durfte. Alle Anderen hielten sich an die Vorgabe, dennoch waren nach spätestens 33 Zügen alle Partien zu einem ungefährdeten 5-3 Sieg beendet. Alles paletti also für den Titelverteidiger, der zuletzt in der Saison 2011/2012 eine Niederlage einstecken musste (damals 2. Runde gegen Mülheim). Alles? Fast alles! Neu-Nationalspieler Liviu-Dieter Nisipeanu scheint weiterhin in der Krise zu sein. „Ich liebe es kreativ zu spielen, viel zu riskieren. Hauptsache die Ideen sind interessant, das geht mal gut und manchmal auch nicht, aber so macht Schach Spaß!“ war sinngemäß vor kurzem in deutschen Schachzeitungen von Nisipeanu zu lesen. Zurzeit klappt es eher weniger gut, aber unterhaltsam ist es allemal:
Lauber,Arndt (2443) - Nisipeanu,Liviu Dieter (2674)
SBL 2014/15, 19.10.2014
Stellung nach 11.h4:
Hier verfiel "Nisi" auf die Idee: 11...Sxe4? 12.h5! Der Berliner läßt sich nicht beeindrucken und findet den richtigen Weg. 12.Lxe4?! f5 13.Ld3 e4 war schon viel eher nach Geschmack des Schwarzen. 12...Sh8 brrhhh! 12...Se7 war vielleicht das kleinere Übel, aber nach 13.h6! g6 14.Lxe4 f5 15.Ld3 e4 16.Sg5 exd3 17.Dxd3 werden früher oder später die schwarzen Felder dem Schwarzen zum Verhängnis. 13.Sg5 Ups, vielleicht war Nisipeanu das entgangen? 13...f5 14.Sxe4 fxe4 15.Lxe4 h6 16.Lh7+ Kf7
Es sieht schon furchtbar aus, aber wie genau soll man dem König auf den Pelz rücken? 17.f4! genau so! Keine Angst vor Elo-Riesen und alle Linien öffnen. Wie Weiß seinen Vorteil letztendlich verwertete, könnt ihr hier nachspielen.
Arnd Lauber mit Ehrentreffer für Berlin
Trotz dieses Einzelerfolges gab es an diesem Wochenende für die Hauptstädter keine Punkte zu holen, aber die Schachfreunde sind harten Abstiegskampf ja bereits gewohnt und werden ihn auch in diesem Jahr sicher meistern.
Vermutlich weniger kämpfen wird der neue Reisepartner, der USV Dresden, mit neuer finanzieller Unterstützung waren einige Neuverpflichtungen möglich und die kamen auch gleich voll zum Einsatz. Der 6 – 2 Sieg gegen Eppingen, die zu Beginn der Spielzeit nicht die stärkste Aufstellung dabei hatten, war allerdings zumindest in der Höhe dann doch nicht zu erwarten. Die verbesserte Hamburger Strategie, nämlich alle Weißpartien zu gewinnen und die Schwarzen Remis zu machen, zahlte sich aus. Neben Eljanov, Almasi und Co wurde auch das hauseigene Talent Maximilian Neef erfolgreich eingesetzt, der mit 1,5/2 einen guten Bundesligastart feierte. Mit den Dresdnern wird man diese Saison rechnen müssen, bei Eppingen scheint sich zu bewahrheiten, was schon am Transfermarkt zu sehen war, der Gürtel wird enger geschnallt, der in den letzten Jahren abonnierte 4. Platz dürfte nicht zu halten sein.
Dass es für Bayern München wieder eine schwere Saison werden würde, war vorher klar, bereits nach 2 Runden ist man im Tabellenkeller, allerdings war das Auftaktprogramm mit Solingen und dann Mülheim auch hart. Man baute ein wenig auf den Überraschungseffekt, wechselte über Nacht Klaus Bischoff und Peter Meister an 1 und 7 ein, alleine es brachte nicht mehr als eine 1,5 – 6,5 Niederlage ein, obwohl zumindest Andreas Schenk gegen Europameister Alexander Motylev zwischenzeitlich einen glatten Läufer mehr hatte, diesen in Zeitnot allerdings umgehend wieder einstellte und nach einigen weiteren Wirren zumindest noch einen halben Punkt sichern konnte.
Bärenstark hingegen der Start vom Aufsteiger Schwäbisch Hall. In der Frauenbundesliga gewann der Verein beide Auftaktmatches, bei den Herren sind die 3:1 Punkte auf jeden Fall mindestens genauso hoch anzusiedeln, hatte man doch mit Mülheim und Solingen zwei „Podestkandidaten“ als Gegner. Die Klingenstädter wurden am Sonntag ziemlich glatt mit 5 – 3 abgefertigt und konnten dabei wie schon am Samstag die Bretter 7 + 8 für sich entscheiden, Mads Andersen und Jörg Wegerle könnten noch ein gefürchtete Duo im Laufe dieser Saison werden. Nach dem geglückten Remis am Samstag überlistete Radek Wojtaszek heute Chanda Sandipan quasi aus dem Nichts.
