Figurenopfer, Freibauern und erlegte Könige

Erstellt am: 12.03.2016

Die 10. Runde der Schachbundesliga sah zahlreiche einseitige Duelle. Solingen und Baden-Baden setzten sich jeweils mit 7:1 durch und grüßen weiter von der Tabellenspitze. Spannung kam nur in den Kämpfen zwischen Hockenheim und Berlin sowie Mülheim und Trier auf. Den Hauptstädtern gelang dabei ein knapper Sieg, womit sie sich Luft im Abstiegskampf verschafften. Eine Zusammenfassung der Ereignisse an den Spielorten Emsdetten, Dortmund, Norderstedt und Griesheim.

Die OSG Baden-Baden ließ nach zuletzt teilweise durchwachsenen Leistungen alte Stärke aufblitzen und überrante den SK Turm Emsdetten in dessen Heimstätte mit 7:1. Zu einem schnellen Erfolg kam Alexei Shirov, der das Opferspiel von Twan Burg ad absurdum führte. Es folgte ein Remis an Brett acht, bevor Francisco Vallejo Pons und Etienne Bacrot für den deutschen Meister auf 3,5:0,5 erhöhten. Der Spanier glänzte mit feinem Positionsspiel, bevor er den Sieg mit taktischen Mitteln unter Dach und Fach brachte.

Vallejo Pons,Francisco (2689) - Janssen,Ruud (2479)
SBL, SK Turm Emsdetten - OSG Baden-Baden, 12.03.2016


Stellung nach 27...Tc8:

28.Tc5! Nur so. Bei einem Turmtausch drohte die Stellung zu verflachen. 28...Lc6 28...Sxc5?! ist tabu wegen 29.dxc5 De6 30.Lxb5 Ta8 31.Ld4+- Die weißen Leichtfiguren dominieren das Brett und die Freibauern sind nicht aufzuhalten. 29.Lxb5! Sxc5 30.dxc5 Dxb5 31.Lxf6 Lxf6 32.Dxf6 De2

Jetzt vollführen die weißen Springer ein nettes Tänzchen. 33.Se5 Le8 34.Sdf3 d4?! 34...Db2 war zäher. Die Dame fesselt den Springer e5 und verhindert 35.Sg4. Weiß behält Vorteil nach z.B. 35.Df4, doch die Sache ist deutlich komplizierter als in der Partie. 35.Sg4 d3 36.Sxh6+ Kh7 37.Sg4 Kg8 38.Sg5 Kf8 39.Sh6

und Schwarz kann das Matt nicht abwehren. 1-0

Francisco Vallejo Pons | Foto: Georgios Souleidis
Francisco Vallejo Pons | Foto: Georgios Souleidis

Danach trennten sich Michael Adams und Mikheil Mchedlishvili am Spitzenbrett remis, bevor Arkadij Naiditsch, Radoslaw Wojtaszek und Liviu-Dieter Nisipeanu ihrer Gegner im Endspiel besiegten. "Nisi" brillierte dabei eindrucksvoll mit einem starken Läuferpaar.

Mit 7:1 gewann auch Werder Bremen gegen Bayern München. Schon nach knapp drei Stunden hieß es 4:0 nach Siegen von Laurent Fressinet, der Bischoffs verlaufenen Springer einfing, Matthias Blübaum, Romain Edouard und Jan Werle. Besonders schön war das Ende an Brett vier.

Bluebaum,Matthias (2580) - Belezky,Alexander (2455)
SBL, Werder Bremen - Bayern München, 12.03.2016


Stellung nach 23...g6:

24.Tc6! Wie Vallejo Pons bietet Bluebaum ein Qualitätsopfer auf der c-Linie an. Weiß besaß allerdings in 24.g3 eine starke Alternative. 24...Se8 24...Lxc6 25.dxc6 Se8 26.Lg4 Kf8 27.Le6 ist besser für Weiß, aber noch nicht gewonnen. 25.Lg4 Kf8 Schwarz bastelt am Selbstmatt, wie wir gleich sehen werden. 26.f3 26.Le6 Lxc6 27.dxc6 mit Übergang in die nach 24...Lxc6 angegebene Variante war möglich. 26...Ke7? Schwarz musste irgendwann die Qualität nehmen. 27.Da1! Plötzlich hängt der Bauer e5. 27...Kf6? 27...Lxc6 28.Dxe5+ Kf8 29.Dh8+ Ke7 30.e5!+-

28.Dxe5+! Ein selten schönes Schlussbild. Schwarz gab auf wegen 28...Kxe5 29.Lb2# 1-0

Matthias Bluebaum
Matthias Bluebaum | Foto: Georgios Souleidis

Für Bremen punkteten auch Zahar Efimenko, David Smerdon und Alexander Markgraf voll. Nur Luke McShane musste in den sauren Apfel beißen. Sein Gegner Michael Fedorovsky opferte in einer Drachenvariante drei Bauern für einen Läufer und setzte seine Freibauern im Endspiel erfolgreich in Gang. Diese Partie könnte auch theoretisch interessant gewesen sein.

