Umkämpfter Sonntag

Erstellt am: 13.10.2013
Die 2. Runde der Schachbundesliga bot genau das, weshalb man das königliche Spiel so liebt. Umkämpfte Partien, dramatische Zeitnotschlachten, spannende Kämpfe und verrückte Stellungen. Eine Zusammenfassung der Ereignisse an den Spielorten Emsdetten, Bremen, Berlin und München.

Baden-Baden wieder vorne weg

Gleich nach der 2. Runde ist die OSG Baden-Baden das einzige verlustpunktfreie Team der Liga. Während sich die starke Konkurrenz die Punkte gegenseitig abnahm, hatte der Deutsche Meister keine Probleme nach Emsdetten auch die Sportfreunde Katernberg zu besiegen. An den ersten Brettern hielten die Essener mit ihren starken ausländischen Spielern noch dagegen, doch dann kam die Flut und es hieß schnell 6:2.

Der SK Turm Emsdetten ging nominell favorisiert in den Kampf gegen Hockenheim und wurde den Erwartungen gerecht. Anish Giri besiegte wie im Vorjahr Rainer Buhmann am Spitzenbrett und seine Kollegen Ipatov (irgendwann mit nettem Königsmarsch übers Brett), Spoelman (kurz und knackig die geschwächte Königsstellung Riblis auseinander genommen) und Pruijssers sorgten für weitere Siege. Dem Holländer gelang gegen Vasily Papin ein schöner Schlussspurt.

Pruijssers,Roeland (2529) - Papin,Vasily (2512)
SBL 2013/14 SV Hockenheim-SK Turm Emsdetten, 13.10.2013


Stellung nach 35...Sd3:

Weiß hat offensichtlich einen starken Angriff gegen die schwarze Königsstellung aufgebaut und muss jetzt "nur noch" den Sack zumachen. 36.Sd7! Lenkt den Läufer ab. 36...Lxd7 37.Sxf7+ Kg8 38.Sh6+ Kh8 39.Sf7+ Kg8 40.hxg6! Schwarz steht auf Verlust, es droht allerlei. 40...h5 41.Sh6+ Kh8 42.Sf7+ Kg8 43.Dxh5 Te5 44.Sh6+

und Schwarz gab auf, da auf 44...Kh8 45.Txf8+ folgt. 1-0

Bremen im Glück, Hamburg stark

Das Quentchen Glück, das Bremen in der 1. Runde gegen Solingen fehlte, erkämpften sich die Norddeutschen im Kampf gegen Trier. Es sah im Weserstadion lange nach einem 4:4 oder sogar einem knappen Sieg für die Domstädter aus, doch dann drehte sich alles in der entscheidenden Partie an Brett 7.

Markgraf,Alexander (2483) - Cioara,Andrei-Nestor (2455)
SBL 2013/14 SG Trier-Werder Bremen, 13.10.2013


Stellung nach 35.Txe3:

Unglaublich, aber Schwarz wird dieses Endspiel bald verlieren. 35...Tce4?! 35...Td8! 36.d7 Kf8 37.Tde1 und vielleicht übersah Schwarz geschockt von der Mattdrohung, dass nun 37...Te4 38.Txe4 fxe4 39.Txe4 Txd7 zu einem Turmendspiel mit Mehrbauern führt. 36.Ta3 Ta4 37.Txa4 bxa4 38.Kc2 g6?! 38...f6 39.Kc3

39...Kg7?? 39...Kf8 40.Kc4 Te4+ 41.Kd5 Ke8 und Weiß sollte genug Gegenspiel haben, um das Remis zu erreichen. 40.d7 Dieser Zug mit Tempogewinn wäre bei 39...Kf8 nicht möglich gewesen, da der Bauer sofort verloren gegangen wäre. Jetzt kommt der schwarze König nicht mehr rechtzeitig. 40...Td8 41.Kc4 Kf6 42.Kc5 f4 43.Kd6 g5 44.h3 Th8 45.Te1 Kf5 46.Te8 Txh3

47.Te5+! Diese kleine letzte Pointe musste Weiß noch sehen, um bei einem Turmschach auf d3 den eigenen Turm auf der 5. Reihe dazwischen zu stellen. 47.d8D?? Td3+ 48.Kc5 Txd8 49.Txd8 f3 und Weiß kann die Bauern nicht aufhalten. 1-0

Dank dieses Sieges ging Bremen mit 4:3 in Führung, doch Constantin Lupulescu besaß gegen Laurent Fressinet einen Mehrbauern im Turmendspiel. Der Rumäne kämpfte lange um den Sieg, doch der Franzose verteidigte sich bravourös und hielt den Sieg für die Gastgeber fest.

Die SG Solingen und der Hamburger SK trennten sich 4:4 - insbesondere für die Hansestädter ein Erfolg. Zuerst patzte Sune Berg Hansen eine Figur ein.

Nikolic,Predrag (2620) - Hansen,Sune Berg (2567)
SBL 2013/14 SG Solingen-Hamburger SK, 13.10.2013


Stellung nach 25.dxe5:

25...bxc5?? Schwarz "vergaß" völlig, dass sein Springer angegriffen ist und gab, nachdem er sein Malheur sah, sofort auf. 25...Sd7 hätte stattdessen zu einer völlig annehmbaren Stellung für Schwarz geführt. 1-0

Den Lapsus des Dänen machte Dirk Sebastian wett, allerdings nicht ohne Zutun seines Gegners.

