Die Entscheidungspartie: Vincent Keymer kommentiert

Erstellt am: 20.10.2019

An der dritten Großmeisternorm ist Supertalent Vincent Keymer von den SF Deizisau gleich mehrfach denkbar knapp vorbeigeschrammt. Unter anderem in der vergangenen Bundesligasaison. Hätte er die Serie mit einer Leistung von 2600 abgeschlossen, wäre er Großmeister geworden. Nach dem letzten Spieltag stand eine 2599 zu Buche.

 

(Titelfoto: John Saunders / Isle of Man Chess)

Jetzt hat es geklappt. Beim Grand Swiss auf der Isle of Man hat Vincent Keymer am Samstag die dritte Norm eingespielt. Gut drei Wochen vor seinem 15. Geburtstag brauchte Keymer einen halben Punkt aus seiner Partie in der neunten Runde gegen den russischen Großmeister Vadim Zvjaginsev. Diesen halben Punkt sicherte er sich letztlich souverän, nachdem die Eröffnung ein wenig wackelig ausgesehen hatte.
 
Die offizielle Verleihung des Titels durch den Weltverband FIDE ist jetzt nur noch Formsache. Vincent Keymer ist der jüngste Großmeister, den es jemals in Deutschland gab. In dieser Kategorie löst er Arkadi Naiditsch ab, der 2001 als 15-Jähriger Großmeister geworden war.
 
Vor den Kameras im Studio der Liveübertragung gab ein erleichterter Vincent Keymer den Zuschauern einen Einblick in seine Gedanken während der Partie. Wir haben mitgeschrieben und übersetzt: 
 
Nach 8...Le7.
Nach 8...Le7.
 
"8…Le7 ist wahrscheinlich nicht besonders gut. Er bekommt jetzt mit 9.g4, gefolgt von h4, genau den Angriff, den er haben will – und der zu seinem Stil passt. Zvjaginsev ist ein Angriffsspieler." (9...Sxg4 10.Tg1, der Bauer g7 ist wegen 8...Le7 ungedeckt, Anm. d. Red.)
 
Nach 11.h4.
Nach 11.h4.
 
"Das sieht schon schlecht aus für Schwarz. Der Läufer auf e7 steht komisch, während Weiß einfach seine Attacke fortsetzt."
 
Nach 16...Sxc4.
Nach 16...Sxc4.
 
"Hier dachte ich, dass meine Stellung wieder in Ordnung sein könnte. Jetzt habe ich das Läuferpaar…"
 
Nach 18...f6
Nach 18...f6
 
"…und komme zu 18…f6, was wichtig ist, um die schwarze Stellung zusammenzuhalten."
 
Nach 19...Lxf6.
Nach 19...Lxf6.
 
"Natürlich muss ich mit dem Läufer auf f6 schlagen. Keinesfalls darf sich der weiße Turm auf g7 einnisten. Ich bin davon ausgegangen, dass er zwar noch ein bisschen Vorteil haben sollte, habe mich aber schon deutlich komfortabler gefühlt. Der weiße Angriff ist weitgehend versandet."
 
Nach 22...Th5.
Nach 22...Th5.
 
"Schlüsselzug! Er hatte wahrscheinlich 23.Sg6 geplant, aber nach 23…Tf5 24.Dxd6 Lxb2+ 25.Kxb2 hängt f2 mit Schach, der Punkt von 22…Th5. Vielleicht hat er das übersehen, keine Ahnung."
 
Nach 24.exf4.
Nach 24.exf4.
 
"Er hat dann 23.Sf7 gespielt, aber jetzt bekomme ich nach 23…Dxf4 24.exf4 eine viel angenehmere Version dieses Endspiels."
 
Nach 26.Tde1.
Nach 26.Tde1.
 
"Trvial zu halten ist es allerdings noch nicht. Hier hatte ich 26…Kd7 geplant, sah dann aber, dass Weiß eine Taktik hat. Nach 27.Lxf6 gxf6 hätte Weiß 28.Sxe6, und ich verliere einen Bauern. 
 
Nach 26...Lxg5.
Nach 26...Lxg5.
 
"Also habe ich 26…Lxg5 gespielt. Wegen der ungleichfarbigen Läufer riecht es jetzt schon nach Remis."
 
Nach 29...e5.
Nach 29...e5.
 
"Der letzte Punkt, den Schwarz noch machen muss. Danach bin ich nicht mehr in Gefahr geraten."
 
Partie(n) zum Nachspielen: 
[Event "FIDE Chess.com Grand Swiss"] [Site "Comis Hotel, Isle of Man, Isl"] [Date "2019.10.19"] [Round "9.23"] [White "Zvjaginsev, Vadim"] [Black "Keymer, Vincent"] [Result "1/2-1/2"] [ECO "A17"] [PlyCount "100"] [EventDate "2019.??.??"] 1. c4 e6 2. Nc3 Nf6 3. Nf3 d5 4. e3 dxc4 5. Bxc4 a6 6. a4 c5 7. b3 Nc6 8. Bb2 Be7 9. g4 h6 10. Rg1 b6 11. h4 Nd7 12. Ne4 Nf6 13. Qb1 Bb7 14. g5 Nxe4 15. Qxe4 Na5 16. Qf4 Nxc4 17. bxc4 hxg5 18. hxg5 f6 19. gxf6 Bxf6 20. Ne5 Qd6 21. O-O-O O-O-O 22. d3 Rh5 23. Nf7 Qxf4 24. exf4 Rd7 25. Ng5 Re7 26. Rde1 Bxg5 27. Rxg5 Rxg5 28. fxg5 Kd7 29. g6 e5 30. Rxe5 Rxe5 31. Bxe5 Bf3 32. a5 b5 33. cxb5 axb5 34. Bxg7 Bh5 35. Bf8 Bxg6 36. Kd2 Kc6 37. a6 Kb6 38. Bxc5+ Kxa6 39. d4 Bf7 40. Ke3 Kb7 41. Ke4 Kc6 42. Ke5 Bc4 43. f4 Bb3 44. f5 Bc4 45. Bb4 Bb3 46. Bc3 Bc4 47. Kf6 Kd7 48. Kg7 Ke8 49. Kg6 Bb3 50. Kf6 Kd7 1/2-1/2


Über den Autor

Bild des Benutzers Conrad Schormann

Conrad Schormann, gelernter Tageszeitungsredakteur, betreibt in Überlingen am Bodensee ein Büro für Redaktion und Kommunikation. Beruflich hilft er Unternehmen, Verbänden oder Parteien bei der Außendarstellung. Ambitioniertes Schach hat er mangels Talent und Trainingseifer aufgegeben und auf Schach-Fan umgesattelt. Manchmal guckt er nicht nur zu, sondern schreibt auch noch darüber, in erster Linie auf seinem Blog, außerdem für die Schachbundesliga.