Die Partie der Saison 2013/14

Erstellt am: 25.09.2014
Die Wahl zur Partie der Saison war eine einseitige Angelegenheit zugunsten eines jungen Mannes, dessen Partie die Leser der Schachbundesliga mit großem Abstand zur besten der abgelaufenen Spielzeit gewählt haben. Um welche Partie es sich handelt, erfahren sie im folgenden Beitrag.


In diesem Beitrag standen zehn Partien zur Auswahl. Es war für jeden Geschmack etwas dabei und am Ende setzte sich IM Maximilian Meinhardt mit riesigem Vorsprung vor Matthias Bluebaum und Mateusz Bartel durch.

Das Abstimmungsergebnis:

1. Maximilian Meinhardt - Nazar Firman 76 Punkte
2. Matthias Bluebaum - Mads Andersen 33 Punkte
3. Michael Bezold - Mateusz Bartel 29 Punkte
4. Arkadij Naiditsch - Predrag Nikolic 28 Punkte
5. Dennis Wagner - Alexei Shirov 25 Punkte
6. Etienne Bacrot - Anish Giri 22 Punkte
7. Lothar Vogt - Jonas Lampert 21 Punkte
8. Maxime Vachier-Lagrave - Andrei Volokitin 20 Punkte
9. Maxim Rodshtein - Anatoly Karpov 15 Punkte
10. Francisco Vallejo Pons - Miroslaw Grabarczyk 12 Punkte

Meinhardt freute sich sehr über die Auszeichnung und schickte uns eine ausführliche Analyse seines Sieges gegen den ukrainischen Großmeister:

Meinhardt,M (2394) - Firman,N (2533) [B46]
Schachbundesliga 2013/2014 (5), 14.12.2013


Bevor ich mit der Analyse meiner Partie beginne, möchte ich mich zunächst herzlich bei Georgios Souleidis für die ausgezeichnete Berichterstattung auf schachbundesliga.de und die Organisation dieser Wahl bedanken. Außerdem danke ich meinem Verein, dem SC Viernheim, der das (kurze) Abenteuer in der Schachbundesliga überhaupt ermöglichte. Danke an alle, die für meine Partie gegen GM Nazar Firman votierten und an meinen ukrainischen Schachfreund selbst, der an dieser Partie genauso beteiligt war wie ich. Ich freue mich sehr über diese Auszeichnung und es ehrt mich, dass dieses Duell den Vorzug vor neun schönen Partien erhielt, die von deutlich stärkeren Spielern und lebenden Legenden auf die Schachbundesligabretter gezaubert wurden. Aber genug der rührseligen Worte und zum prosaischen Ablauf dieser Dezemberpartie in Griesheim. 1.e4 c5 2.Sf3 Die Viernheimer Vorbereitung auf die Wettkämpfe gegen Katernberg und Emsdetten fand in einem gemeinsamen Erklimmen des Betzenbergs am Freitagabend ihre desillusionierende Krönung. Unterkühlt, lethargisch, ideenlos verlor der 1.FCK gegen Außenseiter Paderborn 0:1. Die Stimmung war trüb, der Frust saß tief: nur aggressiv geführte Schachpartien mit der Hoffnung auf Paderborn-ähnliche Außenseitersiege konnten Linderung schaffen. Tatsächlich sollten samstags sieben Partien entschieden enden. Wir verloren nach starkem Pressing an allen Brettern allerdings trotzdem 3,5:4,5. Der schmähliche Vorabend im Stadion beeinflusste auch meine Eröffnungswahl, da ich sonst häufiger den geschlossenen Sizilianer einsetze, der zu einem ruhigeren Spielaufbau führt. 2...e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sc3 d6 6.g3 Mit dieser Fianchetto-Variante gegen viele Abspiele, die nach 2...e6 entstehen, spielte ich bereits einige Partien auch gegen Großmeister mit ordentlichen Ergebnissen. 6...a6 7.Lg2 Ld7 8.a4 Tc8

