Die Miniatur der Saison

Erstellt am: 12.04.2016
Patrick Zelbel | Foto: Guido Giotta

Im Kampf der 12. Runde zwischen dem SC Hansa Dortmund und SK Turm Emsdetten siegte Patrick Zelbel nach nur 14 Zügen gegen Roeland Pruijssers. So eine Miniatur ist äußerst selten in der SBL und auf diesem Niveau. Grund genug, uns die Partie näher anzuschauen. Außerdem kommt der Gewinner zu Wort.

Die Partie mit Kommentaren können sie auch am Ende des Artikels mit unserem Tool nachspielen.

Zelbel,Patrick (2437) - Pruijssers,Roeland (2467) [C32]
SBL 1516 Hansa Dortmund - Turm Emsdetten, 09.04.2016


1.e4 e5 2.f4 d5 Das Falkbeer-Gegengambit, benannt nach Ernst Falkbeer, einem österreichischen Schachmeister des 19. Jahrhunderts. 2...exf4 3.Sf3 d5 4.exd5 siehe Anmerkung nach 3...exf4. 3.exd5 e4

Das ist das eigentliche Gambit, womit Schwarz vorübergehend die Entwicklung des Springers nach f3 verhindert. Folgt man den gängigen Computerprogrammen, ist das aber schon eine Ungenauigkeit. "Ja, ich glaube auch, dass 3...e4 schlecht ist." (Zelbel). 3...exf4 ist der kritische Zug. Nach 4.Sf3 entsteht durch Zugumstellung eine Variante des Königsspringergambits. 4.d3 Sf6 4...exd3 5.Lxd3 Sf6 (5...Dxd5 6.Sf3 mit weißem Entwicklungsvorsprung) 6.c4 Lb4+ 7.Ld2 De7+ 8.De2 und Schwarz hat keine Kompensation für den Bauern. 5.dxe4 Sxe4 6.Sf3 Lc5 7.De2! Lf5 7...Lf2+? 8.Kd1 f5 9.Sfd2! Lc5 10.Sxe4 fxe4 11.Dxe4+± macht gar keinen Sinn. 7...De7 8.Le3 ist eine weitere Zugfolge, die mehrmals gespielt wurde, doch es gibt hier keine Fortsetzung, die für Schwarz auch nur ansatzweise ausgleicht, z.B. 8...Lxe3 9.Dxe3 0-0 10.Sbd2 Te8 11.0-0-0 Sf6 12.Dxe7 Txe7 13.Sc4±

8.Sc3 8.g4?! "Auf diesen Zug hatte sich mein Gegner vorbereitet, erzählte er mir nach der Partie." (Zelbel) Das überrascht ein wenig, denn die Engines zeigen nach 8...0-0! an, dass Schwarz besser steht und auch ein Blick in die Datenbanken bestätigt das, z.B. 9.gxf5 Te8 10.Lg2 (10.Dg2 Sf2+ 11.Le2 Sxh1 12.Dxh1 Dxd5 13.Sc3 Dxf5 14.Kf1 Dxc2‚ ist wohl noch das Beste, was Weiß erzielen kann. Aber es wird sich kaum ein Spieler finden, der das ernsthaft testen möchte) 10...Sf2 11.Se5 Sxh1 12.Lxh1 Sd7 13.Sc3 f6 14.Se4 fxe5 15.Sxc5 Sxc5 16.fxe5 Dh4+-+ Konovalov,N (2443)-Popov,I (2516) Lviv 2006. 8...De7 9.Le3 Sxc3 9...Lxe3 10.Dxe3 Sxc3 11.Dxe7+ Kxe7 12.bxc3 Le4 (12...Lxc2 13.Kd2 Lf5 14.Sd4 g6 (14...Ld7 15.Tb1 b6 16.Ld3±) 15.Sxf5+ gxf5 16.Tb1 b6 17.Lb5 mit weißem Vorteil) 13.Sg5 Lxd5 14.0-0-0 führt zu einem schlechten Endspiel für Schwarz, da er unterentwickelt ist und wegen seines schlecht postierten Königs ständig Drohungen der gegnerischen Figuren ausgesetzt ist, z.B. 14...c6 15.Ld3 Sa6 16.The1+ Kf6 17.c4 Le6 18.Se4+ Ke7 19.c5 Sb4 20.Sd6± Mayer,J (2191)-Vuillemin,G (2187) ICCF email 2014. 10.Lxc5 Sxe2 10...Dxe2+ 11.Lxe2 Sxe2 (11...Sd7 12.bxc3 Sxc5 13.0-0-0±) 12.Kxe2 Sa6 13.La3 Lxc2 ist interessant, doch Weiß dürfte einen Endspielvorteil besitzen, wie die folgende Variante zeigt: 14.Kd2 Le4 15.Sg5! Lxd5 16.The1+ Kd7 17.Te5 Lxg2 18.Sxf7 Thg8 19.Tg1 Ld5 20.Txd5+ Ke6 21.Tgg5 Kxf7 22.Td7+ Ke6 23.Tgxg7 mit weißem Vorteil. 11.Lxe7 Sxf4

