„Plötzlich geht es Schlag auf Schlag“

Erstellt am: 20.02.2017

MSA Zugzwang verpasst gegen Hamburger SK hauchdünn den ersten Bundesliga-Sieg / Bayern-Schachspieler zweimal chancenlos


Von Hartmut Metz

 

Selbstzweifel haben die Spieler der Münchener Schachakademie (MSA) Zugzwang am Sonntag geplagt. Gegen den Hamburger SK standen die Gastgeber im gut besuchten Kulturhaus Milbertshofen durchaus passabel. „Aber das war am Samstag gegen Werder Bremen genauso: Nach drei Stunden gaben wir ein gutes Bild ab – und am Schluss verloren wir hoch mit 1,5:6,5“, erzählt Kapitän Markus Lammers vom ersten Bundesliga-Heimspiel der Vereinsgeschichte. Nur Stefan Kindermann, Robert Zysk und Christoph Eichler konnten Unentschieden für den Tabellenletzten retten. Die restlichen fünf Partien gingen samt und sonders verloren.
 

Doch gegen den zweiten hanseatischen Klub, der wie der Hamburger SV im Fußball ein ewiger Erstligist ist, ging es „plötzlich Schlag auf Schlag. Wir landeten einen Lucky Punch nach dem anderen“, resümiert Lammers. Er verlor zwar chancenlos gegen den in München lebenden HSK-Spieler Thies Heinemann, doch an gleich drei Brettern wendete sich das Schlachtenglück. Zweimal dabei besonders krass: Nils Grandelius und Sipke Ernst, der schon tags zuvor dem FC Bayern mit einem Aussetzer den Ehrenpunkt geschenkt hatte. Großmeister Ernst stellte in einfacher, übersichtlicher Stellung stümperhaft einen Turm gegen einen Läufer ein. Kontrahent Zysk ließ sich nicht zweimal bitten. Der MSA-Topscorer nahm das Geschenk dankend an und vollstreckte locker. Der 50-Jährige bleibt somit ungeschlagen und sammelte in sieben Partien formidable 4,5 Punkte.
 

Robert Zysk | Foto: Hartmut Metz
Robert Zysk | Foto: Hartmut Metz

Grandelius ermöglichte durch einen Schnitzer Stefan Bromberger einen tödlichen Angriff. Der Schwede kasteite sich zur Strafe selbst und ließ sich am Spitzenbrett im 26. Zug matt setzen. Weil die Hamburger auf allen acht Positionen nominell weit überlegen waren, neigten sie zu übertriebenen Gewinnbemühungen, allen voran Jonathan Carlstedt. Der zuletzt überzeugende Hanseat wich dem Remis gegen Christoph Eichler aus, was er mit einer Null bezahlte. Der deutsche Vizemeister Rasmus Svane hielt im Großmeister-Duell mit Gerald Hertneck den Gast auf Tuchfühlung. Auf Grund zweier Friedensschlüsse von Kindermann gegen den Franzosen Christian Bauer und von Falk Hoffmeyer gegen Dmitrij Kollars stand es 4:3 für MSA Zugzwang.
 

Der Aufsteiger träumte dann „45 Minuten lang vom ersten Bundesliga-Sieg“, gesteht Lammers. Erasmus Gerigk wehrte sich zäh. Mehrfach schien das Remis greifbar nahe – doch im schwierigen Endspiel mit Turm und Bauer gegen Turm und Läufer fand Gerigk nicht die richtigen Verteidigungsideen, so dass Jonas Lampert (Foto ganz oben) den Hamburgern einen Zähler rettete. Obwohl MSA Zugzwang so Schlusslicht hinter König Tegel (beide 2:16) bleibt, „überwiegt die Freude den Frust“, betont Lammers.
 

Erasmus Gerigk | Foto: Hartmut Metz
Erasmus Gerigk | Foto: Hartmut Metz

Nur Frust regierte dagegen bei Bayern München, der sich in Milbertshofen eher als der Lokalrivale etwas ausgerechnet hatte. Zwei deutliche Niederlagen blieben dem Tabellen-14. (3:15) nur erspart, weil Unglücksrabe Ernst gegen den Schweden Linus Johansson nach langem Kampf das Remis verschenkte. Michael Bezold, Michael Fedorovsky, Andreas Schenk und Alexander Belezky steuerten am Samstag halbe Zähler zum 3:5 gegen den Hamburger SK bei. Im Duell der Jungstars musste der zuletzt für Aufsehen sorgende Österreicher Valentin Dragnev dem Lübecker Svane gratulieren.
 

Gleich fünf Niederlagen kassierten die Bayern am Sonntag gegen Werder Bremen. Beim 1,5:6,5 verloren die ersten vier Bretter, dazu noch Schenk. Der Schwede Philip Lindgren, Belezky und Peter Meister hielten wenigstens dagegen. Mit dem Unentschieden bleibt Meister mit bis dato 2,5:0,5 Einzelzählern der einzige im Bayern-Kader mit einer positiven Bilanz. Daher verwundert es wenig, dass der FCB in der Tabelle hinter Griesheim (4:14) rutschte. Beide Münchner Klubs müssen in den nächsten Runden dringend punkten, um das rettende Ufer ab Rang zwölf zu erreichen.

 

MSA Zugzwang – Werder Bremen 2:6.

1. Brett Bromberger – McShane 0:1, 2. Kindermann – Blübaum remis, 3. Hertneck – Hracek 0:1, 4. Zysk – Babula remis, 5. Gerigk – Werle 0:1, 6. Hoffmeyer – Markgraf 0:1, 7. Eichler – Fish remis, 8. Dirr – Koop 0:1.

Bayern München – Hamburger SK 3:5.

1. Bezold – Grandelius remis, 2. Fedorovsky – Bauer remis, 3. Dragnev – Svane 0:1, 4. Johansson – Ernst 1:0, 5. Lindgren – Lampert 0:1, 6. Schenk – Kollars remis, 7. Belezky – Carlstedt remis, 8. Reich – Heinemann 0:1.

Hamburger SK – MSA Zugzwang 4:4.

1. Grandelius – Bromberger 0:1, 2. Bauer – Kindermann remis, 3. Svane – Hertneck 1:0, 4. Ernst – Zysk 0:1, 5. Lampert - Gerigk 1:0, 6. Kollars – Hoffmeyer remis, 7. Carlstedt – Eichler 0:1, 8. Heinemann – Lammers 1:0.

Werder Bremen – Bayern München 6,5:1,5.

1. McShane – Bezold 1:0, 2. Blübaum – Fedorovsky 1:0, 3. Hracek – Dragnev 1:0, 4. Babula – Johansson 1:0, 5. Werle – Lindgren remis, 6. Markgraf – Schenk 1:0, 7. Fish – Belezky remis, 8. Koop – Meister remis.



Über den Autor

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Georgios Souleidis ist Internationaler Schachmeister und hat in Bochum Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Er arbeitet als Journalist, Autor und Schachtrainer. Er schreibt u.a. als Chefredakteur für die Schachbundesliga, für Chessbase, die Zeitschrift SCHACH, SPIEGEL ONLINE oder die Deutsche Presse-Agentur. Falls er mal nicht schreibt, Training gibt oder auf seinem YouTube-Kanal Schach lehrt, versucht er aktiv am Brett zu beweisen, dass 1. e2-e4 der beste Eröffnungszug ist.