"Das realistische Ziel kann nur Klassenerhalt heißen"

Erstellt am: 25.06.2019

Die SG Speyer-Schwegenheim gelang nach einem Jahr Abstinenz der Wiederaufsteig in die Schachbundesliga. Wir sprachen mit dem 2. Vorsitzenden und Mannschaftsführer, Richard Sommer, über die Planungen zur Saison 2019/20.

Schachbundesliga: Die SG Speyer-Schwegenheim schaffte nach einem Jahr Abstinenz souverän den direkten Wiederaufstieg in die Schachbundesliga. Wie laufen die Planungen für das erneute Abenteuer SBL und wie lautet das sportliche Ziel?

 

Sommer: Ganz so souverän wie es die Tabelle sagt, war der Wiederaufstieg dann doch nicht. Gegen den späteren Absteiger Griesheim und vor allem gegen Eppingen hätten wir Punkte lassen können. Entscheidend war dann wohl, dass wir in den wichtigen Spielen gegen die Nächstplatzierten Emmendingen und Baden-Baden II fast in Bestbesetzung antreten konnten, während die Konkurrenz vermehrt auf Ersatz zurückgreifen musste. An dieser Stelle nochmals Dank an unsere Spitzenspieler, die teilweise eigene Ziele dem Vereinswohl untergeordnet und anderweitige Verpflichtungen abgesagt haben.
 

Das Konzept für die Schachbundesliga steht, die sportlichen Ziele werden, wie wohl bei jedem anderen Verein in höheren Ligen sportartübergreifend, durch finanzielle Restriktionen bestimmt. Hier sieht es bei uns deutlich schlechter als bei einem großen Teil der Konkurrenz aus. Wenn ich dann noch die Verstärkungen bei der Konkurrenz betrachte - insbesondere zwei 2700er-Spieler bei Mitaufsteiger SV Lingen - so kann das realistische Ziel nur Klassenerhalt heißen.
 

Schachbundesliga: Welche Bedeutung hat die SBL für den Verein?
 

Sommer: Natürlich muss es für jeden Sportverein das Ziel sein, so hoch wie möglich zu spielen. Leider ist es bei der Schachbundesliga oft so, dass es für die Staffelsieger der zweiten Ligen finanziell und/oder logistisch schwierig bis unmöglich ist, diesen Schritt zu wagen. Glücklicherweise gab es im Übergang der Saison 2018/19 zu 2019/20 diesbezüglich keine Probleme. Für uns ist es sowohl sportlich als auch logistisch eine Herausforderung, in der stärksten Liga der Welt anzutreten.
 

Gerade für unsere international doch wenig renommierten Spieler ist es jedoch zum Teil eine Ehre, gegen Spieler der Weltelite anzutreten. Auch für unsere Spieler der zweiten Mannschaft wird es wieder Einsätze in der Bundesliga geben. Hier hat es der eine oder andere in der Vergangenheit geschafft, einem internationalen Meister oder sogar Großmeister einen halben oder auch ganzen Punkt zu stibitzen. Somit sehen wir die Schachbundesliga einerseits als Arbeit, andererseits aber auch als Belohnung für unsere Spieler.
 

Schachbundesliga: Wird das Team von den Mitgliedern unterstützt?
 

Sommer: Im Umfeld des Vereins finden sich einige Mitglieder, die den Verein unterstützen und zum Teil auch bei den Auswärtsspielen begleiten. So hatte ich selbst bei den Reisen nach Aachen, München, Hamburg oder Berlin mindestens einen, meistens zwei oder drei Mann Unterstützung dabei, die mir bei der Logistik vor Ort zur Hand gingen.
 

Besonders bei den Heimspielen zeigt sich der Zusammenhalt im Verein. Hier habe ich bei beiden bisherigen Bundesliga-Heimspielrunden samstags zusammen mit der Mannschaft den Spielsaal betreten. Alle Arbeit vor Ort wurde von anderen Vereinsmitgliedern erledigt. Und wenn ich dann Samstagabend einen Anruf des Spielleiters bekomme, dass der Schiedsrichter explizit unser Spiellokal samt Abläufen vor Ort lobend erwähnt hat, zeigt das, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind.
 

Schachbundesliga: Woher nehmen Sie die Motivation, um das Team organisatorisch zu unterstützen. Schließlich ist das ein Ehrenamt und sie opfern natürlich auch Zeit dafür?
 

Sommer: Jeder Mensch hat in seinem Leben neben seiner Arbeits- und seiner Ruhezeit noch Freizeit, die er selbst ausfüllt. Weniger kreative Menschen zieht es auf die Couch vor den Fernseher, kreativere Menschen haben ein Hobby: Der eine betreibt Musik in welcher Form auch immer, der nächste beschäftigt sich mit Tieren, der Dritte geht häufig ins Kino oder Theater. Ein großer Teil der Bürger Deutschlands betreibt Sport; dieser untergliedert sich in Trainings- und Wettkampfzeit.