12.La3! Verhindert die kurze Rochade. 12...Sd7?! 12...Sxd5 musste geschehen, aber nach 13.0-0-0 Le6 14.Lc4 c6 15.The1 Sd7 (15...Kd8 16.Sg5 Te8 17.Tf1!±) 16.Lxd5 cxd5 17.Txd5 0-0-0 18.Tg5± bekommt Weiß seinen Bauern zurück bei anhaltender Initiative. 13.0-0-0 0-0-0? Ein Einsteller. 13...Le4 ist der einzige Zug, der die Partie einigermaßen am Laufen hält, doch nach 14.Td4 Lxf3 15.gxf3 Sg6 16.Te4+ Kd8 17.Tg1± hat Weiß offensichtlich deutlichen Vorteil. Sein Läuferpaar ist sehr stark und seine Türme sind sehr aktiv, während die schlechte Stellung des schwarzen Königs verhindert, dass seine Figuren harmonieren.

14.Td4! Plötzlich verliert Schwarz Material. Der Springer ist angegriffen und wenn er nach g6 oder h5 zurückgeht, folgt g2-g4 mit Gewinn einer Leichtfigur. 1-0

So gewinnt man gerne. Mit dieser Miniatur dürfte es der Dortmunder, das kann man schon vorwegnehmen, locker in die Auswahl zur Partie der Saison schaffen. Wir sprachen kurz mit Patrick Zelbel nach dem Kampf. Hier sein Kommentar:

"Das Königsgambit habe ich schon länger nicht gespielt, weil ich keine Lust mehr auf die Vorbereitungen meiner Gegner hatte. Die Variante, die in der Partie vorkam, habe ich mir vor zwei Jahren angeschaut. Von dem Falkbeer-Gegengambit halte ich allgemein nichts. Ich denke, dass Weiß schon nach 3...e4 Vorteil hat. Lustigerweise war Pruijssers nicht mal wirklich überrascht, dass ich Königsgambit spielte, weil unsere holländischen Vereine letzte Woche aufeinandertrafen und er sich da kurz auf mich vorbereitet hatte."

Patrick Zelbel | Foto: Guido Giotta
Patrick Zelbel | Foto: Guido Giotta
PGN Download: 
Partie(n) zum Nachspielen: 
[Event "Hansa Dortmund - Turm Emsdetten"]
[Site "SBL"]
[Date "2016.04.09"]
[Round "12.2"]
[White "Zelbel, Patrick"]
[Black "Pruijssers, Roeland"]
[Result "1-0"]
[ECO "C32"]
[WhiteElo "2437"]
[BlackElo "2467"]
[PlyCount "27"]
[EventDate "2016.??.??"]

