„Glücksgriff“ Mons bleibt auf dem Teppich

Erstellt am: 12.03.2018

MSA Zugzwang sorgt in der Schach-Bundesliga weiter „für viel Wirbel“/Spannender Abstiegskampf mit dem FC Bayern

„Die Münchener Schachakademie (MSA) Zugzwang sorgt weiterhin für viel Wirbel im Tabellenkeller. Dem Abstiegskandidaten gelang mit 5:3 ein überraschender Sieg gegen die Schachfreunde Berlin“, befindet Bundesliga-Pressesprecher Georgios Souleidis. „Wir waren überrascht, wie klar das ablief“, assistiert Großmeister Gerald Hertneck und ergänzt, „wir waren am Samstagabend super glücklich.“ Das Gefühl schmälerte auch tags darauf das 2:6 gegen Dresden nur wenig. Mit 6:18 Punkten überflügelte MSA Zugzwang immerhin den FC Bayern München (4:20).

Der Gastgeber hatte beim 3:5 gegen Dresden auch nicht viel zu bestellen. Bei sechs Remis unterlagen Spitzenspieler Valentin Dragnev und Makan Rafiee gegen den Ungarn Zoltan Almasi und Jakov Loxine. Bitterer fiel das 3,5:4,5 gegen die SF Berlin aus: Stefan Schneider unterlief gegen den weder verwandt noch verschwägerten Ilja Schneider ein Anfängerfehler, der ihn eine Figur kostete.

Und Ferdinand Unzicker stellte die Dame so unglücklich ins Abseits, dass sie verloren ging. Durch die beiden frühen Niederlagen kämpfte Bayern gegen Windmühlen. Noel Studer und Roman Vidonyak brachten den neuen Tabellen-15. aber noch fast heran durch ihre Siege über Aleksander Mista und Krzysztof Jakubowski – hätte sich da nicht auch noch die Niederlage von Philip Lindgren gegen Jacek Tomczak dazugesellt.

Noel Studer | Foto: Hartmut Metz
Noel Studer | Foto: Hartmut Metz

Der gewann zwar ebenso gegen Hertneck, fortan bestimmte jedoch MSA das Geschehen. Allen voran Leon Mons. Mit leichter Hand schlug der Spitzenspieler den Polen Kacper Piorun. „Das war ein relativ glatter Sieg. Ich kam mit Schwarz bequem aus der Eröffnung, erhielt etwas Druck, ehe Piorun einen Bauern einstellte. Danach war's ziemlich kaputt“, fasst der Mathematik-Student aus Erlangen seine Glanztat kurz zusammen.

Mehr ins Schwärmen gerät Hertneck mit Blick auf den „Glücksgriff“, der in seiner zweiten Saison bei MSA Zugzwang an Brett eins erst eine von zwölf Partien verlor und mit 6,5 Punkten eine Weltklasse-Leistung mit „einer 2700er-Performance“ abliefert. „So einen Spieler kann man sich in der Mannschaft nur wünschen“, hält der MSA-Ersatzkapitän den eigenen Topmann zudem abseits des Brettes für einen Gewinn.

„Bombastisch“, nennt gar Souleidis das Resultat von Mons. Obwohl der 22-Jährige nach seinen Turniererfolgen im April den Großmeister-Titel verliehen bekommt, bleibt er auf dem Teppich und strebt lieber eine Festanstellung als Mathematiker denn als Berufsspieler an: „Ein paar Monate spiele ich vielleicht nach meiner Master-Arbeit, die kurz vor dem Abschluss steht. Eine Profi-Laufbahn strebe ich jedoch nicht an.“ Sein Vorgehen gegen Zoltan Almasi entschuldigt Mons richtiggehend, obwohl man gegen den Ungarn auch als Anziehender nicht so leicht ein Remis einfährt: „Das war harmlos von mir und ein bisschen vorsichtig.“

Neben Mons sieht Hertneck seinen alten Weggefährten in der Nationalmannschaft, Stefan Kindermann, als zweiten Sieggaranten gegen Berlin an. „Die haben das Match gewonnen. Stefan spielt sehr gut und weist nun eine 2600er-Performance auf“, sagt Hertneck. Der wieder für Österreich ans Brett gehende Schachakademie-Leiter schlug Mista und ebnete so mit Christoph Eichler zusammen den Weg zum 5:3. Sein Kontrahent Arnd Lauber hatte einen Zwischenzug des Münchners übersehen, der ihn einen Turm kostete.

„Für mich kam der Sieg über Berlin völlig überraschend. Wir hatten doch an jedem Brett fast 100 Elo weniger. Dass das nicht entscheidet, kann eigentlich gar nicht sein“, findet Hertneck. Zu seiner unterhaltsamen Partie gegen den Dresdner Grzegorz Gajewski macht der 54-Jährige noch interessante Ausführungen: „In meinen Partien habe ich normal das Gefühl, das meiste gesehen zu haben, wenn ich Houdini analysiere. Die Partie habe ich von vorne bis hinten aber überhaupt nicht verstanden. Ich wollte endlich auch mal gewinnen und einmal mutig g4 spielen, so wie das anscheinend derzeit Mode ist. Ich dachte, ich stünde gut – aber die Schlusskombi von Gajewski war sehr schön, ja studienhaft mit dem Königsmarsch vor nach h5“, lobt Hertneck seinen Bezwinger.

Gerald Hertneck | Foto: Hartmut Metz
Gerald Hertneck | Foto: Hartmut Metz

Die letzten vier Teams sind mit dem Hamburger SK, MSA Zugzwang (beide 6:18), dem FC Bayern (4:20) und Absteiger Norderstedt (1:23) am letzten Wochenende unter sich und spielen in Berlin vom 29. April bis 1. Mai die Absteiger aus. „Da ist Musik drin bei dieser kuriosen Konstellation mit den letzten vier Teams“, findet Hertneck. Der frühere Weltklassespieler hatte eigentlich sein Oktett „bereits innerlich“ abgehakt. „Aber plötzlich wurde es nach unserem katastrophalen Start besser“, lässt der MSA-Großmeister die bisherige Saison Revue passieren.

Sofern es einem der Schlusslichter gelingt, alle sechs Punkte einzuheimsen, dürfte der Tabellenzwölfte SG Speyer-Schwegenheim (8:16), der SV Hofheim oder der SV Mülheim Nord (beide 9:15)  überflügelt werden können. Dieses Terzett hat nämlich ein deutlich schwereres Restprogramm und spielt nur in einem Match gegeneinander. „Wir haben eine gute Chance, uns zu halten, wenn wir gegen Bayern und Norderstedt gewinnen und auch gegen Hamburg etwas holen“, meint Überflieger Mons, der in Berlin einmal mehr gefordert ist.

Teaserfoto: Leon Mons (Hartmut Metz)



Über den Autor

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Hartmut Metz ist Redakteur beim Badischen Tagblatt mit Hauptsitz in Baden-Baden. Er schreibt außerdem unter anderem für die taz, die Frankfurter Rundschau und den Münchner Merkur über Schach und Tischtennis. Zudem verfasst der FM von der Rochade Kuppenheim regelmäßig Beiträge für das Schach-Magazin 64, Schach-Aktiv (Österreich) und Chessbase.de. Darüber hinaus stammen mehrere Turnierbücher aus seiner Feder.