Am Sonntag kommt es zum Spitzenkampf zwischen Baden-Baden und Bremen. In der Aufstellung vom Samstag geht der deutsche Meister favorisiert ins Rennen.

Solingen im Schnelldurchlauf

Die SG Solingen beendete als erstes der siegreichen Teams mit einem 7:1 gegen Dortmund seinen Arbeitstag. Predrag Nikolic brachte seine Mannschaft nach knapp drei Stunden in Führung.

Nikolic,Predrag (2606) - Mainka,Romuald (2417)
SBL, SC Hansa Dortmund - SG Solingen, 12.03.2016


Stellung nach 22...b6?:

23.Lxe7! Weiß erhält zwei Bauern für den Läufer, von denen einer ein starker Freibauer ist. 23...Txe7 24.dxc6 Te8 Schwarz musste wohl oder übel den Springer geben für den Freibauern. 24...Sxc6 25.Txc6± 25.c7+- Weiß steht auf Gewinn. 25...Taa8 26.Sd5 Tac8 27.Sxb6 Lf6 28.b4 1-0

Predrag Nikolic
Predrag Nikolic | Foto: Georgios Souleidis

Nach Siegen von Pentala Harikrishna, Jan Smeets und Alexander Naumann und einem Remis an Brett zwei stand der Solinger Erfolg nach etwas über vier Stunden schon fest. Neben Leon Mons durfte sich immerhin das Küken im Dortmunder Team, Kevin Schröder, über ein Remis gegen einen starken Großmeister freuen.

Einen spannenden Kampf lieferten sich der SV Mülheim Nord und die SG Trier. Nach fünf Remis stand es 2,5:2,5. Dann brachte Alexander Berelowitsch die Mülheimer mit einem Sieg gegen Felix Graf in Führung. Berelowitsch setzte sich in einem schwierigen Turmendspiel durch. Gleichzeitig war es sein erster persönlicher Erfolg in dieser Saison. Den Schlusspunkt setzte beim Stand von 4:3 Pavel Tregubov durch einen Sieg gegen Viktor Erdos am Spitzenbrett. Für Mülheim war dieses 5:3 der erste doppelte Punktgewinn nach vier sieglosen Kämpfen. Pünktlich zum Spitzenkampf gegen Solingen am Sonntag scheint Mülheim wieder in Form. Allerdings starten die Klingenstädter nominell als Favorit, geht man von den Aufstellungen am Samstag aus.

Hamburg sichert Klassenerhalt

In Norderstedt richtete sich das Hauptaugenmerk auf den Kampf zwischen dem Hamburger SK und dem Erfurter SK. Der HSK ging favorisiert ins Rennen, doch nach ungefähr drei Stunden konnten die Thüringer frohgemut in die Zukunft schauen. An den Brettern sechs und sieben trennte man sich remis und in den restlichen Partien hatte Erfurt einige gute Stellungen erspielt. Plötzlich wendete sich aber das Blatt und die Hamburger feierten einen Sieg nach dem anderen. Sune Berg Hansen sorgte für die Führung, die Jonathan Carlstedt ausbaute, nachdem Thomas Casper unter Druck ein kapitaler Fehler unterlief. Erfurt schaffte nur noch ein Remis an Brett drei, bevor auch die Spitzenbretter nach sehr verwickeltem Verlauf an die Norddeutschen gingen - eine Analyse der Partie Vovk-Duda finden Sie auf Chessbase. Den Schlusspunkt setzte Rasmus Svane, der früh besser stand und letztendlich verdient gewann. Hamburg hat nach dem 6,5:1,5 zehn Punkte auf dem Konto und kann den Rest der Saison ohne Druck durchspielen. Erfurt liegt mit fünf Punkten knapp vor Dortmund auf dem ersten Nichtabstiegsplatz und kämpft weiterhin um den Klassenerhalt.