1. e4 e5 2. f4 d5 {Das Falkbeer-Gegengambit, benannt nach Ernst Falkbeer,
einem österreichischen Schachmeister des 19. Jahrhunderts.} (2... exf4 3. Nf3
d5 4. exd5 {siehe Anmerkung nach 3...exf4.}) 3. exd5 e4 {Das ist das
eigentliche Gambit, womit Schwarz vorübergehend die Entwicklung des Springers
nach f3 verhindert. Folgt man den gängigen Computerprogrammen, ist das aber
schon eine Ungenauigkeit. "Ja, ich glaube auch, dass 3...e4 schlecht ist." 
(Zelbel).} (3... exf4 {ist der kritische Zug. Nach} 4. Nf3 {entsteht durch
Zugumstellung eine Variante des Königsspringergambits.}) 4. d3 Nf6 (4... exd3
5. Bxd3 Nf6 (5... Qxd5 6. Nf3 {mit weißem Entwicklungsvorsprung.}) 6. c4 Bb4+
7. Bd2 Qe7+ 8. Qe2 {und Schwarz hat keine Kompensation für den Bauern.}) 5.
dxe4 Nxe4 6. Nf3 Bc5 7. Qe2 $1 Bf5 (7... Bf2+ $2 8. Kd1 f5 9. Nfd2 $1 Bc5 10.
Nxe4 fxe4 11. Qxe4+ $16 {macht gar keinen Sinn.}) (7... Qe7 8. Be3 {ist eine
weitere Zugfolge, die mehrmals gespielt wurde, doch es gibt hier keine
Fortsetzung, die für Schwarz auch nur ansatzweise ausgleicht, z.B.} Bxe3 9.
Qxe3 O-O 10. Nbd2 Re8 11. O-O-O Nf6 12. Qxe7 Rxe7 13. Nc4 $16) 8. Nc3 (8. g4 $6
{"Auf diesen Zug hatte sich mein Gegner vorbereitet, erzählte er mir nach der
Partie." (Zelbel) Das überrascht ein wenig, denn die Engines zeigen nach} O-O
$1 {an, dass Schwarz besser steht und auch ein Blick in die Datenbanken
bestätigt das, z.B.} 9. gxf5 Re8 10. Bg2 (10. Qg2 Nf2+ 11. Be2 Nxh1 12. Qxh1
Qxd5 13. Nc3 Qxf5 14. Kf1 Qxc2 $40 {ist wohl noch das Beste, was Weiß
erzielen kann. Aber es wird sich kaum ein Spieler finden, der das ernsthaft
testen möchte.}) 10... Nf2 11. Ne5 Nxh1 12. Bxh1 Nd7 13. Nc3 f6 14. Ne4 fxe5
15. Nxc5 Nxc5 16. fxe5 Qh4+ $19 {Konovalov,N (2443)-Popov,I (2516) Lviv 2006})
8... Qe7 9. Be3 Nxc3 (9... Bxe3 10. Qxe3 Nxc3 11. Qxe7+ Kxe7 12. bxc3 Be4 (
12... Bxc2 13. Kd2 Bf5 14. Nd4 g6 (14... Bd7 15. Rb1 b6 16. Bd3 $16) 15. Nxf5+
gxf5 16. Rb1 b6 17. Bb5 $14) 13. Ng5 Bxd5 14. O-O-O {führt zu einem
schlechten Endspiel für Schwarz, da er unterentwickelt ist und wegen seines
schlecht postierten Königs ständig Drohungen der gegnerischen Figuren
ausgesetzt ist, z.B.} c6 15. Bd3 Na6 16. Rhe1+ Kf6 17. c4 Be6 18. Ne4+ Ke7 19.
c5 Nb4 20. Nd6 $16 {Mayer,J (2191)-Vuillemin,G (2187) ICCF email 2014}) 10.
Bxc5 Nxe2 (10... Qxe2+ 11. Bxe2 Nxe2 (11... Nd7 12. bxc3 Nxc5 13. O-O-O $16)
12. Kxe2 Na6 13. Ba3 Bxc2 {ist interessant, doch Weiß dürfte einen
Endspielvorteil besitzen, wie die folgende Variante zeigt:} 14. Kd2 Be4 15. Ng5
$1 Bxd5 16. Rhe1+ Kd7 17. Re5 Bxg2 18. Nxf7 Rhg8 19. Rg1 Bd5 20. Rxd5+ Ke6 21.
Rgg5 Kxf7 22. Rd7+ Ke6 23. Rgxg7 $14) 11. Bxe7 Nxf4 12. Ba3 $1 {Verhindert die
kurze Rochade.} Nd7 $6 (12... Nxd5 {musste geschehen, aber nach} 13. O-O-O Be6
14. Bc4 c6 15. Rhe1 Nd7 (15... Kd8 16. Ng5 Re8 17. Rf1 $1 $16) 16. Bxd5 cxd5
17. Rxd5 O-O-O 18. Rg5 $16 {bekommt Weiß seinen Bauern zurück bei
anhaltender Initiative.}) 13. O-O-O O-O-O $2 {Ein Einsteller.} (13... Be4 {
ist der einzige Zug, der die Partie einigermaßen am Laufen hält, doch nach}
14. Rd4 Bxf3 15. gxf3 Ng6 16. Re4+ Kd8 17. Rg1 $16 {hat Weiß offensichtlich
deutlichen Vorteil. Sein Läuferpaar ist sehr stark und seine Türme sehr
aktiv, während die schlechte Stellung des schwarzen Königs verhindert, dass
seine Figuren harmonieren.}) 14. Rd4 $1 {Plötzlich verliert Schwarz Material.
Der Springer ist angegriffen und wenn er nach g6 oder h5 zurückgeht, folgt
g2-g4 mit Gewinn einer Leichtfigur.} 1-0


Über den Autor

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Georgios Souleidis ist Internationaler Schachmeister und hat in Bochum Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Er arbeitet als Journalist, Autor und Schachtrainer. Er schreibt u.a. als Chefredakteur für die Schachbundesliga, für Chessbase, die Zeitschrift SCHACH, SPIEGEL ONLINE oder die Deutsche Presse-Agentur. Falls er mal nicht schreibt, Training gibt oder auf seinem YouTube-Kanal Schach lehrt, versucht er aktiv am Brett zu beweisen, dass 1. e2-e4 der beste Eröffnungszug ist.