Fast die Hälfte der 128 Teilnehmer war für einen deutschen Verein gemeldet. Und das nicht ausschließlich bei einem Erstbundesligisten. Das sibirische Schachspektakel hatte gerade begonnen, da sahen wir auf Twitter schon den Zweitligisten Münchner SC 1836 mit seiner dreiköpfigen Delegation mitfiebern.
Und die war durchaus namhaft und elostark: der britische Großmeister Gawain Jones, der iranische Wunderknabe Alireza Firouzja und dessen Landsmann Amin Tabatabei sollen in der kommenden Saison dafür sorgen, dass der Traditionsverein ins Oberhaus zurückkehrt.
Aus deutscher Perspektive haben wir zu Beginn des Spektakels natürlich besonders genau bei unseren Landsleuten hingeschaut. Die Erfahrung vergangener World Cups lehrt ja, dass deutsche Großmeister dort nicht viel zu bestellen haben, gelegentlich die erste Runde überstehen und dann ausscheiden. Also lieber von Beginn an hingucken, um nichts zu verpassen.
Würde der Deutsche Meister Niclas Huschenbeth überhaupt die erste Runde überstehen? Mit Arkadij Naiditsch wartete jemand auf ihn, der zwar unlängst in der chinesischen Liga die Elopunkte gleich dutzendweise eingestellt hat, aber im Prinzip der 2700er-Riege zuzurechnen ist. Und jeden schlagen kann. Allerdings auch gegen jeden verlieren.
Huschenbeth, die neue Nummer eins des FC Bayern, hat sich in der jüngeren Vergangenheit für exzellente Eröffnungsvorbereitung einen Namen gemacht. Warum, das bekam Naiditsch gleich in der ersten Partie zu spüren, in der Huschenbeth im Winawer-Franzosen einer AlphaZero-Empfehlung folgte, die die Partie in ein für den Anziehenden angenehmes Endspiel münden lässt. Und das entschied Huschenbeth sicher für sich.
Von seinem Gegner in der zweiten Runde, Nikita Vitiugov vom SC Hockenheim, wird später noch zu reden sein. In diesem Match zeigte der Deutsche, dass Eröffnungsarbeit nur ein Standbein seines jüngsten Aufschwungs ist. Das andere ist hartes Rechentraining. Nachdem Huschenbeth in der Weißpartie keinen Druck hatte aufbauen können, stand er mit Schwarz schnell mit dem Rücken zur Wand. Einen Rettungsweg gab es, aber um den zu finden, musste Huschenbeth eine lange, forcierte Variante rechnen und deren Schlussstellung korrekt abschätzen.
Der Neu-Bayer und Ex-Hamburger rettete sich tatsächlich und sollte danach im Tiebreak eigentlich das Momentum auf seiner Seite haben. Zwar hat es dann doch nicht gereicht, aber im Nachhinein kann er sich noch einmal auf die Schulter klopfen, dass er Vitiugov das Leben derart schwer gemacht hat. Der sollte nämlich in den Runden danach die (gefühlten) Top-10-Spieler Wesley So und Sergej Karjakin aus dem Turnier kegeln, bevor er im Viertelfinale auf den Chinesen Yu Yangyi traf, eines der beiden dramatischsten Matches des Turniers.
Und Liviu Dieter Nisipeanu? Das Ausscheiden der deutschen Nummer eins vom USV TU Dresden schon in der ersten Runde gegen seinen Ex-Landsmann Micrea Parligras (Elo 2629) wäre zwar etwas überraschend, aber keine Sensation gewesen. Doch nach zwei Remisen in den klassischen Partien setzte sich Nisipeanu im Schnellschach sicher durch.
Nur um dann auf Hikaru Nakamura zu treffen, die ehemalige Nummer zwei der Welt...
(wird fortgesetzt)