Von Hartmut Metz
Boris Becker kennt sich aus im Sport. Beim laut Eigenwerbung „härtesten Quiz Deutschlands“ stellte Moderator Johannes B. Kerner in der letzten „Special“-Ausgabe die Frage: „Durch den Aufstieg der MSA 82 Zugzwang e.V. kommt es in der laufenden Saison zum Derby gegen Bayern München in der …? A Turner-Bundesliga, B Gewichtheber-Bundesliga, C Schach-Bundesliga.“ Der bekennende Bayern-Fußballfan stemmte die Hand gegen den Mund und sinnierte – bevor er richtig antwortete. „Jetzt, nachdem er uns kennt, kann er sich ja bei uns melden“, scherzt Markus Lammers – schließlich hätte sein Verein MSA 82 Zugzwang bei den ersten Bundesliga-Heimspielen der Vereinsgeschichte am Wochenende gerne solch einen Promi als zusätzliches Zugpferd für Schaulustige.
Obwohl Becker auch schon am Schachbrett posierte und Tennis gelegentlich mit Schach-Analogien bereichert, wird der ehemalige Wimbledon-Sieger sicher im Kulturhaus Milbertshofen (Curt Mezger Platz 1) keine paar Asse schlagen. Diese Aufgabe müssen notgedrungen die Großmeister von MSA und Bayern München übernehmen. Leicht wird es nicht. „Wir wollen uns bestmöglich verkaufen und einem Gegner ein Bein stellen“, kündigt Lammers an. Dabei denkt der Kapitän des Tabellenschlusslichts (1:11 Punkte) aber weniger an die Samstags-Partie (14 Uhr) gegen Werder Bremen. „Gegen die ist ein Punkt nicht sehr realistisch“, räumt der frühere Delmenhorster ein, auch wenn er früher den Bremern manchen Einzeltitel im dortigen Landesverband wegschnappte. Werder weist bisher nur 6:6 Zähler auf und dümpelt im Tabellen-Niemandsland auf Platz acht. An besseren Tagen kämpften die Hanseaten sogar mit um den Titel und wurden im Regelfall am Saisonende Vizemeister oder Dritter.
Realistischer sind die Chancen des Tabellen-16. am Sonntag (10 Uhr). Der Hamburger SK (6:6) liegt zwar diese Saison auf Rang sechs besser als der Erzrivale aus dem hohen Norden, im Regelfall tritt der Bundesliga-Dino aber auch stets nominell schwächer als Werder an. So oder so: Lammers freut sich persönlich auf die Vergleiche mit seinen alten Rivalen und hofft, dass die „Aufstellungen bei ihnen weiter schwanken“, in diesem Fall eher nach unten in der Rangliste.
Das käme auch Bayern München zugute. Der FCB hat immerhin bereits drei Pluspunkte auf der Habenseite und könnte mit einem unerwarteten Sieg Abstiegsrang 13 verlassen. Vor allem einer strotzt derzeit bei den Bayern vor Selbstbewusstsein: Valentin Dragnev. „Chancen auf Punkte haben wir eigentlich immer, man sollte uns nicht unterschätzen!“, verkündet der 17-Jährige vor dem Duell am Samstag in Milbertshofen gegen Hamburg und schiebt etwas vorsichtiger nach, „Bremen und Hamburg sind natürlich sehr starke Teams, wie sie gegen uns aufstellen werden, ist jedoch unklar.“
Um eine Überraschung zu ermöglichen, müsste Dragnev mit weiteren Siegen über Topleute den Grundstein legen. Dass der österreichische Nationalspieler das Zeug dazu hat, bewies das Talent in den vergangenen Wochen: Mit einem zweiten Platz beim Open in Zadar schaffte er die erste Großmeister-Norm, nun ließ er vor wenigen Tagen die zweite in Gibraltar folgen. Nach einer dritten Norm bekäme Dragnev den höchsten Titel des Schach-Weltverbandes FIDE und würde auf Lebenszeit zum Großmeister ernannt. Seinen Husarenritt beim Weltklasseturnier auf dem Affenfelsen kommentiert der Jungstar, der 2015 bei den Bayern angeheuert hatte und sich seitdem prächtig entwickelte, lapidar mit „in Gibraltar lief's passabel“. Dort schlug er unter anderem mit dem ehemaligen Weltranglistenzweiten Wassili Iwantschuk eine Legende auf den 64 Feldern. Damit die Bayern selbst am Sonntagmorgen gegen Werder von mehr als einer ehrenvollen Niederlage träumen dürfen, muss wohl Dragnev wie einst „Bobbele“ Becker im Ernstfall ein Ass schlagen.