Wenn ich nun Schach zu den Sportarten zähle, so haben wir hier einen Sport mit viel Trainingsaufwand und relativ gesehen wenig Wettkampf. In der Regel hat ein Schachspieler auf mittlerem Amateurniveau maximal 9 Rundenspiele und spielt vielleicht noch ein oder höchstens zwei Turniere, bestreitet also insgesamt 15-20 Wettkämpfe pro Saison. Da hat jeder Kreisklassespieler in Fuß- oder Handball ungefähr das Doppelte. Demgegenüber steht eine Menge Training; nicht nur, um auf dem neuesten Stand der Eröffnungstheorie zu sein, sondern um auch im Zeitalter des Computers sein Repertoire wechseln zu können, um nicht zu leicht ausrechenbar zu sein.

Nachdem ich unsere erste Mannschaft in der unteren Hälfte der zweiten Liga übernommen habe, stand ich vor einem persönlichen Scheideweg: Mehr Zeit zu verwenden, um das eigene Spiel zu verbessern oder mehr in die Organisation und damit den Erfolg unserer Ersten Mannschaft zu stecken. Wie ich inzwischen schon oft gehört habe, gibt es viele gute Schachspieler, aber nur wenige gute Organisatoren. Da ich zudem nicht gerade übermäßig trainingsfleissig bin, entschied ich mich für den zweiten Weg. Und so kam eins zum anderen...

Schachbundesliga: Wird es im Kader personelle Veränderungen geben gegenüber dem Vorjahr?
 

Sommer: Wir haben uns im vergangenen Jahr, nach dem Abstieg aus der Schachbundesliga, mit den beiden Großmeistern Nijat Abasov und Antonios Pavlidis verstärkt, die an den Brettern 2 und 3 gemeldet waren, also zu unseren Spitzenspielern gehören. Da wir neben IM Lev Yankelevich, der inzwischen im Ausland lebt und der uns leider nicht in der Bundesliga verstärken wird, keine weiteren Abgänge haben, sind wir insgesamt stärker aufgestellt als in den Jahren 2016-2018, in denen wir bereits in der Bundesliga gespielt haben.
 

Antonios Pavlidis | Foto: Georgios Souleidis
Antonios Pavlidis | Foto: Georgios Souleidis

Zudem wollen wir wie im Jahr 2016 unseres ersten Aufstiegs in die Schachbundesliga denjenigen Spielern Einsatzmöglichkeiten geben, die uns auch in die Liga gespielt und gekämpft haben.
 

Für die kommende Saison haben wir als Ergänzung der Mannschaft IM Oleg Boguslawski und IM Tomislav Bodrozic gewinnen können; die beiden machen die Mannschaft in der Spitze wohl nicht stärker, werden aber hoffentlich an den mittleren bis hinteren Brettern das eine oder andere Ausrufezeichen setzen können.
 

Schachbundesliga: Wie laufen die Planungen für die Heimkämpfe und worauf dürfen sich die Zuschauer vor Ort freuen?
 

Sommer: Da es noch keinen Spielplan gibt, laufen die Vorbereitungen bislang auf Sparflamme.
 

Falls wir einen der beiden von uns vorgeschlagenen Termine zur Heimspielrunde bekommen, können wir wieder wie in der Saison 2016/17 auf das Bürgerhaus in Schwegenheim zugreifen; sicherlich eine der schönsten Spielstätten, in denen Schachbundesliga gespielt wird und die uns die Gemeinde Schwegenheim dankenswerterweise zur Verfügung stellt.
 

Neben der tollen Atmosphäre, die die Schachbundesliga per se schon mitbringt und einer sauberen Technik, die uns hoffentlich wieder von Marc Lang gestellt wird, haben wir erneut das Glück, mit einer Top-Mannschaft zu reisen. Nach zwei Jahren Reisepartnerschaft mit Baden-Baden, wo unter anderem Maxime Vachier-Lagrave und Viswanathan Anand "bei uns" waren, reisen wir nun mit Hockenheim. Nun könnten neben Anatoli Karpov Spieler wie Shankland, Vitiugov oder Fedoseev zu sehen sein, aber auch ein Großteil der deutschen Schachelite wie Dennis Wagner, David Baramidze oder auch Rainer Buhmann.
 

Wie uns gerade auch die Zuschauer aus den umliegenden Vereinen beweisen, wird dieses Angebot auch gerne angenommen. Wann hat man schon einmal die Chance als kleiner Schachspieler, mit einem Spieler der Weltelite ein paar Worte zu wechseln oder gar ein Selfie zu schießen?

 

Herr Sommer, vielen Dank für das Interview.



Über den Autor

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Georgios Souleidis ist Internationaler Schachmeister und hat in Bochum Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Er arbeitet als Journalist, Autor und Schachtrainer. Er schreibt u.a. als Chefredakteur für die Schachbundesliga, für Chessbase, die Zeitschrift SCHACH, SPIEGEL ONLINE oder die Deutsche Presse-Agentur. Falls er mal nicht schreibt, Training gibt oder auf seinem YouTube-Kanal Schach lehrt, versucht er aktiv am Brett zu beweisen, dass 1. e2-e4 der beste Eröffnungszug ist.