Der israelische Großmeister Evgeny Postny ist ein echter Weltenbummler und hochkarätiger Schachprofi. In Israel spielt Postny für den Be’er Scheva Chess Club, mit dem er seit 2009 fünfmal am European Club Cup teilnahm. In der deutschen Schachbundesliga vertrat der sympathische Schachmeister bislang den SC Eppingen, die SF Katernberg und den SK Schwäbisch Hall. Evgeny weist darüber hinaus eine beeindruckende Turnierbilanz auf und vertrat sein Heimatland sowohl auf Schacholympiaden als auch Mannschaftsweltmeisterschaften.
Ulli Geilmann und Evgeny Postny sind befreundet. Von daher brauchte es nur wenig Überredungskunst, ihn zu einem Interview für die Schachbundesliga zu verleiten. Das Interview wurde auf Englisch geführt und danach in Deutsche übersetzt.
Ulli Geilmann (UG): Hallo Evgeny! Wo bist Du im Moment?
Evgeny Postny (EP): Hallo Ulrich! Im Moment bin ich in Griechenland, in einem kleinen Ort in der Nähe von Thessaloniki
UG: Bereitest Du Dich auf ein Turnier vor?
EP: Irgendwie schon. Ich habe vor kurzem ein Turnier in Leiden (Niederlande) beendet und verbringe nun ein paar Tage Urlaub am Meer bevor ich dann an dem starken Open in Kavala teilnehmen werde.
UG: Okay! Wann hast Du eigentlich angefangen, Schach zu spielen und wie ging es dann weiter?
EP: Ich wurde in Novosibirsk (Russland) geboren und habe das Schachspiel von meinem Vater erlernt als ich 5 Jahre alt war. Im Jahr 1995 wurde ich sowohl in Russland als auch in Israel U-14 Landesmeister. Zwischen den beiden Meisterschaften emigrierte meine Familie nämlich nach Israel, was sich als richtige Entscheidung entpuppte. Meine weitere schachliche Entwicklung verlief dann allerdings nicht so schnell. Ich studierte zunächst Mathematik, wobei ich der jüngste Student der Universität Haifa war. Mit 16 entschied ich mich dann aber, mein Studium zu beenden und mich stattdessen voll auf Schach zu konzentrieren. Es war ein risikoreicher Schritt, aber ich glaube, dass es unmöglich ist, ernsthaft zu studieren und gleichzeitig auf hohem Level eine Schachkarriere anzustreben. Zu dieser Zeit lag meine Elo-Zahl allerdings nur knapp über 2200. Aber es hat sich ausgezahlt. Nach einigen Auf und Abs wurde ich dann im Jahr 2002 Großmeister. Etwa seit dieser Zeit kann ich mich zu recht als Schachprofi bezeichnen. Es ist ein harter Beruf, aber ich genieße ihn sehr, denn meine Schachkarriere gibt mir ein fantastisches Gefühl von Freiheit.
UG: Eine interessante Karriere. Irgendwann hattest Du dann auch die Chance in der deutschen Schachbundesliga zu spielen.
EP: Im Jahr 2005 begann ich damit, E-Mails an mehrere Teammanager zu senden und irgendwann erhielt ich dann eine Einladung vom SC Eppingen. Es war eine angenehme Erfahrung, denn ich wurde von dem Club sehr freundlich aufgenommen. Nach zwei Jahren verbrachte ich dann zwei persönlich sehr erfolgreiche Spielzeiten bei den SF Katernberg. Dann, im Jahr 2009, ging ich zurück nach Eppingen. Leider entschied sich das Management des SC Eppingen dann in 2015 zu einem freiwilligen Abstieg aus der 1. Bundesliga. Daher habe ich mich nach einem neuen Verein umgesehen und fand den SK Schwäbisch Hall. Dort fühle ich mich sehr wohl.
UG: Hast Du übrigens schachliche Vorbilder?
EP: Ich habe sehr viel von den großen Spielerpersönlichkeiten der Schachgeschichte gelernt, könnte aber nicht sagen, wen ich eigentlich als mein Vorbild ansehe. Vielleicht hatten aber die Partien von Bobby Fischer und Anatoly Karpov den größten Einfluss auf mich.
UG: Ich erinnere mich gut an eine Partie von Dir in Remagen. Der Kampf war entschieden und Du hattest ein Endspiel auf dem Brett, das man gut und gerne hätte remisieren können. Trotzdem hast Du alles versucht, um zu gewinnen. Ist das der Unterschied zwischen Meister und Amateur?
