Der SV Hofheim startet in der 2. Bundesliga West als einer der Favoriten auf den Aufstieg in die Schachbundesliga. Zum Auftakt der Saison glückte den Hessen ein überzeugender Sieg gegen die SG Bochum 31. Der Mannschaftsführer, Erik Zude, berichtet über das Match.
In der neuen Saison wurden wir das erste Mal seit langem in die 2. Bundesliga West gelost, nach Jahren im Süden. Früher war der Westen stärker, ein Blick auf die Mannschaftsmeldungen zeigt jedoch, dass die Zeiten wohl vorbei sind. Neben der praktisch erstligareifen SG Köln Porz, die ja bekanntlich nicht aufsteigen will, hat lediglich SC Hansa Dortmund vorne drei starke Großmeister gemeldet. Wir dürfen uns also Hoffnung machen, bei gutem Saisonverlauf und mit ein wenig Glück ‒ das braucht man immer! ‒ um den Aufstieg in die erste Liga spielen zu können.
Schon in der ersten Runde waren wir daheim gegen Bochum klarer Elofavorit, hatten doch an jedem Brett gute 100 Ratingpunkte mehr. Hofheim I ging auch sehr konzentriert und kraftvoll ans Werk, sodass der angestrebte klare und verdiente Sieg nie in Gefahr geriet.
GM Gennadi Ginsburg spielte an Brett 3 einen flotten Königsinder, in dem sich IM Etienne Goudriaan mit dem klassischen Zentrum d4, e4 und c4 aufstellte. Nach dem Abschließen der Brettmitte durch d4-d5 wählte er eine Formation mit frühem h2-h3 und g2-g4, was gegen den typisch Königsindischen Zentrumshebel ...f7-f5 gerichtet ist. Gennadi öffnete daher auf der rechten Brettseite das Spiel mittels ...c7-c6, wonach der weiße König in der Mitte bleiben musste. Als später doch noch die f-Linie geöffnet wurde, führte dies zum entscheidenden Angriff auf den nun hilflosen weißen Monarchen. 1:0!
FM Alexander Armbruster spielte an Brett 8 gegen Florian Stricker die Englische Eröffnung, 1.c4, was mit 1...e7-e5 beantwortet wurde. Zwar erreichte der Bochumer mit dem folgenden ...Lc5 und ...d7-d6 eine solide und feste Zentralstellung. Diese griff Alexander jedoch mit e2-e3, gefolgt von Sg1-e2 und f2-f4 an. Nach dem Tausch ...exf4, gxf4 (!) konnte er die g-Linie zum Angriff auf die schwarze Rochadestellung öffnen. Die Attacke führte er konsequent und zielstrebig und frei von allen Zeitnotproblemen zum Erfolg, 2:0!
Auch GM Andrei Volokitin, Gewinner einer Goldmedaille bei der diesjährigen Olympiade in Baku, konnte an Brett 1 klar überzeugen. Gerne hätte er die Najdorf-Variante im offenen Sizilianer gespielt, IM Willy Hendriks wich jedoch mit 3.Lc4 ab, wonach sich ein geschlossener Stellungstyp ergab. Andrei brachte seinen Damenläufer nach g4, bevor er mit ...e7-e6 Platz für die Entwicklung des Königsläufers machte. Später führte er mit dem Zentrumsvorstoß ...d6-d5 eine französische Struktur herbei, allerdings in einer für Schwarz günstigen Version. Die Fesselung des weißen Königsspringers sowie die halboffene f-Linie setzten den holländischen Buchautor und Trainer unter starken Druck, der letztlich in einem Fehler resultierte: 3:0 für Hofheim.
