Ein Plädoyer für mehr Engagement

Erstellt am: 23.03.2015
Der Rückzug des SC Eppingen sorgte naturgemäß für offentliche Diskussionen rund um die SBL. Der Präsident des Schachbundesliga e.V. äußert sich im folgenden Beitrag zur aktuellen Entwicklung und plädiert für mehr Engagement in den Vereinen.

Vor dem Finale der 35. Saison der eingleisigen Schachbundesliga (SBL) und angesichts aktueller öffentlicher Diskussionen möchte ich die Gelegenheit nutzen, in der folgenden überblicksartigen Zusammenschau auf die Entwicklung der Liga sowie auf die Arbeit im Schachbundesliga e.V. einzugehen.

Im Schachbundesliga e.V. sind die 16 Erstligavereine zusammengeschlossen. Dies bietet den Vereinen die Möglichkeit, eigenständig und in eigener Verantwortung über die Belange der SBL zu entscheiden. Auch der Deutsche Schachbund hat als Mitglied Sitz und Stimme und hat an vielen Stellen kompetente Unterstützung geleistet.

Seit der Gründung des Schachbundesliga e.V. im Februar 2007 stand stets die Weiterentwicklung der seit 1980 bestehenden eingleisigen Liga im Fokus der gemeinsamen Arbeit.

Eröffnung der Saison 2011/12 in Mülheim

Bei der Betrachtung der Entwicklung der SBL ist auch die Gesamtentwicklung des Vereinsschachs in den Blick zu nehmen. Vielfach werden hierbei die folgenden Probleme genannt:
 

  • Vereine fusionieren oder lösen sich auf, immer mehr Mannschaften werden vom Spielbetrieb abgemeldet.

    Aufgaben innerhalb der Vereine müssen auf immer weniger Schultern verteilt werden, Vorstandsämter können sogar in vielen größeren Vereinen nicht mehr besetzt werden.

    Immer mehr Vereinsmitglieder treten nur noch als „Konsumenten“ auf, das „Vereinsleben“ beschränkt sich oft auf die Teilnahme an Mannschaftskämpfen.

    Das Engagement von Vielen für den VEREIN als VEREINIGUNG tritt in den Hintergrund.


Dort, wo Einzelne die gesamte Arbeit inkl. Einwerbung der benötigten Gelder leisten und dies nicht mehr können oder wollen, besteht die Gefahr des Wegbrechens der mühsam aufgebauten Errungenschaften.

Dies trifft jedoch nicht nur Schachvereine, sondern ebenso Vereine in anderen Bereichen und Sportarten.

Gründe hierfür sind daher primär in gesellschaftlichen Entwicklungen zu suchen. Es gibt einen bereits jahrzehntelangen Trend zur Individualisierung, der sich weiter verstärkt. Zusätzlich sind die Anforderungen an den Einzelnen kontinuierlich gestiegen. Als Reaktion hierauf ist ein Rückzug ins Private und in den Konsum zu beobachten.

Solche Trends gehen an den Vereinen der SBL naturgemäß nicht spurlos vorüber. Leider ist es auch zu Rückzügen von Mannschaften gekommen, für die die personellen oder finanziellen Ressourcen nicht mehr in ausreichendem Maße verfügbar waren.

Trotz der erwähnten, oftmals schwierigen Bedingungen haben die Vereine der SBL in den letzten Jahren intensiv an der Weiterentwicklung ihres Produktes gearbeitet. Folgende Beispiele mögen dies verdeutlichen:

Die verpflichtende Internet-Liveübertragung hat die Reichweite und den Bekanntheitsgrad national und international enorm gesteigert. Pro Wochenende werden 15.000-20.000 Zuschauer erreicht. Die Software, die für das Liveportal der SBL entwickelt wurde, findet inzwischen in vielen weiteren Spitzenturnieren Anwendung.