Hier und in den folgenden Zügen hätte mein Gegner mit der normalen Entwicklung seines Springers nach f6 Platz für seinen König schaffen können. Eine Beispielvariante könnte wie folgt aussehen: 8...Sf6 9.0-0 Le7 10.Sb3 um a5 zu unterstützen und den d7-Läufer nicht so leicht nach c6 kommen zulassen 10...Dc7 11.f4 (11.a5 0-0 12.Le3) 11...0-0 und hier kann Weiß mit g4-g5 und einem Schwenk auf die h-Linie einen weiteren typischen Plan verfolgen. 12.g4!? 9.0-0 Le7 10.Te1 Dc7 Der für seine originelle, kreative und risikobereite Spielweise bekannte Großmeister unterlässt es abermals, seine Entwicklung am Königsflügel voranzutreiben. Nach dem normalen Zug 10...Sf6 wäre die Partie in gewöhnlichere Bahnen übergegangen. So ähnelt die Stellung nach 11.Sxc6 Lxc6 12.a5 0-0 13.Le3 der Position, die sich in der beeindruckenden Partie zwischen Peter Leko und Pavel Tregubov aus dem Jahr 2013 ergab und mit der ich mich in meiner Vorbereitung länger beschäftigt hatte. Allerdings sind hier die Züge Te1 und die schwarze Rochade eingeschaltet, was dazu führt, dass 13...Dc7 (13...Sd7 mit einer ausgewogenen Stellung) 14.Lb6 Db8 mit dem starken Zug 15.Sd5! beantwortet werden könnte. 11.Sxc6 Lxc6 12.Dg4!?

Versucht auf plumpe Weise den Umstand auszunutzen, dass der schwarze Königsflügel noch bewegungslos im Dezemberfrost vor sich hin (er)starrt. Als ich diesen Zug spielte, hätte ich meinen a-Bauern darauf verwettet, dass mir mein angriffslustiger Kontrahent, dessen kompromisslosen Stil ich aus eigener Erfahrung und der Beschäftigung mit seinen Partien kannte und bewunderte, hier 12...h5 entgegenschleudern würde. Die Provokation funktioniert, nur ist h5 natürlich eine typische Riposte auf Dg4 und keineswegs schlecht. Dennoch war mir die Schwächung des Königsflügels diesen Damendoppelschritt wert. 13.De2 nach 13.Dxg7?? Lf6-+ wäre die Partie vermutlich nicht nominiert worden. 13...h4 Konsequent! Interessanterweise findet man zu dieser Stellung noch vier Partien in der Datenbank und einmal wurde sogar 14.Lf4!?

gespielt. Die ser Zug mutet ein wenig sonderlich an. Vielleicht hegte ich unterbewusst die irre Hoffnung, meinen Gegenspieler mit diesem Zug zu g5 provozieren zu können. Man hätte auch 14.Le3 spielen können, um schnell mit a5 den schwarzen Damenflügel zu paralysieren. Dazu muss der weiße a-Turm jedoch auf seinem angestammten Platz im Eck bleiben. Mir schwebte eher ein harmonisches Spiel im Zentrum vor, um auf der halboffenen d-Linie den schwachen Bauern d6 zu beäugen. 14...Sf6 15.a5 Sd7 16.Ted1= und der schwarze Monarch wankt gegebenenfalls über f8 aus der Schusslinie. 14...hxg3 Während der Partie sorgte ich mich mehr darum, dass Schwarz die Spannung auf der h-Linie halten würde, um den Bauernvorstoß nach h3 weiterhin in petto zu haben. So ist 14...Sf6 auch an dieser Stelle möglich, da 15.e5?! sowohl mit 15...Sh5 als auch mit 15...dxe5 erwidert werden könnte. (15.Tad1 wäre meine Wahl gewesen, wonach es vielleicht zu einer deutlich anderen Bauernkonfiguration am Königsflügel gekommen wäre 15...Kf8 16.g4!? h3 17.Lf3) 15...Sh5 (15...dxe5 16.Lxe5 Db6 und das Öffnen der Stellung kommt komischerweise dem Nachziehenden zugute) 16.exd6 Sxf4 17.dxc7 Sxe2+ 18.Txe2 Txc7 15.hxg3 Sf6 Der Springer gelangt endlich ins Spiel, aber dem König fällt es gerade wegen der nun geöffneten h-Linie schwer, einen bequemen Rückzugsort aufzuspüren. 16.Tad1 Nun stehen alle weißen Figuren harmonisch koordiniert und sind bereit für rabiate Aktionen in der Mitte des Brettes. 16...Db6 Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, statt des Damenmanövers doch noch zu rochieren oder Kf8 zu spielen. Aus menschlicher Sicht erscheint das in Anbetracht der letzten schwarzen Züge jedoch unlogisch. Ideen wie g4-g5, Td3-h3 lägen in der Luft. 16...0-0 17.b3 Da5 18.Td3 Tfd8 19.Ted1

