Der SC Eppingen bei der Senioren-EM

Erstellt am: 31.07.2013

Der SC Eppingen nahm zum ersten Mal bei einer Senioren-EM für Vereins- oder Nationalmannschaften teil. Gerhard Staub berichtet aus der Sicht der Kraichgauer über den Verlauf des Turniers in Dresden.

Dresden ist eine Stadt. Eine sehr schöne Stadt. Wenn man nicht grade bombardiert wird, ist es am Elbufer sehr schön. Schach ist ein Spiel. Wenn man gewinnt, ist es ein schönes Spiel. Man kann aber auch verlieren. Und man kann ganz schrecklich verlieren, also gleichsam, wie wenn eine Bombe einschlägt. Dann bezweifelt man das – von wegen und schönes Spiel. Und wenn man in Serie verliert, ist man sich von Spiel zu Spiel sicherer: Das Schachspiel hat der Teufel erfunden oder irgendein Nordländer, ein Däne, Norweger, Engländer, ja, ja. Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe, und das eben gegen diese Nordischen, fünf Mal in Folge verloren. Das geht nicht? Im Prinzip nicht, ist aber auch schon den ganz Großen passiert, Taimanov gegen Bobby Fischer und Bent Larsen desgleichen. Gut, meine Gegner waren wie ich Ü60 und hatten allesamt keinen Großmeistertitel. Die meisten kamen aus dem erzdunklen Norden, aus Norwegen, Schweden, aber auch aus Mittelerde (Dänemark), dem verregneten England und dem vom Untergang bedrohten (Wasserspiegel!) Holland. Komischerweise dachten sie, ich bin ein Opfer oder würde mich jedenfalls dazu besonders gut eignen. Vielleicht liegt es daran, dass moderne Menschen an die Wahrhaftigkeit von Zahlen glauben. Elo 2090 – der kann ja wohl gar nix! Das Problem dabei ist: Die haben ja recht. Ich täusche eine Spielstärke nur vor. In Wahrheit kann ich nicht mal mattsetzen. Außerdem können ältere Menschen einen Vernichtungswillen entwickeln, das glaubt man gar nicht. Jedenfalls ich habe das unterschätzt. Und ich war Teil der Mannschaft, die der SC Eppingen zur Seniorenmannschaftsmeisterschaft nach Dresden schickte.

Im Dresdner Ramada-Hotel (das Hotel heißt wirklich so und hat mit dem Ramadan absolut gar nix zu tun - es handelt sich wohl um eine Hotelkette dieses Namens), auf der Leubnitzer Höhe oberhalb Dresdens, finden traditionell große Schachturniere statt. In diesem Jahr auch die Mannschaftsmeisterschaften der Senioren, an der sowohl Nationalteams als auch Vereinsteams teilnehmen können. Zum ersten Mal meldete der SC Eppingen ein Seniorenteam, angeführt vom Jüngsten im Seniorenteam, dem Leipziger GM Lothar Vogt, der schon lange – Teammanager Hans Dekan und er lernten sich kurz nach der „Wende“ 1990 kennen - für uns in der Bundesliga spielt. Dahinter sollten wir vier Stammspieler der Eppinger Seniorenmannschaft, Toni Sandmeier, Hans Dekan, ich, G.Staub, und Rudi Striebich, unser Stammesältester, uns abwechseln. Von den 71 gemeldeten Teams rangierten wir – vor allem wegen der hohen Performance von Lothar - auf Startrang 15, 15 von 71, das war schon eine Hypothek! Fünfzehnter musst du erst mal werden! Unser Plan war simpel: GM Vogt würde – neben einigen Remispunkten - den ein oder anderen vollen Punkt am Spitzenbrett holen, fehlten also nur noch 1,5 aus drei zum Erfolg. Drei Remis könnten ab und an also zum Sieg reichen. Das Konzept war von solch zwingender Logik, dass die Gegner sich ihr anfangs auch wie selbstverständlich unterwarfen.