Sebastian,Dirk (2449) - Hoffmann,Michael (2462)
SBL 2013/14 SG Solingen-Hamburger SK, 13.10.2013


Stellung nach 24...Lc6:

25.Td8?? Schwarz darf den Turm wegen 26.Dxf6+ nicht nehmen. 25...De7?? Nach 25...Se8! hätte Weiß wegen seiner schwachen Grundreihe aufgeben können. Er verliert den Springer, um das Matt abzuwehren. 26.Sf4 e5-+ 26.Txf8+ Dxf8 27.Sg3 Jetzt hat der Anziehende einen soliden Mehrbauern. 27...Dd8 28.h3 Dd4 29.Df4 Kg7 30.Lxe6 1-0

Für Hamburg war Bremen eine Reise wert. Mit drei Punkten im Koffer - gegen so starke Gegner - wird das Abstiegsgespenst in dieser Saison wohl andere Opfer suchen müssen. Ernste Kunde gibt es dagegen aus Solingen. Dem, neben Hamburg, einzigen Gründungsmitglied, das noch in der Bundesliga spielt, droht der Rückzug nach der Saison. Der langjährige Teamchef, Herbert Scheidt, äußert sich in diesem Interview mit der Rheinischen Post.

Punkt für alle in Berlin

In Berlin ging es in der 2. Runde besonders spannend zu. Der SC Viernheim ging gegen König Tegel zwar mit 3,5:0,5 in Führung, doch die Gastgeber holten Punkt für Punkt auf und sicherten sich ein verdientes Unentschieden.

In einem vorweggenommenen Abstiegsendspiel trennten sich der SV Griesheim und die SF Berlin ebenfalls mit 4:4. Bei den Hessen überzeugte an diesem Wochenende mit 2 aus 2 insbesondere Ivan Farago. Der ungarische Senior ließ dem Berliner Neuzugang, Matthias Dann, keine Chance.

Farago,Ivan (2484) - Dann,Matthias (2450)
SBL 2013/14 SV Griesheim-SF Berlin, 13.10.2013


Stellung nach 18...Lb7:

19.Txc5! Basiert auf der Randstellung des Springers. 19...d6? 19...bxc5 war Pflicht. 20.Lc3 (20.Td1 mit der starken Drohung auf der 7. Reihe einzudringen, scheint noch stärker zu sein. 20...d5 21.Lc3 a6 22.Lxa5 axb5 23.Le1 mit großem weißen Vorteil) 20...a6 21.Lxa5 axb5 22.Dc7 mit weißem Vorteil war die weiße Idee. 20.Dxg7+! Weiß wickelt ab. 20...Dxg7 21.Lxg7 Kxg7 22.Tc7+ Weiß hat einen gesunden Mehrbauern und die bessere Stellung. 1-0

Medvegy: Mann des Tages

In München stand das Spitzenspiel zwischen dem SV Mülheim Nord und dem SC Eppingen auf dem Programm. Die Westdeutschen gingen verdient mit 2:1 Siegen in Führung. Pavel Tregubov (mit seinem geliebten Wolga-Gambit) und Michael Feygin (nahm Rucks Caro-Kann auseinander) sorgten auf Mülheimer Seite und Maxim Rodshtein (wehrte Landas Angriff trocken ab) auf Eppinger Seite für die vollen Punkte. Es stand 4:3 und dann kam Zoltan Medvegy.

Medvegy,Zoltan (2536) - Hausrath,Daniel (2532)
SBL 2013/14 SV Mülheim Nord-SC Eppingen, 13.10.2013


Stellung nach 35.Txd2:

Das ist nicht wirklich eine Stellung, die man verteidigen möchte. Aber es ist auch keine Stellung, die man gerne spielt, wenn man unbedingt gewinnen muss. Objektiv sollte das remis sein, doch natürlich kann man das lange weiterspielen mit Weiß. Medvegy probierte alles und schaffte nach weit über 100 Zügen - einige Züge müssen wohl noch nachgetragen werden - eine Gewinnstellung zu erreichen und das 4:4 für seine Mannschaft zu erzielen.

Zoltan Medvegy - Eppingens Held (zumindest für einen Tag)

Im zweiten Spiel in der bajuwarischen Hauptstadt siegte der SV Wattenscheid mit 5,5:2,5 gegen Bayern München. In diesem Kampf produzierte Mateusz Bartel bei seinem Sieg gegen Michael Bezold ein sehr schönes Schlussbild, in dem die unterschiedliche Königsstellung frappierende Folgen hat.

Bezold,Michael (2524) - Bartel,Mateusz (2638)
SBL 2013/14 SV Wattenscheid-Bayern München, 13.10.2013


Stellung nach 41...h5:

Weiß ist gegen 42...h4 machtlos. Entweder läuft der Bauer durch, oder die schwarze Dame dringt nach dem Tausch über die 1. Reihe ein. 0-1

In der Schachbundesliga geht es weiter mit der 3./4. Runde am 23. und 24. November 2013, dann an den Spielorten Hamburg, Solingen, Mülheim und Baden-Baden.

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Über den Autor

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Georgios Souleidis ist Internationaler Schachmeister und hat in Bochum Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Er arbeitet als Journalist, Autor und Schachtrainer. Er schreibt u.a. als Chefredakteur für die Schachbundesliga, für Chessbase, die Zeitschrift SCHACH, SPIEGEL ONLINE oder die Deutsche Presse-Agentur. Falls er mal nicht schreibt, Training gibt oder auf seinem YouTube-Kanal Schach lehrt, versucht er aktiv am Brett zu beweisen, dass 1. e2-e4 der beste Eröffnungszug ist.