MSA Zugzwang rettet sich durch Sieg im Derby

Erstellt am: 02.05.2018

FC Bayern hofft auf erneute Rückzüge aus der Schach-Bundesliga / Leon Mons ragt am Spitzenbrett heraus

Von Hartmut Metz

Selten hat sich eine Mannschaft so gefreut über eine Pleite gegen das Schlusslicht wie die Münchener Schachakademie (MSA) Zugzwang: Am letzten Bundesliga-Spieltag unterlag der Tabellen-14. zwar dem bis dahin sieglosen SK Norderstedt. Doch als es schon hoffnungslos 2:4 stand, zeichnete sich die Schlappe der SG Speyer-Schwegenheim gegen den Tabellendritten SV Hockenheim ab. Die Denkstrategen am Fuße der Formel-1-Strecke deklassierten den Außenseiter mit 6:2 – so dass MSA nur noch ein halber Zähler fehlte, um den Tabellen-13. dank der Brettpunkte zu überflügeln. Als Kapitän Markus Lammers seine schwierige Stellung gegen Viktor Polischuk zum Remis verteidigte, war der Platztausch perfekt. Stefan Kindermann verkürzte nach mehr als sechs Stunden sogar noch auf 3,5:4,5.

Stefan Kindermann | Foto: Georgios Souleidis
Stefan Kindermann | Foto: Georgios Souleidis

Damit stehen die Münchner zwar nur vor Speyer-Schwegenheim (beide 8:22 Punkte), dem FC Bayern München (6:24) und Norderstedt (3:27) – der Viertletzte ist aber immer noch ein Abstiegsrang. Indes nur offiziell. Wie schon vor dem letzten Zug in Berlin durchgesickert war, zieht der einst von der Meisterschaft träumende Tabellenachte SK Schwäbisch Hall (16:14) seine Mannschaft   komplett zurück. MSA Zugzwang reichte somit – wie im Vorjahr den Bayern - der 13. Platz zum Klassenerhalt. „Letztlich ist gestern die Entscheidung gefallen“, blickte Lammers direkt nach dem womöglich „zu locker genommenen Match gegen Norderstedt“ lieber zurück aufs Münchner Derby.

Obwohl der FC Bayern am vorletzten Spieltag nominell deutlich besser besetzt schien und am Sonntag durch ein 5,5:2,5 über Norderstedt in der Tabelle vor MSA Zugzwang kletterte, konnte der Altmeister den Rückenwind nicht nutzen. Der Ortsrivale machte das 2,5:5,5 gegen den Mit-Abstiegskandidaten Hamburger SK sofort vergessen und schlug die Bayern mit 4,5:3,5, obwohl  Kindermann noch den Sieg gegen den Schweizer Großmeister Noël Studer verschenkte und so eines von fünf Remis beisteuerte. Dennoch trug Kindermann mit 6:7 Punkten an Brett zwei wesentlich zum Klassenerhalt bei.

Herausragend agierte der frischgebackene Großmeister Leon Mons: Der Mathematik-Student verlor an vorderster Front nur eine seiner 15 Partien gegen die Profis und sammelte stolze acht Zähler – als einziger Münchner verzeichnete er damit eine positive Bilanz. „Wahnsinn, wie er spielte“, kommentiert das sein Kapitän, der auch Kindermann preist: „Weil die beiden vorne kaum eine Partie verloren, konnten wir dank der erhöhten Varianz an sechs Brettern manche Überraschung gegen klar bessere Teams schaffen – verloren aber auch wegen der anderen Spieler überraschend wie gegen Norderstedt“, hat Lammers eine logische Erklärung für die Schwankungen bei MSA Zugzwang. Robert Zysk (6/13) und Erasmus Gerigk (4,5/10) waren ebenfalls nah an den 50 Prozent dran in dem kompakten Kader, bei dem nur zehn Spieler aufliefen.

