"Es wurde allmählich Zeit!"

Erstellt am: 04.06.2017

Der SV Hofheim stieg aus der 2. Bundesliga West in die SBL auf. Im Interview äußert sich der 1. Vorsitzende, Arno Zude, über die Rückkehr in die höchste deutsche Spieklasse.

SBL: Die SG Porz und der SV Würselen, die sich vor dem SV Hofheim in der 2. Bundesliga West platzierten, verzichteten auf den Aufstieg. Warum nahmen Sie als drittplatzierte Mannschaft das Aufstiegsrecht wahr?

Wir haben schon seit einigen Jahren auf den Aufstieg hingearbeitet. Das war zuletzt immer unsere Ambition gewesen. Auch wenn in der zweiten Saisonhälfte nicht alles rund lief, nehmen wir die Chance, die sich in letzter Minute doch noch bot, gerne wahr.

SBL: Erzählen Sie uns bitte ein wenig über den SV Hofheim.
 
Unser Verein wird demnächst 100 Jahre alt und ist mit ca. 140 Mitgliedern einer der größten Schachvereine in Hessen. Unsere 10 Mannschaften spielen von der Kreisklasse bis hinauf in die zweite bzw. nunmehr erste Liga, und auch unsere erste Frauenmannschaft ist gerade in die 1. Frauenbundesliga aufgestiegen! Wir sind sehr aktiv in der Jugendarbeit mit mehr als 30 Kindern und Jugendlichen und wöchentlichen Trainingseinheiten in mehreren Gruppen, darunter auch zwei mit IM David Lobzhanidze. Neben einigen Vereinsturnieren richten wir jedes Jahr mehrere offene Turniere aus, darunter seit fast 20 Jahren ein Jugend-Open mit zuletzt mehr als 90 Teilnehmern und mittlerweile zum fünften Mal das Frühjahrs-Open mit mehr als 160 Teilnehmern.

SBL: Der SV Hofheim spielte schon fünf Mal, zuletzt in der Saison 2004/05, in der Schachbundesliga. Sie und ihr Bruder waren schon 1989/90 in der höchsten deutschen Spielklasse dabei. Wie fühlt sich die Rückkehr an?

Es wurde allmählich Zeit! Wir fühlen uns (bisher) zwar in der 2. Bundesliga an der richtigen Stelle, aber warum sollte man überhaupt vorne mitspielen, wenn man dann nicht auch aufsteigen will? Die 1. Liga ist ein ganz anderes Kaliber und wir haben schon fast vergessen, wie es ist, dort zu spielen (die erfolgreichen Momente wie auch die anderen …). Diese Erfahrung möchten wir nun auffrischen!
 
In den 90er Jahren war ich noch an Brett 1 gesetzt und durfte dort gegen Koryphäen wie Boris Spassky und Vladimir Kramnik spielen. Zwar nicht gegen diese beiden, aber doch gegen andere Großmeister war ich dabei durchaus erfolgreich. Bei unseren früheren Spielzeiten in der 1. Liga waren mein Bruder und ich nur als Spieler tätig, diesmal sind wir auch Mannschaftsführer bzw. Vereinsvorsitzender, das verändert die Perspektive. Wir freuen uns, dass wir nun insbesondere unseren jungen Spielern die Gelegenheit bieten können, gegen absolute Topspieler anzutreten!

SBL: Eine Bundesligasaison ist für einen Schachverein eine echte Herausforderung, sowohl finanziell als auch organisatorisch. Wie ist der Rückhalt innerhalb des Vereins für das Projekt 1. Liga?

Unsere 1. Mannschaft spielt seit Jahren in ziemlich konstanter Besetzung zusammen und ist gut in den Verein integriert. Die Entscheidung, in der 1. Liga zu spielen, wird von den Mitgliedern und insbesondere vom Vorstand getragen und unterstützt. Mit unserer Erfahrung bei der Ausrichtung von Turnieren und den regelmäßigen Helfern dabei werden wir die Saison auch organisatorisch gut bewältigen.

SBL: Woher stammen die finanziellen Mittel für den Etat?

Wir setzen vorhandene eigene Mittel ein, rechnen mit höheren Spenden als sonst und suchen auch noch Sponsoren.

SBL: Was sind die sportlichen Ziele Ihres Vereins? Möchten Sie sich langfristig in der 1. Bundesliga etablieren oder sehen Sie die Bundesliga als möglicherweise einmaliges Abenteuer?

Zunächst einmal sehen wir für uns eine echte Chance, vor den Abstiegsplätzen zu landen. Das haben wir uns als sportliches Ziel gesetzt. Ob wir in diesem Fall weiter in der 1. Liga bleiben können, hängt aber auch von unserer finanziellen Lage im nächsten Jahr ab.

SBL: Können Sie schon etwas darüber sagen, wie sich Ihr Kader zusammensetzen und ob es Änderungen gegenüber dem Vorjahr geben wird?
 
Wir wollen die Saison in der 1. Liga im Wesentlichen mit den Spielern bestreiten, die auch den Aufstieg geschafft haben, unsere Top-Spieler aber öfter einsetzen und uns ansonsten moderat verstärken.
 
IM Dr. Erik Zude führt die 1. Mannschaft des Schachvereins Hofheim an. Der promovierte Physiker lebt in Frankfurt/Main und ist im Rhein/Main-Gebiet als Schachtrainer tätig.
IM Arno Zude ist 1. Vorsitzender des SV Hofheim. Er hat Informatik studiert und arbeitet als Softwareentwickler in Darmstadt. Neben Partieschach beschäftigt er sich auch gerne mit dem Lösen von Schachproblemen.


Über den Autor

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Georgios Souleidis ist Internationaler Schachmeister und hat in Bochum Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Er arbeitet als Journalist, Autor und Schachtrainer. Er schreibt u.a. als Chefredakteur für die Schachbundesliga, für Chessbase, die Zeitschrift SCHACH, SPIEGEL ONLINE oder die Deutsche Presse-Agentur. Falls er mal nicht schreibt, Training gibt oder auf seinem YouTube-Kanal Schach lehrt, versucht er aktiv am Brett zu beweisen, dass 1. e2-e4 der beste Eröffnungszug ist.