Wojtaszek,Radek (2698) - Sandipan,Chanda (2609)
SBL 2014/15, 19.10.2014
Stellung nach 30.e4:
30...Te1? Darüber wird der Inder in Solinger Diensten noch lange fluchen. 30...Kg7 und alles ist in Ordnung. 31.Da3+ Ke8 31...Kf7 32.Db3+ Kg7 33.Db4! und dank des Angriffs auf den Turm dringt die weiße Dame über e7 in die schwarze Stellung ein und gewinnt in Verbund mit dem Turm den Bauern f6. 32.Db3 f5
32...Txe4
Wojtaszek-Sandipan Analysediagramm
hatte Schwarz mit Sicherheit zu Beginn geplant, wurde sich nun aber bewußt, dass es nach 33.Dg8+ Kd7 34.Dg7+! Kc8 (34...Te7? scheitert leider an dem hübschen Detail 35.Td4+) 35.Txf6 Dd7 36.Tf7 Dc6 37.Dg8+ Te8 38.Dxh7 perspektivlos bergab geht. 33.Dg8+ Kd7 34.Dxh7+ Kc8 35.Dh8+ Kc7 36.De5+ Kd7 37.h5 Dc4 38.hxg6
und Schwarz gab auf, da er zuerst matt gesetzt wird. 38.hxg6 Df1 39.Dxf5+ Kc6 40.Dd5+ Kb6 41.Tf6+ Ka7 42.Dc5+ Kb8 43.Tf8# 1-0
Radoslaw Wojtaszek
Auf Platz 3 in der Tabelle steht momentan die SG Trier, die heute gegen Dortmund noch einmal nachlegten und dabei sicher nicht schlecht staunten, dass plötzlich nicht weniger als 3 neue Großmeister am Brett saßen. Ob die Herren Markus, Heberla und Hera durch den Bahnstreik ausgebremst waren oder wirklich als „Wunderwaffe“ gegen Trier im Hotel versteckt wurden, entzieht sich (noch) unserer Kenntnis, auf jeden Fall dürfte die Vorbereitung damit komplett zusammengebrochen gewesen sein. Felix Graf, Trierer Neuzugang aus München zeigte sich flexibel und überraschte Heberla mit dem „Karjakin-Angriff“ (vielleicht wird es wirklich irgendwann mal so heißen) 1.d4 2.Sc3 3.Lg5 und krönte sein gutes Wochenende mit dem ersten GM-Skalp. Nach zwei nicht so unglaublich erfolgreichen Jahren hat sich der Rumäne Mircea Parligras etwas weiter hinten aufstellen lassen und holte sich dort gegen GM Eckhard Schmittdiel seinen zweiten vollen Punkt. Nach vielen Jahren des Abstiegskampfes hat man nun mit der bestmöglichen Aufstellung ein klares Zeichen gesetzt und ist dafür belohnt werden. Es ist nur zu hoffen, dass es nicht zu zu großer Wettbewerbsverzerrung kommt, wenn im Laufe der Saison deutlich schwächere (und kostengünstigere) Aufstellungen gewählt werden. Für Dortmund auf jeden Fall waren die Trierer zu stark.
Das 4 – 4 zwischen den SF Katernberg und Hockenheim war heiß umkämpft, das Schlachtenglück wogte mal hier hin und mal dort hin. Einst war Andrei Volokitin der gefürchtete Jungspund, der unabhängig von Farbe und Gegner voll auf Angriff spielte, aber der ganze große Durchbruch, womit der Elosprung über 2700 gemeint ist, ist ihm leider noch nicht gelungen. Dafür saß ihm diesmal mit Richard Rapport praktisch einer seiner Nachfolger gegenüber und diese Partie musste heiß werden. Nach gutem Kampf reichten sich beide friedlich die Hand. Nazar Firman und Dr. Christian Scholz gewannen für die Essener, auf Hockenheimer Seite punkteten Rainer Buhmann und Tamasz Banusz, vor allem der Schwarzsieg von Christian Scholz gegen den Italiener Sabino Brunello (herzlich willkommen in der rauen Welt der Bundesliga) gefiel gut.
Mit der 3. und 4. Runde der SBL geht es weiter am 8. und 9. November. Am Wochenende, an dem auch die WM zwischen Carlsen und Anand in Sotschi beginnt.
Alle Ergebnisse der 2. Runde auf einen Blick
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Von Andreas Albers