Schachbundesligafinale in Eppingen - ein Event der Superlative

Erstellt am: 13.04.2014
Für den SC Eppingen als Ausrichter war die zentrale Endrunde ein voller Erfolg. In der folgenden Pressemitteilung lassen die Kraichgauer die Veranstaltung Revue passieren.

Uneingeschränktes Lob für die Stadt Eppingen und ihren Schachclub kam von den Aktiven, allen Betreuern, den Offiziellen und den zahlreichen Besucherinnen und Besuchern der zentralen Endrunde in der Fachwerkstadt. Vier Tage lang dominierte der Schachsport die Medien. Am Montag war das Bundesligafinale sogar der Aufmacher auf dem Titelblatt einer hiesigen Tageszeitung. Ein solches öffentliches Interesse an einer Randsportart wie Schach gab es bisher höchst selten.

Rund 18 Monate nahmen die Vorbereitungen für die zentrale Bundesligaendrunde in Anspruch. Parallel zu den letzten drei Spielrunden der Saison 2013/2014 stellten die Organisatoren des SCE ein Rahmenprogramm der Extraklasse auf die Beine, das für jeden Geschmack etwas bot. Fast hundert Helfer waren über vier Tage für das Gelingen der Veranstaltung im Einsatz, aber es hat sich gelohnt: Präzise wie eine tickende Schachuhr klappte die Organisation. Nur der angestrebte sportliche Erfolg blieb leider aus. Die Eppinger wollten ihre bisherige Bestmarke (Rang 3) toppen. Das gelang bedauerlicherweise nicht und so landete der SCE zum dritten Mal hintereinander auf dem undankbaren vierten Platz.

Schon der Auftaktabend am Donnerstag stellte ein Highlight dar. Er setzte sich aus drei Komponenten zusammen: Einem Empfang der Stadt, dem „Badischen Abend“ des Badischen Schachverbands sowie einem kleinen Festakt 60 Jahre SC Eppingen. Mit dem „Badner Lied“ und der Begrüßung durch Oberbürgermeister Klaus Holaschke sowie SCE- Vereinschef Rudi Eyer begann ein abwechslungsreiches Programm, das geprägt war von zahlreichen Grußworten (z.B. DSB-Präsident Herbert Bastian, BSV-Chef Dr. Uwe Pfenning, BSB-Präsident Heinz Janalik) und noch mehr Musik: Die Internationale Schachmeisterin Isabelle Delemare bestach mit ihrer phantastischen Sopranstimme, am Klavier gekonnt begleitet von Lothar Arnold, einem der besten badischen Denksportler. SchachspielerInnen können offenbar mehr als nur „Klötzchen auf einem Brett herumschieben“. Die „Kraichgau Singers“ und das Männerensemble „Only Men“ unter der Leitung von Julia Brock peppten den Rückblick auf sechs Jahrzehnte Schachclub auf. Das Programm schloss (sehr zur Freude der Organisatoren pünktlich auf die Minute) mit zwei außergewöhnlichen Ehrungen: Zum ersten Mal in seiner Geschichte zeichnete der Badische Schachverband eine Kommune mit dem Titel „Schachfreundliche Stadt“ aus. Stolz nahm Stadtoberhaupt Klaus Holaschke die Urkunde von Dr. Uwe Pfenning entgegen. Die Freude des OB wurde komplettiert, als er von Vereins-Vize Wolfgang Müller zum „Ehrenmitglied honoris causa“ des Schachclubs ernannt wurde. Im Anschluss an das Programm genossen die Gäste ein sehr gutes kalt-warmes Buffet mit „Badischen Spezialitäten“ aus der bekannten Küche des Restaurants „Villa Waldeck“, dem Vereinslokal des Schachclubs. Den dazu passenden badischen Wein lieferte das Weingut Thomas Hockenberger aus Elsenz.

Ab Freitag rauchten die Köpfe in der „Hardwaldhalle“ und in der „Stadthalle“. Um 16 Uhr eröffneten Markus Schäfer, Präsident des Schachbundesliga eV, und der Vorsitzende des deutschen Schachbunds, Herbert Bastian, gemeinsam die drittletzte Runde der Saison 2013/2014. Schätzungsweise 400 Schachfans wollten die besten Schachspieler der Welt in Aktion sehen. Bedauerlicherweise musste der mit Marc Lang im Rahmenprogramm vorgesehene Weltrekordversuch im Blind-Simultan-Schnellschach an 14 Brettern entfallen. Am Dienstagabend hatte er wegen einer schweren Erkrankung seinen Auftritt abgesagt. Aber dass die Schachclubfunktionäre auch improvisieren können, bewiesen sie mit der kurzfristigen Verpflichtung der deutschen Schachlegende Dr. Robert Hübner.