Samstagmittag gings los mit einer Zeremonie – die Nationalflaggen wurden hereingetragen und eine junge Dame geigte Klassisches. Sehr edel! Im übrigen: Die Spielbedingungen waren ebenso exzellent wie die Organisation. Gespielt wird mit der sogenannten Fischerzeit, also 90 min für die ersten 40 Züge und 30 min für den Rest, wobei die Uhr nach jedem Zug 30 min dazuaddiert, sodass man nicht zwangsläufig die Zeit überschreitet. Dann startet das Turnier. Norwegen II - Lothar gewinnt, wir gewinnen, England II - Lothar gewinnt, wir gewinnen -, dann kommen die Dänen. Die haben die Logik zwar verstanden (Lothar gewinnt), aber nicht vollständig verinnerlicht. Immerhin reicht es für uns – dank eines starken Striebichsieges – zu einem 2:2. Der nächste schwere Gegner: Italien. Diesmal haben wir keine Chance. Am Mittwoch hoffen wir auf einen Sieg gegen Schweden II, und lange sieht es gut aus. Hans Dekan macht mit seinem Gegner kurzen Prozess, Lothar Vogt steht auf Gewinn – oder doch nicht? Sandmeier spielt eine gewonnene Partie doch nur remis. Dann rappelt es mächtig. An Brett 4 stelle ich einen ganzen Turm ein und Lothar, in klar gewonnener Stellung, stellt Dame gegen Turm ein (sein einziger Patzer im ganzen Turnier). He, Lothar, das war so nicht geplant! Lothar rettet sich wundersamer Weise dank zweier verbundener Freibauern ins Remis, aber damit heißt es nur 2:2. Die Zwischenbilanz kann sich dennoch sehen lassen. Bis auf mein Ergebnis: dreimal in Folge verloren. Eine schlimme Negativserie, und nicht ermutigend für das Team. Noch wird meine Verbannung nicht in Erwägung gezogen. Wir machen eine Stippvisite nach Dresden runter ans Elbufer. Der Blick über den Fluss, die alte Steinbrücke, das flache Ufer, Elbflorenz, das hat was Beruhigendes, selbst bei flirrender Luft und greller Sonne.

Der Turniersaal ist auf Normaltemperatur konditioniert. Draußen brütet weiter die Sonne. Es glüht um die 35 Grad. Drinnen wird kompromisslos gespielt. Es gibt keine leichten Gegner, auch weil wir ständig im Vorderfeld spielen. Fehler werden gnadenlos bestraft. Dafür habe ich jetzt erstmal eine Pause. Schlimmer kanns ja nicht mehr kommen. Denkste! Schlimmer geht immer! Den Turniersieg will sich die israelische Nationalmannschaft holen und so kommt es auch, wenngleich knapp. Das deutsche A-Team hat bald keine Chance mehr für einen Podestplatz. Es liegt bis zum Schluss nur einen Punkt vor uns, was für die Mannen um den diesmal erfolgreichsten Teamplayer, Clemens Werner aus Karlsruhe, eine große Enttäuschung ist. Was aber ist für uns drin? Zwischendurch belegen wir einen einstelligen Tabellenplatz. Am Ende erobert die dänische Vereinsmannschaft Norresundby sensationell den vierten Platz. Und warum wir nicht? Nun ja, dafür gibt’s eine einfache, aber auch sehr traurige Erklärung.

Der Reihe nach. Lothar spielt alle neun Runden durch. Er verliert keine einzige Partie, muss aber am Ende doch den Anstrengungen insoweit Tribut zollen, als er die entscheidenden Körner, wie die Radfahrer sagen, zum Siegen nicht mehr hat. Kaum eine Spitzenmannschaft hat sich diesen Kraftakt von neun Runden pro Spieler zugetraut. Bei uns gings nicht anders, was Lothar betrifft. Von uns Vieren hinter Lothar machte mal wieder Hans den Tiger und fraß einige Gegner regelrecht auf. Toni und Rudi holten ihre Punkte wie erwartet. Und dann war da noch das fünfte Rad am Wagen. Wie war das nochmal mit Serienniederlagen? Ich erwähne es ungern und möchte lieber davon erzählen, was sich im Turniersaal so alles abspielt. Zum Beispiel in der Begegnung zwischen Norresundby und dem russischen Frauenteam am Spitzenbrett in der Schlussrunde, nachdem wir unglücklich in der Vorschlussrunde eben gegen diese verfluchten Dänen verloren hatten, vor allem meinetwegen, weil ich eine gewonnene Partie noch wegschenkte, das war, Gott seis geklagt, meine fünfte Null in Serie: Die Spitzendame Russlands, eine Frau, der man das Lachen oder Lächeln von Kindheit an verboten haben muss, jedenfalls hab ich sie immer nur mit ernststarrer Miene gesehen, übersah bei materiell besserer Stellung ein simples Matt, worauf sie dem Gegner die Hand reichte, um sogleich ihren Notationszettel, allerdings ohne erkennbare Regung, zu zerknüllen. Dem Dänen wars egal. Der vierte Platz war noch preisgekrönt, die Israelis erhielten für den Sieg immerhin 1200 Euro. Wir werden sechzehnter. Das ist nicht schlecht. Und ich? - Ich habe es überlebt. Ich meine nicht die Niederlagen. Ich erinnere mich dunkel an Heines Ballade: „Belsazar ward aber in selbiger Nacht von seinen Knechten umgebracht.“


Von Gerhard Staub (Pressereferent SC Eppingen)

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