Von ganz anderen Dingen träumt der SK Schwäbisch Hall. MIt etwas Glück kann das Team aus Baden-Württemberg sogar noch im Titelrennen eingreifen. Nach dem 6:2 gegen Norderstedt liegt Hall mit nur zwei Punkten Rückstand auf die Tabellenführer auf Platz drei. Zu einem schnellen Sieg kam Matthieu Cornette an Brett drei, der dem in der Brettmitte steckengebliebenen gegnerischen König den Garaus machte.

Cornette,Matthieu (2591) - Krause,Benedict (2289)
SBL, SK Norderstedt - SK Schwäbisch Hall, 12.03.2016


Stellung nach 24...Tf8:

25.Tc1! Bringt die letzte Figur in den Angriff. 25...Dxd4 26.Tc7 Kd8 27.Sxe6+! Schwarz verliert nicht nur die Dame, er wird bald matt gesetzt. 1-0

Matthieu Cornette
Matthieu Cornette | Foto: Georgios Souleidis

Berlin mit Big Point

Die Schachfreunde Berlin können nach dem 4,5:3,5 gegen Hockenheim für die kommende Saison in der SBL planen. Auf dem Papier galt Hockenheim vor dem Kampf als Favorit, doch gemäß den tatsächlichen Aufstellungen lief es auf einen knappen Kampf hinaus. Das Match begann für die Rennstädter verheißungsvoll, denn Alexander Moiseenko und Rainer Buhmann sorgten für ein schnelles 2:0. Daniele Vocaturo und Jan-Michael Sprenger glichen aber postwendend aus. Das Match kippte endgültig an Brett acht. Dort hatte Berlin den größten Elo-Vorteil, doch Lars Thiede tat sich gegen das Jugenbrett der Hockenheimer schwer. Erst in Zeitnot leistete sich Joel Niels de Silva einen schweren Fehler im Springerendspiel, bevor er in ein verlorenes Bauernendspiel abwickelte, das Thiede folgendermaßen zum Ende brachte:

De Silva,Joel Niels (2069) - Thiede,Lars (2437)
SBL, SV Hockenheim - SF Berlin, 12.03.2016


Stellung nach 41.Kxe2:

41...c5! Es war nicht zu spät, um zu patzen. 41...e3?? verliert wegen 42.b4! und Weiß schafft sich einen entscheidenden Freibauern. 42.Kf2 e3+ 43.Ke2 Ke4 Jetzt kommt Weiß in Zugzwang. Der Rest ist einfach. 44.c3 Kf4 45.Ke1 Kf3 46.Kf1 e2+ 47.Ke1 Ke3 48.b4 axb4 49.cxb4 cxb4 50.a5 b3 51.a6 b2 0-1

Lars Thiede
Lars Thiede | Foto: Georgios Souleidis

Beim Stand von 3:2 für Berlin versuchten die Hockenheimer Balogh, Baramidze und Braun das Ruder für ihr Team rumzureißen, doch alle konnten nur ein Remis beisteuern.

Der USV TU Dresden hat sich dank des 6:2 gegen SV Griesheim endgültig Richtung Mittelfeld abgesetzt. Die Sachsen traten vorne mit viel Elo an, doch sie erhielten tatkräftige Unterstützung von den hinteren Brettern. Jens-Uwe Maiwald sorgte mit seinem ersten Partiegewinn in dieser Saison für die Führung. Roven Vogel erhöhte bei seinem ersten Bundesligaeinsatz für Dresden. Der U16-Weltmeister setzte sich gegen das Jugendbrett Vincent Spitzl durch, bevor Maximilian Neef in einem weiteren Duell zweier Youngster gegen Robert Baskin gewann. Der Drops war nach den zwei Unentschieden an Brett drei und vier endgültig gelutscht.

Griesheim liegt mit vier Zählern weiterhin auf Platz 14 und muss im Kampf am Sonntag gegen Berlin punkten, um realistische Chancen auf den Klassenerhalt zu wahren.

Ergebnisse der 10. Runde
Kreuztabelle
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Über den Autor

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Georgios Souleidis ist Internationaler Schachmeister und hat in Bochum Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Er arbeitet als Journalist, Autor und Schachtrainer. Er schreibt u.a. als Chefredakteur für die Schachbundesliga, für Chessbase, die Zeitschrift SCHACH, SPIEGEL ONLINE oder die Deutsche Presse-Agentur. Falls er mal nicht schreibt, Training gibt oder auf seinem YouTube-Kanal Schach lehrt, versucht er aktiv am Brett zu beweisen, dass 1. e2-e4 der beste Eröffnungszug ist.