Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird Ende des Jahres ein Spieler aus dem Kader eines Schach-Bundesligisten Magnus Carlsen zum Match um die Weltmeisterschaft fordern. Nur welcher? Maxime Vachier-Lagrave („MVL“) oder Fabiano Caruana, beide von der OSG Baden-Baden? Ian Nepomniachtchi vom SV Hockenheim? Anish Giri von der SG Solingen? Wer WM-Herausforderer wird, klären die Supergroßmeister ab Montag bei der Fortsetzung des Kandidatenturniers in Jekaterinburg. Gleich zum Auftakt treffen die vier Bundesligaspieler aufeinander.
Ian Nepomniachtchi hätte schon fast durch sein können. Mit 4,5/6 war er vor einem Jahr phänomenal gestartet. Schließlich stoppte ihn Maxime Vachier-Lagrave in der siebten Runde und zog mit dem Russen gleich. Nun ist der Franzose, der als Nachrücker für den Aseri Teimour Radjabov ins Feld geraten war, der Co-Führende des Turniers. Und sein Sieg gegen „Nepo“ könnte entscheidend gewesen sein: Stehen die beiden nach 14 Runden punktgleich an der Spitze, bestimmt der direkte Vergleich, wer das Match gegen Magnus Carlsen bekommt.
OSG-Vorsitzender Patrick Bittner hat über Etienne Bacrot, Chef des Teams MVL, ins Lager des Baden-Badener Franzosen hineingehorcht. MVL sei gut vorbereitet, erfuhr er. Bacrot unterstützt seinen Landsmann von zu Hause aus. In Jekaterinburg ist Großmeister Sebastian Maze dabei. „Extrem wichtig“ sei für MVL gleich die erste (bzw. achte) Runde gegen seinen Baden-Badener Mannschaftskameraden Fabiano Caruana.
In dessen Lager wird die Partie als ebenso wichtig erachtet, hat Bittner über Caruanas Sekundanten Rustam Kasimdzhanov erfahren. "Fabi" sei gut vorbereitet, sein Team sei optimistisch. Die Partie gegen MVL werde entscheidend für den weiteren Turnierverlauf sein. Um im Rennen zu bleiben, braucht Caruana einen Sieg. Danach warte eine weitere entscheidende Partie: Schwarz gegen Nepomniachtchi.
Warum die erste Runde am Montag so wichtig ist, hat mit Alexander Grischuk im Interview mit der russischen Agentur Tass ein anderer WM-Kandidat erklärt: Der Tabellenstand könnte sich fundamental ändern, sagte Grischuk. „Möglich ist, dass schon nach der ersten Runde nach der Wiederaufnahme sechs Spieler punktgleich an der Spitze liegen.“
Caruana-MVL ist die eine zentrale Partie am Montag, eine Chance für den WM-Herausforderer 2018, den Franzosen einzuholen. Nepomniachtchi-Giri ist die andere, eine Chance für Anish Giri, mit einem Sieg zu „Nepo“ aufzuschließen.
Oliver Kniest, Vorsitzender der SG Solingen, wird mit den anderen Solingern gebannt zuschauen. Seit 2015 ist Giri Teil des Solinger Kaders, auch wenn er eher selten spielt. „Sein letzter Einsatz war im Stichkampf um die Meisterschaft 2018, als er Fabiano Carunana bezwungen hat“, berichtet Kniest.
Die Mitglieder der Solinger Schachgemeinschaft hofften in den kommenden beiden Wochen auf ähnlich starke Ergebnisse ihrer Nummer eins. „Wenn Anish seine Form der Online-Schnellschachsaison und aus Wijk bestätigen und vor allem sein Problem der suboptimalen Chancenverwertung beheben kann, kann er sicherlich noch in den Kampf um den Turniersieg eingreifen“, sagt Kniest. In der Klingenstadt seien die Daumen gedrückt – auch weil mit Chefsekundant Erwin L'Ami ein langjähriger SG-Akteur Teil von Team Giri sei.
Seitens der Baden-Badener sind die Daumen naturgemäß eher für MVL und Caruana gedrückt. „Aus OSG-Sicht hoffe ich natürlich, dass einer dieser beiden WM-Herausforderer wird“, sagt Bittner, hält das Rennen aber für offen: „Zwischen Platz eins und sechs liegt ja nur ein Punkt. Möge der Beste gewinnen, und wenn es dann kein OSG-ler ist, dann gratulieren wir trotzdem.“ Am wichtigsten sei, dass die Spieler und Sekundanten gesund bleiben. Bittner: „Ich freue mich auf spannende Partien.“