Hertneck lässt alte Klasse aufblitzen

Erstellt am: 21.11.2016

Der Städtekampf zwischen Berlin und München endete eindeutig zugunsten der Hauptstädter. Hartmut Metz berichtet aus Sicht der Münchener Teams über die Kämpfe der 3. und 4. Runde in Berlin-Tegel.

Von Hartmut Metz


Das Städte-Duell Berlin – München hat sich in der Schach-Bundesliga als unerwartet einseitig entpuppt: Sowohl Bayern München als auch MSA Zugzwang blieben am Wochenende beim 2:6 gegen Hauptstadt-Primus SF Berlin chancenlos. Gegen König Tegel hatten sich die Münchner aber jeweils einen Sieg erhofft – doch am Ende waren beide Klubs mit einem 4:4 gut bedient. Die Bayern rangieren nun mit 3:5 Punkten auf Platz elf. König Tegel (2:6) schob sich vor MSA Zugzwang (1:7), das als Tabellen-15. nur vor Schlusslicht SV Griesheim (0:8) liegt.


„Das war natürlich nicht das, was wir uns erhofften – aber gegen Tegel bekamen wir noch soeben den Ausgleich hin“, sah Bayern-Kapitän Jörg Wengler wenig Grund zum Hadern. Die sehr frühe Niederlage von Thomas Reich gegen Ulf von Herman glich Valentin Dragnev erst nach 60 Zügen aus. Die österreichische Nachwuchshoffnung rettete den Bayern somit gegen Emilio Moreno Tejera wie schon am zweiten Spieltag einen Punkt. Reich hatte einen eigenen Turm im gegnerischen Lager ins Abseits gestellt. Die verirrte Schwerfigur ging für einen Läufer verloren. Der Rest war Technik für von Herman. Ansonsten gab es am Samstag ungewöhnlich viele Zugwiederholungen in dem Duell, wobei Martin Brüdigam ein spektakuläres Turmopfer für zwei Bauern und Angriff brachte – dem Schweden Philip Lindgren fiel bei seinem Bundesliga-Debüt für die Bayern aber auch nicht viel mehr als eine dreifache Stellungswiederholung ein, die zum Remis führte.


Beim 2:6 des FCB gegen den neuen Tabellensechsten SF Berlin patzten zu viele Münchner. „Das war sehr deutlich“, räumte Wengler ein, „wir hatten früh ziemlich viele schlechte Positionen, die auch alle verloren gingen.“ Beeindruckend war die Niederlage von Altmeister Zoltan Ribli. Der frühere WM-Kandidat aus Ungarn wurde von Krzysztof Jakubowski so vorgeführt wie selten in seiner Karriere. Die Schweden Linus Johansson und Lindgren remisierten immerhin gegen die Großmeister Martin Krämer und Daniyyl Dvirnyy. Den Ehrentreffer landete einmal mehr Michael Fedorovsky. Die Nummer zwei der Bayern in Berlin bestrafte das zu forsche Vorgehen des polnischen Favoriten Kacper Piorun.


Beim 2:6 der Münchener Schachakademie (MSA) ließ Gerald Hertneck (Foto oben) seine alte Klasse aufblitzen. Der einstige Top-50-Spieler brachte ein mutiges Figurenopfer für zwei Bauern, wonach der italienische Großmeister Daniele Vocaturo völlig den Faden verlor und mehrfach schwach fortsetzte. Außer in dieser aufregenden Partie mit wilden Opfern hatte der Aufsteiger nur noch bei zwei Remis Grund zur Freude: Robert Zysk trotzte Dvirnyy, zudem hielt Stefan Bromberger gegen den starken Armenier Hrant Melkumjan stand.


Der Spitzenspieler war es auch, der gegen König Tegel am Sonntag MSA den einzigen Erfolg bescherte. Bromberger manövrierte René Stern in einem glänzend geführten Endspiel aus. Das Gegenteil war bei Christoph Eichler der Fall, der ein Remis-Endspiel noch verlor. So konnte Stefan Frübing den Gastgebern das 4:4 retten. Hertneck kämpfte gegen Michael Richter vergeblich 62 Züge lang, um ein Turmendspiel doch noch zu gewinnen. Dafür verteidigte sich Markus Lammers umsichtig nach einem Bauernverlust und sicherte mit dem sechsten Remis des Keller-Duells das 4:4. „Wir sind erleichtert, dass wir als Aufsteiger gegen den nominell stärkeren Gegner den ersten Punkt in der Bundesliga einfuhren“, freute sich Lammers trotz der unnötigen Niederlage von Eichler.


König Tegel – Bayern München 4:4.

1. Brett Stern – Bischoff remis, 2. Rabiega – Fedorovsky remis, 3. Moreno Tejera – Dragnev 0:1, 4. M. Muse – Johansson remis, 5. Brüdigam – Lindgren remis, 6. Frübing – Ribli remis, 7. D. Muse – Schneider remis, 8. von Herman – Reich 1:0.

SF Berlin – MSA Zugzwang 6:2.

1. Melkumjan – Bromberger remis, 2. Piorun – Mons 1:0, 3. Vocaturo – Hertneck 0:1, 4. Krämer – Schramm 1:0, 5. Dvirnyy – Zysk remis, 6. Sprenger – Hoffmeyer 1:0, 7. Jakubowski – Eichler 1:0, 8. Baldauf – Lammers 1:0.

Bayern München – SF Berlin 2:6.

1. Bischoff – Melkumjan 0:1, 2. Fedorovsky – Piorun 1:0, 3. Dragnev – Vocaturo 0:1, 4. Johansson – Krämer remis, 5. Lindgren – Dvirnyy remis, 6. Belezky – Sprenger 0:1, 7. Ribli – Jakubowski 0:1, 8. Schneider – Baldauf 0:1.

MSA Zugzwang – König Tegel 4:4.

1. Bromberger – Stern 1:0, 2. Mons – Rabiega remis, 3. Hertneck – Richter remis, 4. Schramm – Moreno Tejera remis, 5. Zysk – M. Muse remis, 6. Hoffmeyer – Bürdigam remis, 7. Eichler – Frübing 0:1, 8. Lammers – D. Muse remis.



Über den Autor

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Georgios Souleidis ist Internationaler Schachmeister und hat in Bochum Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Er arbeitet als Journalist, Autor und Schachtrainer. Er schreibt u.a. als Chefredakteur für die Schachbundesliga, für Chessbase, die Zeitschrift SCHACH, SPIEGEL ONLINE oder die Deutsche Presse-Agentur. Falls er mal nicht schreibt, Training gibt oder auf seinem YouTube-Kanal Schach lehrt, versucht er aktiv am Brett zu beweisen, dass 1. e2-e4 der beste Eröffnungszug ist.