Das Niveau der Spielbedingungen sowie der Präsentation der Wettkämpfe für die Zuschauer vor Ort konnte weiter angehoben werden. Es gibt weltweit keine Schachliga, die Vergleichbares bietet! Natürlich sind höhere Standards auch mit höherem Organisations- und Kostenaufwand verbunden.

Simultan mit Anatoly Karpov während der zentralen Endrunde in Hockenheim

Die Vereine aus Mülheim, Hockenheim und Eppingen haben Auftakt- bzw. Endrunden unter Beteiligung aller 16 Mannschaften realisiert, die jeweils mehrere tausend Besucher angelockt haben und Festivalcharakter hatten.

Die ligaeigene Website wird von Georgios Souleidis als Redakteur betreut und bietet durchgängig hochwertigen Content sowie alles Wissenswerte rund um die SBL.

Die SBL darf sich mit Fug und Recht als stärkste Schachliga der Welt bezeichnen. Dennoch ist sie keine Profiliga, sondern legt Wert auf die Mischung zwischen Profis, Amateuren und Nachwuchsspielern. Letztere spielen in den Planungen der Vereine eine immer größere Rolle und profitieren in besonderem Maße von den Einsatzmöglichkeiten in einer starken Liga und der Zusammenarbeit mit den Spitzenspielern im eigenen Team. Übrigens waren bereits acht Weltmeister in der SBL aktiv!

Nachwuchsstar Matthias Bluebaum im Einsatz für den SV Werder Bremen

Im Rahmen der halbjährlichen Vollversammlungen des Schachbundesliga e.V. wurden Schwerpunkte für die nächsten Aufgaben erörtert. Zwei Beispiele seien genannt:
 

Ausbau der dezentralen Vermarktung. Die Erfahrungen der Vereine zeigen, dass wichtige Bausteine hierfür die Berichterstattung in den lokalen Medien, die Zusammenarbeit mit der örtlichen Politik sowie die Verbindung des Spitzensportes mit einer stringenten Nachwuchsarbeit sind.

Stärkung der vereinsinternen Bindung zum Spitzensport. Hierbei bieten sich Aktionen und Veranstaltungen unter Einbeziehung der Bundesligaspieler an, z.B. Preisblitzturniere, Trainingsangebote, Simultanvorstellungen und Vorträge. Gute Erfahrungen wurden auch mit Aktionen mit Bundesligaspielern in Schulen sowie mit öffentlichen Autogrammstunden gemacht.

Autogrammstunde während der zentralen Endrunde in Eppingen

Wenn es gelingt, neben der Schachöffentlichkeit auch die allgemeine Öffentlichkeit stärker als bisher zu erreichen, wird darüber hinaus auch eine zentrale Vermarktung wesentlich erleichtert.

Als Flaggschiff des Mannschaftsspielbetriebes in Deutschland will die SBL weiterhin beste Qualität für ein möglichst breites Publikum anbieten, für die Spieler attraktiv bleiben und den Vereinen ermöglichen, ihre sportlichen Ziele unter deutlicher Steigerung der Außenwirkung zu erreichen.

Livekommentierung während der zentralen Endrunde in Hockenheim

Ich verhehle dabei nicht, dass sich der Schachbundesliga e.V. nicht imstande sieht und es auch nicht seine Aufgabe sein kann, Probleme nachhaltig zu lösen, die sich im Innenverhältnis von Vereinen ergeben, etwa durch den Wegfall personeller und finanzieller Ressourcen. Gleichwohl hat sich gezeigt, dass sportlicher Erfolg und die Zugehörigkeit zur höchsten Spielklasse vereinsintern und vereinsübergreifend zusätzliche positive Kräfte freisetzen kann. Dieser Effekt scheint umso stärker einzutreten, je mehr der VEREINsgedanke im Vordergrund steht und in der Praxis gelebt wird.

Markus Schäfer
Präsident Schachbundesliga e.V.

Über den Autor