Dr. Robert Hübner beim Simultan (Foto: Georgios Souleidis)

Der Kölner Schachgroßmeister gab an zwölf Brettern gegen ausnahmslos jüngere Gegner ein Uhrensimultan, wobei er standesgemäß alle Partien gewann. Obwohl er bisweilen als etwas unnahbar gilt, erwies er sich als äußerst aufgeschlossen und analysierte ausgiebig seine Partie mit jenem Gegner, der ihm am längsten Paroli bot. Am Abend wurde bekannt, dass Hockenheim am Samstag mit dem Ex-Weltmeister Anatoli Karpow antreten würde. Diese Information kam so rechtzeitig, dass sie noch über die Medien verbreitet werden konnte.

„Karpov kommt“ titelte am nächsten Tag die „Kraichgaustimme“. Durch sein Auftreten lockte der zweimalige Schachweltmeister (1975-1985 und 1993-1999) am Samstag zahlreiche Besucher (geschätzt etwa 650 Schachfreunde) an und „adelte“ dadurch die zentrale Endrunde. Zumindest für ähnliches Aufsehen sorgte die aktuelle Nummer 2 der Weltrangliste, Levon Aronjan. Den armenischen Großmeister (aktuelle ELO 2812) bot die OSG Baden-Baden zum ersten Mal auf. Offenbar wollte der amtieren Deutsche Meister auch in den drei Schlussrunden seine bis dahin blütenweiße Weste behalten.

Vorne: Levon Aronian - Maxim Rodshtein; Hinten: Anatoly Karpov - Felix Graf

Der SCE bot in seinem Rahmenprogramm am Samstagvormittag ein offenes Blitzturnier an, das 50 TeilnehmerInnen anlockte. Hier dominierte der ungarische GM Zoltan Gyimesi, der vor zwei Jahren seine aktive Schachlaufbahn beim SC Eppingen beendet hatte. Die Gastgeber hatten ihren langjährigen Spieler zur Pflege des Kontakts, aber auch zur Unterstützung des Live-Kommentators Klaus Bischoff zum Bundesligafinale eingeladen.

Die Live-Kommentatoren GM Klaus Bischoff und GM Zoltan Gyimesi (SCE) bei der Arbeit

Auf den nächsten Plätzen landeten die Spieler Bräuning (Bebenhausen), IM Panzalovic (Bad Mergentheim) und Chris Noe (Eppingen). Auch in der Selma-Rosenfeld-Realschule wurde ein Schachturnier für Nachwuchsspieler und Schachneulinge ausgetragen, die noch keine DWZ haben und die an den Schachsport herangeführt werden sollen. Hier siegte Lara Eyer (Eppingen), die alle Partien gewann, vor den punktgleichen Verfolgern Konstantin Grandl, Jonah Klaiber und Jonas Ebert. Als eine Supersache erwies sich am Samstag die erstmalig eingeplante Autogrammstunde vor Spielbeginn. Vereinschef Rudi Eyer war auf diese Idee gekommen und hatte sie im Januar bei der Tagung der Bundesligavereine in Kassel unterbreitet. Aber nur die Aktiven aus Baden-Baden und das Team der Gastgeber waren dazu bereit, weil diese Aktion direkt vor Rundenbeginn die Spieler in ihrer Konzentration stören könnte. Pünktlich um 13.30 Uhr bestürmten Dutzende Schachfans die an ihren Brettern wartenden Cracks, darunter 30 Kinder des Förderstützpunkts Stuttgart und 10 des gemeinsamen Talentstützpunkts Eppingen-Schwaigern. Der Stuttgarter Stützpunktleiter Dr. Konrad Müller und seine Helfer nutzten den Event dazu, für ihre Talente in der benachbarten Realschule ein ganztägiges Training zu veranstalten. Zur Autogrammstunde wurde es natürlich unterbrochen. Die Schachkinder aus Eppingen und Schwaigern wollten nur etwas Bundesligaluft schnuppern. Die überwiegend jugendlichen Schachfans besorgten sich „ihre“ Autogramme auf die unterschiedlichsten Arten. Manche streckten den Spielern ihre Programmhefte entgegen, worin alle Spielerportraits der beiden Mannschaften enthalten waren. Andere hatten ein Schachbrett dabei und wiesen „ihre Stars“ genau an, auf welchem Feld sie deren Unterschrift gerne verewigt hätten.