17.b3! Das typische Opfermotiv Sd5 war auch an dieser Stelle interessant. Nach längerem Nachdenken kam ich aber zu dem Schluss, dass es besser sei zu warten und den a4-Bauern prophylaktisch zu decken, da Schwarz kaum sinnvolle Züge zur Verfügung hat. 17.Lxd6? würde schwarzes Gegenspiel bedingen 17...Lxd6 18.Txd6 Dxb2; 17.Sd5!? Lxd5
a) 17...exd5?? 18.exd5+- und die schwarze Festung zerbröckelt;
b) 17...Sxd5 18.exd5 Lxa4 (18...Ld7 19.dxe6 fxe6 (19...Lxe6 20.Ld5+-) 20.Ld5+- und die Löcher am Königsflügel gewähren Einlass) 19.dxe6 f5 auch hier steht Weiß deutlich besser, aber mit einem Bauern auf b3 müsste man derartige Verwicklungen nicht berechnen. 20.b3 Lc6±;
c) 17...Dxb2 18.Sxe7 Kxe7 19.Lxd6+ Ke8 20.De3 und die weiße Dominanz auf den schwarzen Feldern entscheidet die Partie.; 18.exd5 e5 19.Lxe5 (19.b3 Dc7! mit Deckung des Läufers auf e7 und gleichzeitigem Angriff auf den c2-Bauern. 20.Ld2 Dxc2 21.Tc1 Df5 22.Txc8+ Dxc8 und Weiß muss seine Kompensation für den Minusbauern erstmal nachweisen) 19...dxe5 20.Dxe5 0-0 21.Dxe7 Tfe8 22.Da3 Txc2 und Weiß muss wegen der enormen schwarzen Aktivität aufpassen, dass sich der Trend nicht komplett dreht. 17...Dc5 17...Ld7 18.Td3 18.Sd5 nur folgerichtig 18...Lxd5 18...Sxd5 19.exd5 Ld7 (19...Lxd5 20.Lxd5+-) 20.dxe6 fxe6 21.Dg4+- und dem Nachziehenden droht auf beiden Flügeln, b7 und g7 hängen, Ungemach. 19.exd5 e5 auf 19...Dxc2 entscheidet die Kraft des weißen Läuferpaars zügig die Partie. 20.Td2! Dxb3 21.dxe6+- 20.c4 jetzt stützen sich die weißen Bauern auf den weißen Feldern am Damenflügel gegenseitig. Allerdings heißt das auch, dass man sich besser nicht auf einen Tausch der schwarzfeldrigen Läufer einlassen sollte. Dynamisches Spiel ist gefragt! 20...Ld8 20...0-0 21.Ld2 Ld8 22.Lh3 Tc7 23.a5± und Weiß kann den typischen Vormarsch der Bauern am Damenflügel langsam und ungestört vorbereiten. 21.Le3 Db4 Falls Schwarz nun zu Lb6 käme und es ihm gelänge, mit seinem Springer gegen den g2-Läufer zu verbleiben, hätte er positionell paradiesische Zustände erreicht. Weiß muss schnell handeln und konsequent die unsichere Stellung des schwarzen Königs ausbeuten!