An Brett 4 erreichte IM David Lobzhanidze gegen die französische Verteidigung von Marlon Schlawin eine typische Isolanistellung. Schwarz hatte zwar sehr gute Zentrumskontrolle und einen starken Springer auf e4, die langfristige Anfälligkeit des isolierten Damenbauern ließ jedoch Hoffnung auf einen kleinen Vorteil. Kurz vor der Zeitkontrolle gelang dem Bochumer jedoch ein Figurenabtausch auf c4, wohin der Isolani dadurch befördert wurde, mit völligem Spielausgleich. 3½:½
Den Siegtreffer erzielte schließlich unser junger GM Jan-Christian Schröder an Brett 2. Ebenfalls in einem Tarrasch-Franzosen hatte sein Gegner, IM Jens Kotainy, nach dem Schließen des Zentrums durch e4-e5 den sofortigen Flankenangriff mit ...g7-g5 begonnen. Nach der Öffnung der Brettmitte mittels dxc5 und Sf3-d4 nutzte Jan-Christian den nach g5 vorgerückten Bauern um selbst mit f2-f4 den Hebel anzusetzen und die f-Linie zu öffnen. Den dabei geopferten Bauern gewann er mit einem spektakulären Figurenopfer auf e6 zurück, das aufgrund des drohenden Königsangriffs nicht angenommen werden konnte. Es brauchte allerdings auch danach noch einige präzise Züge des Hofheimers, um den gegnerischen König dauerhaft in der Mitte festzusetzen. Den Schlussangriff beendete Jan-Christian mit Matt! 4½:½
Auch FM Thore Perske musste heute taktisch auf der Höhe sein. An Brett 5 wurde der angestrebte Königsinder von seinem Gegner Joachim Hengelbrock mit dem Torre-Angriff unterbunden. Thore besetzte das Zentrum mit ...d7-d5 und griff es mit ...c7-c5 an, was ihm schon bald eine gute Version der hängenden Bauern auf d5 und c5 einbrachte, mit solider Überlegenheit im Zentrum. Joachim Hengelbrock opferte nun eine Figur um den schwarzen Königsflügel zu öffnen. Seine Kompensation sah nicht ausreichend aus, zwang Thore jedoch zu größter Sorgfalt. Er behielt jedoch alles unter Kontrolle und schließlich war es der Bochumer, der einen taktischen Schlag übersah. 5½:½
An Brett 7 wählte FM Patrick Burkart gegen den Königsbauer von Fatih Baltic die Aljechin-Verteidigung. Die Probleme des Raummangels löste er geschickt, indem er seinem Gegner den Damenläufer zum Tausch gegen einen Springer anbot. Im Mittelspiel konnte er bald Druck gegen den weißen d-Bauern machen. Zwar gewann er diesen beim Übergang ins Doppelturmendspiel. Der dabei in Kauf genommen eigene Doppelbauer auf der f-Linie ging daraufhin allerdings bald verloren. Patrick suchte noch bis zum Schluss nach Gewinnchancen, musste sich aber letztlich ins Remis fügen. 6:1
An Brett 6 eröffnete IM Erik Zude mit 1.c4, wonach Felix Werthebach mit 1...f5 den Übergang zur holländischen Verteidigung anbot. Nach den späteren d2-d3 und ...e7-e5 ergab sich jedoch ein geschlossener Sizilianer mit vertauschten Farben, in dem Weiß mit Tb1 und b2-b4-b5 den schwarzen Springer von c6 verjagte. Dieser wurde auf d4 getauscht, was schließlich zu einer für Weiß vorteilhaften Öffnung des Zentrums führte. In der Zeitnotphase konnte ich den schwarzen Bauern auf f5 zunächst isolieren und später gewinnen, allerdings erzwang ich angesichts der knappen Bedenkzeit dabei fehlerhaft den Damentausch. Im entstandenen Turmendspiel war aufgrund des aktiven schwarzen Turmes trotz Mehrbauer zunächst kein Vorankommen in Sicht. In der zweiten Zeitnotphase ergab sich jedoch, nach dem Opfer zweier Bauern für ein weit vorgerücktes Paar verbundener Freibauern, dann doch noch eine Gewinnmöglichkeit, die mir bei der knappen Bedenkzeit leider entging. 6½:1½
Hofheim I hat zum Saisonauftakt mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung überzeugt! An keinem Brett waren wir in Nachteil, und es hätte auch gut ein 7:1 werden können. Darauf gilt es nun aufzubauen!
(Erik Zude)
SV Hofheim 6½-1½ SG Bochum 31
1 GM Volokitin,Andrei 1 : 0 IM Hendriks,Willy 1
2 GM Schröder,Jan-Christian 1 : 0 IM Kotainy,Jens 2
4 GM Ginsburg,Gennadi 1 : 0 IM Goudriaan,Etienne 3
6 IM Lobzhanidze,David ½ : ½ Schlawin,Marlon 4
8 FM Perske,Thore 1 : 0 Hengelbrock,Joachim 5
9 IM Zude,Erik,Dr. ½ : ½ Werthebach,Felix 8
13 FM Burkart,Patrick ½ : ½ Baltic,Fatih 10
14 FM Armbruster,Alexander 1 : 0 Stricker,Florian 13
Weitere Infos:
Webseite des SV Hofheim
2. Bundesliga West beim Deutschen Schachbund