Markus Lammers | Foto: Georgios Souleidis
Markus Lammers | Foto: Georgios Souleidis

Die Bayern setzten hingegen alle 17 gemeldeten Akteure ein. Dem früheren deutschen Jungstar Christian Gabriel machte daher wohl die fehlende Praxis zu schaffen. In seiner erst dritten Bundesliga-Partie für die Bayern in dieser Saison manövrierte er sich aus ausgeglichener Position heraus gegen Gerald Hertneck nach vier Stunden in eine Verluststellung. Den entscheidenden Zähler für MSA fuhr dann Robert Zysk beim 3,5:3,5 ein. Nach 82 Zügen war der König von Philip Lindgren matt. Der Schwede hatte es ähnlich wie Gabriel geschafft, ein vermeintlich unverlierbares Leichtfiguren-Endspiel zu ruinieren. „Sensationell, wie Robert das in dem packenden Match verwertete“, fand Lammers. Seine Niederlage gegen Makan Rafiee fiel daher nicht ins Gewicht.

Robert Zysk | Foto: Hartmut Metz
Robert Zysk | Foto: Hartmut Metz

Am letzten Spieltag hätte den Tabellenvorletzten angesichts des MSA-Patzers gegen Norderstedt ein Erfolg über Hamburg gerettet. Doch die stark angetretenen Hanseaten nahmen die Bayern nach allen Regeln der Kunst mit 7:1 auseinander und schoben sich im Endklassement dank der drei Siege in den Kellerduellen und 12:18 Punkten auf Platz zehn. „Gegen Hamburg fehlte uns letztlich ein Stück“, räumte Lammers mit Blick auf den Auftakt bei der zentralen Endrunde ein. Jörg Wengler sah „auch keine Chance. Wir haben es gegen MSA vergeben“, wusste der Bayern-Abteilungsleiter, nachdem beim Rundenschluss gegen den HSK lediglich Michael Fedorovsky und Andreas Schenk remisieren konnten.

Fedorovsky zählte mit 5,5/12 zu den Aktivposten seines Clubs. Klaus Bischoff (4,5/9) schaffte als einziger Bayern-Stammspieler (mit mehr als der Hälfte der Einsätze) 50 Prozent. An Position eins durfte auch das österreichische Talent Valentin Dragnev mit 5/11 zufrieden sein. Der ehemalige WM-Kandidat Zoltan Ribli sammelte weit hinten 3/5, Peter Meister gar 3,5/6. Das Schweden-Trio Linus Johansson, Philip Lindgren und Stefan Schneider war mit 6,5/26 deutlich überfordert.

Klaus Bischoff | Foto: Georgios Souleidis
Klaus Bischoff | Foto: Georgios Souleidis

Zu 100 Prozent wähnt sich der FC Bayern in der nächsten Saison aber noch nicht im Unterhaus. „In der Zweiten Liga Ost entscheidet sich die nächste Woche, ob ein Verein aufsteigen will“, hat Wengler erfahren. Das Fahrstuhl-Team Nickelhütte Aue scheint zu verzichten, BCA Augsburg soll in Sachen Abenteuer Bundesliga zögern. Würde dann ein weiterer der mancherorts klammen Klubs zurückziehen, wäre der FCB weiterhin erstklassig – in den letzten fünf Jahren haben sich die Bayern so stets gehalten, sogar zweimal als Tabellenvorletzter!

An der Spitze kennen die Vereine dagegen keine finanziellen Sorgen: Serienmeister OSG Baden-Baden und Rekordmeister SG Solingen marschierten beide einträchtig mit 27:3 Punkten über die Ziellinie. Weil die Kurstädter mit 86,5 Brettpunkten beim „Torverhältnis“ zwei Zähler besser sind, haben sie beim Stichkampf Heimrecht. Dieser soll binnen zwei Wochen ausgetragen werden. Die Weltauswahl aus Baden-Baden dürfte dabei den zwölften Titel in 13 Jahren unter Dach und Fach bringen.



Über den Autor

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Hartmut Metz ist Redakteur beim Badischen Tagblatt mit Hauptsitz in Baden-Baden. Er schreibt außerdem unter anderem für die taz, die Frankfurter Rundschau und den Münchner Merkur über Schach und Tischtennis. Zudem verfasst der FM von der Rochade Kuppenheim regelmäßig Beiträge für das Schach-Magazin 64, Schach-Aktiv (Österreich) und Chessbase.de. Darüber hinaus stammen mehrere Turnierbücher aus seiner Feder.