22.c5! Der ungezogene e8-König erlaubt diesen starken Hebel. 22...Dxb3?! Bei knapp werde nder Zeit forciert mein Gegner die Geschehnisse und hofft auf Verwicklungen. Mit dem König auf e8 darf ein solcher Lösungsversuch aber einfach nicht erfolgreich verlaufen. 22...dxc5? 23.Ld2 Dg4 24.Dxe5+ Kf8 25.d6+-;
22...Txc5!? wäre die zäheste Fortsetzung gewesen. Durch das Qualitätsopfer halbiert Schwarz nicht nur das weiße Läuferpaar, sondern eliminiert auch den wichtigen c5-Bauern, den es ständig nach c6 drängt. Dennoch steht Weiß nach 23.Lxc5 Dxc5 24.Tc1 Db6 25.Dc4 und der Besetzung der c-Linie deutlich besser. Die Verwertung des Vorteils wäre allerdings nicht leicht geworden. 23.Tb1 Das Eindringen auf die siebte Reihe, das mit der Vernichtung des wichtigen Bauern auf b7 einhergeht, ist hier mehr als einen Bauern wert. 23.c6!? wäre auch stark gewesen, da das natürliche 23...bxc6 mit 24.Dxa6! nebst bxc6 beantwortet wird. 24...Tb8 25.dxc6+- 23...Dxa4 24.Txb7 dxc5? Der endgültige Verlustzug. Es is jedoch nachvollziebar, dass Schwarz sich nicht auf die qualvolle Verteidigung einer Stellung einlassen wollte, in der er gegen das weiße Läuferpaar, einen gedeckten Freibauern auf c6 und herrlich koordinierte Figuren ankämpfen müsste. 24...0-0 25.c6 e4 26.Lh3 Tc7 27.Td1 und Weiß steht klar besser. 25.Lxc5+- Sd7 auf 25...Txc5 gewinnt 26.Dxe5+ Kf8 27.Dd6+ Kg8 28.Dxc5+- simpel die Partie.

26.Dxe5+! ein effektvoller Abschluss, der wegen der forcierten Geradlinigkeit der Varianten aber zugegebenermaßen nicht allzu schwer zu berechnen war.Damenopfer, die funktionieren, führt man trotzdem gerne aus. 26...Sxe5 27.Txe5+ Le7 28.Texe7+ und hier gab mein Katernberger Kontrahent auf. Dadurch blieb leider der ästhetische Mattschuss hinter den Kulissen. Nämlich 28.Texe7+ Kf8 (auf 28...Kd8 folgt 29.Lb6+ Tc7 30.Texc7 Dd1+ 31.Lf1 Th1+ 32.Kxh1 Dxf1+ 33.Kh2+- und es ist schön zu sehen, dass der b6-Läufer auch ins eigene Lager wirkt und den Bauern auf f2 deckt.) 29.Txf7+ Ke8 (29...Kg8 30.Txg7#) 30.Tbe7+ Kd8 31.Lb6+ Tc7 32.Lxc7+ Kc8 und jetzt darf auch der zweite Läufer mitmischen 33.Lh3+! Txh3 der Turm zi eht zum ersten Mal, kann sich aber nicht lang an seiner Bewegungsfreiheit erfreuen. Der schwarze König wird in drei Zügen erlegt. 34.Tf8+ Kb7 35.La5+ Dd7 36.Txd7#

Nochmals vielen Dank für die phänomenale Unterstützung und die große Wahlbeteiligung. Auch wenn Viernheim diesen Kampf knapp verlor und wir als Tabellenletzter abstiegen, hat es viel Spaß gemacht und wertvolle Erfahrungen gebracht im deutschen Schachoberhaus als Stammspieler antreten zu können. Dass mich diese Partie und diese Ehrung stets an die Bundesligasaison 2013/14 erinnern wird, wirkt motivierend auf die beginnende Zweitligarunde. In dieser (Fußball)-Saison spielt nun Paderborn sensationell in der ersten Liga, wohingegen Kaiserslautern und Viernheim immer noch/wieder zweitklassig um Punkte kämpfen. Ich würde meinen a-Bauern darauf verwetten, dass sich an dieser Verteilung im nächsten Jahr irgendetwas ändern wird :-) 1-0

IM Maximilian Meinhardt

Da die Analyse sehr ausführlich ist, bieten wir die Partie auch im pgn-Format zum Herunterladen an.

meinhardt_firman.pgn

Aus allen Einsendungen wurden vier Gewinner aus dem "Lostopf" gezogen. Alle erhalten einen Gutschein, den sie beim Kooperationspartner der Schachbundesliga, Schach Niggemann, einlösen können.

Gerhard Mares (Schifferstadt) und Roland Lücker (Berlin) erhalten jeweils einen 30-Euro-Gutschein, während sich Michael Klein (Rheinstetten) und Manuel Gauer (Lörzweiler) jeweils über einen 20-Euro-Gutschein freuen dürfen.

Wir bedanken uns bei allen Lesern, die an der Wahl teilgenommen haben.

PGN Download: 
Partie(n) zum Nachspielen: 
<a href=http://sbl.logdinei.de/sites/default/files/pgn/meinhardt_firman.pgn>PGN</a>

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