EP: Ja, das ist 8 Jahre her. Ich spielte gegen Tigran Gharamian. Ich hatte einen Mehrbauern in einem Endspiel, das ich dann aber nicht in einen vollen Punkt ummünzen konnte. Und obwohl wir das Match in der Tat schon gewonnen hatten, versuchte ich mein Bestes, um zu gewinnen. Mir ging es dabei natürlich ebenso um mein Rating. Andererseits halte ich es aber auch für meine Pflicht als Profi, alles zu versuchen, auch wenn ich letztlich nur eine kleine Chance sehe, zu gewinnen. Dabei ist es mir total egal, wie viele Partieformulare ich auch immer verbrauche, um das zu erreichen. In der Partie brauchten wir übrigens jeweils 3. Ich bin ein Kämpfer! Ja, und ich denke, genau das macht den Unterschied zwischen einem Profi und einem Amateur aus. Aber das ist natürlich nicht der einzige Unterschied. Nur ein professioneller Schachspieler und echter Sportsmann kann das verstehen und den inneren Wert einer solchen Gewinnpartie zu ermessen. Außerdem fühlt man sich natürlich fantastisch, wenn man gewinnt!
UG: Ja, genau! Und ich musste nach der Partie hungrig ins Bett!
EP: (lacht) Ja, mein Gegner hat sich gut verteidigt! Die Partie dauerte über 7 Stunden. Du hast es ja überlebt. Es war unser Sonntagsspiel und immerhin warst Du noch so nett, mich zum Duisburger Hauptbahnhof zu fahren. Danach hast Du vermutlich Dein Mittag- und Abendessen kombiniert. Übrigens, um ein derartiges Risiko künftig auszuschließen, spielen Tigran und ich nun im gleichen Bundesligateam!
UG: Die Schachbundesliga wirbt damit, die stärkst Liga der Welt zu sein. Stimmt das?
EP: Ja, das stimmt wohl, vor allem, wenn man die Meldelisten der Bundesliga mit anderen Ligen vergleicht. Aber anderseits haben viele Vereine dadurch auch finanzielle Probleme und können auch nicht immer mit ihren besten Mannschaftsaufstellungen antreten.
UG: Du verfügst ja über einschlägige Erfahrungen. Wenn Du die Schachbundesliga mit anderen Ligen in der Welt vergleichst, was ist besser und was ist schlechter?
EP: Ich habe schon in vielen europäischen Ligen gespielt und kann sagen, dass die Schachbundeslia ein gutes Beispiel dafür ist, wie man einen Ligabetrieb organisieren sollte. Alle Runden starten pünktlich, alle Partien werden live im Internet übertragen, es gibt freie Snacks und Getränke für die Spieler und normaler Weise separate Tische für jedes Brett, was wiederum einen komfortablen Platz für jeden Spieler bedeutet. Zwar haben nicht alle Gastvereine dabei das gleiche Niveau, aber überall wird normaler Weise ein hoher Standard gewährleistet. Was sollte man verbessern? Nun, ich persönlich würde es begrüßen, wenn die Runden am Sonntag um 11.00 Uhr beginnen würden, statt so früh um 10.00 Uhr. Aber ich verstehe natürlich auch, dass die meisten Spieler direkt nach dem Match abreisen wollen. Vielleicht wäre es auch gut, bei den Liveübertragungen eine Partiekommentierung in Deutsch und Englisch anzubieten, die mit Spielerinterviews ergänzt werden könnten. Dies würde zu noch mehr Publicity für die Schachbundesliga bedeuten.
UG: Für welchen Verein wirst Du dieses Jahr antreten?
EP: Ich werde auch in der kommenden Saison für den SK Schwaebisch Hall spielen.
UG: Ich wette, Dein Verein wird bei der Meisterschaft ein gewichtiges Wort mitreden!
EP: Ich hoffe doch! Im letzten Jahr belegte unser Team des 4. Platz, aber während der Saison war mehr drin!
UG: Und nun mal was völlig anderes: Hast Du eigentlich ein Hobby?
EP: Im Moment nicht. In meiner Freizeit höre ich gerne gute Musik, aber ich würde das nun nicht ein Hobby nennen.
UG: Dein Lieblingswitz bitte!
EP: (lacht) Oh, gemeine Frage! Gar nicht so einfach, auf die Schnelle einen auszuwählen. Okay, hier kommt einer meiner Lieblingswitze, den ich aus meiner sibirischen Heimat mitgenommen habe: “Es scheint heute ziemlich kalt zu sein. Ich habe gerade sogar einen Politiker gesehen, der seine Hand in seiner Tasche hatte!“.
UG: (schmunzelt) Okay! Dann bleibt mir jetzt nur noch, Deinem Team und Dir eine gute Saison zu wünschen! Vielen Dank!
EP: Vielen Dank, Ulrich! Beste Grüße vom Globetrotter!