Levon Aronian während der Autogrammstunde (Foto: Georgios Souleidis)

Trotz dieses kurzen Trubels wurden pünktlich um 14 Uhr an allen Brettern die Schachuhren in Gang gesetzt. Parallel zu den Kämpfen führten das Deutsche und das Badische Schachpräsidium eine gemeinsame Vorstandsitzung durch, die von der Nachricht überschattet wurde, dass der SV Wattenscheid nach dieser Runde seine 1. Mannschaft aus der Bundesliga zurückzieht. Damit wurde der Abstiegskampf noch spannender, denn nun reicht sogar der viertletzte Platz zum Verbleib in der Liga. Die Mit-Mach-Programme der Deutschen und der Badischen Schachjugend wurden am Samstag durch die kühle Witterung etwas beeinträchtigt, aber am Sonntag strahlte die Sonne über Eppingen und sorgte so für viel Betrieb an den diversen Ständen.

Am Sonntag kam der Schirmherr der Veranstaltung, Innenminister und MdL Reinhold Gall, zur Eröffnung der Schlussrunde. Nach seinem kurzen Grußwort gaben die 4 Schiedsrichter die Partien frei. Anschließend inspizierte der Politiker bei einem ausgiebigen Rundgang alle Aktivitäten, wobei er sich als Hobby-Schachspieler zu erkennen gab.

v.l.n.r. Präsidium Schachbundesliga eV (Detlef Wickert, Markus Schäfer, Bernard Verfürden, Ulrich Geilmann, Schirmherr MdL und Innenminister Reinhold Gall, Oberbürgermeister Klaus Holaschke und der Eppinger Vereinschef Rudi Eyer

Anatoli Karpow sorgte am Sonntag für eine weitere Überraschung. Bei seinen bisherigen Einsätzen für Hockenheim spielte der Ex-Weltmeister und jetzige Duma-Abgeordnete immer mit den weißen Steinen. In dem Match gegen Eppingen würde er schwarz haben, wenn er wieder am Spitzenbrett aufgeboten wird. Kaum jemand rechnete deshalb damit, dass er gegen die Gastgeber spielt. Fast alle Experten (ausgenommen der Autor dieser Zeilen) irrten, Karpow trat an – und wie! Sein Mitwirken im Lokalderby gegen Eppingen belegt, wie sehr die Rennstädter auf eine Top-Platzierung aus waren. Und sein Einsatz sollte sich durch einen Erfolg über Maxim Rodshtein lohnen. „Gelohnt“ hat sich auch die Siegerehrung, die in Eppingen erstmals auf dem Programm stand. Wenn auch nicht mehr alle Spieler der drei bestplatzierten Teams anwesend sein konnten, so stellte diese kleine Zeremonie einen würdigen Abschluss der Veranstaltung dar. Zunächst übergab Bundesligapräsident Markus Schäfer - stellvertretend für die vielen Helfer – an Vereinschef Eyer eine Medaille für besondere Verdienste des SCE. Anschließend führte der Solinger gemeinsam mit OB Holaschke die Siegerehrung durch. Die OSG Baden-Baden dominierte die Saison und verteidigte verlustpunktfrei ihren Titel als Deutscher Mannschaftsmeister.

Siegerehrung der OSG Baden-Baden mit Chessy, dem Maskottchen der DSJ

Dank eines furiosen Schlussspurts sicherte sich - wie im Vorjahr - die SG Mülheim-Nord Silber. Durch den Erfolg über Eppingen in der Schlussrunde landete der SV Hockenheim noch auf Rang 3 – der bisher größte Erfolg der Kurpfälzer. Eppingen rutschte – wie in den beiden zurückliegenden Spieljahren - auf den undankbaren 4. Platz ab. Kein Grund zur Tristesse, denn das gesteckte Saisonziel (Platz 1 bis 5) wurde erreicht. Absteigen müssen der SV Griesheim, der SK König Tegel und der SC Viernheim.

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