40 Jahre Schachbundesliga! Wir blicken zurück und feiern dieses Jubiläum mit verschiedenen Autoren. Im folgenden Beitrag kommt Karsten Müller zu Wort.
Seit der Einführung der eingleisigen Schachbundesliga im Jahr 1980 sind 40 Jahre vergangen. Um dieses Jubiläum zu feiern, lassen wir einige Autoren zu Wort kommen, die als Spieler und Kolumnisten tätig waren und sind. Großmeister Karsten Müller vom Hamburger SK, der den Lesern durch seine "Weisheiten im Endspiel" bekannt sein dürfte, schaut in einem zweiten Teil auf einige der schönsten Endspiele der höchsten deutschen Spielklasse.
Magnus Mattpointe
Carlsen,Magnus (2698) - Hracek,Zbynek (2614)
Bundesliga 0607 Deutschland, 2007
Auch im Endspiel kommen mitunter Mattmotive vor: 60.f4! exf4 61.gxf4 gxf4 61...Kg7 62.f5 Tb6+ 63.Ke7 Tb5 64.f6++- 62.Tg8! Magnus Mattpointe 62...Tb6+ 62...Txb7?! 63.e5# 63.Kc7 Txb7+ 64.Kxb7 f3 65.Kc6 Ke5 66.Te8+ Kf4 67.Kd5 f6 68.Tf8 1-0
Der Hammer
Herbrechtsmeier,Christof - Spassky,Boris Vasilievich (2615)
Bundesliga 8081 (5), 14.12.1980
Stellung nach 28.La2:
28...b4!? 29.axb4 a3 Diese Unterminierung kann noch ausgebremst werden. 30.Tf3? Danach schlägt der schwarze Angriff durch. 30.Lb1! hält den Laden dagegen zusammen: 30...Sxb4+ 31.Sxb4 axb2 32.Ta4 Txc3+ 33.Kd2 Tc4 34.Sc6 Txa4 35.Sxb8 Td4+ 36.Ld3 Txd5 37.Sd7 Ta5 38.Sb6 Ta1 39.Tb1= 30...axb2 31.Sxb2 Sxb4+ 32.Kd2 Ta8 32...Ta8 33.cxb4 Lxb2 34.Tb1 Txa2-+ 0-1
Karpovs unglaublich feines technisches Gespür
Hertneck,Gerald (2615) - Karpov,Anatoly (2740)
Bundesliga 9394 (15), 09.05.1994
Stellung nach 48.Kxg3:
Anatoly Karpov verfügt über eine unglaublich gute Endspieltechnik: 48...g5!? Ein starker Bauernwall gegen die weißen Kräfte. 49.La6 49.h4 g4 50.Kf4 Kh6 51.Lg2 Lxg2 52.Txg2 Tf1+ 53.Ke5 Kh5-+ 49...Tg1+! Das Zwischenschach ist gute Technik. John Nunn nennt das ein "hesitation check" in Nunns Chess Endings 2. 50.Kh2 Tb1 51.Lf1 Tb3 52.Lg2 52.h4 g4 53.Kg3 Txe3+ 54.Kf4 Tc3-+ 52...Kg6 Karpovs König wird aktiv. Das ist im Endspiel von zentraler Wichtigkeit. 53.Lxe4 fxe4 54.Kg2 b5 55.Tc2 Kh5!? Gute Technik, weil mehr Gewinnpotenzial auf dem Brett bleibt. 55...Txe3 56.Tb2 Kh5 57.Txb5 Kh4-+ gewinnt allerdings ebenfalls. 56.Kf2 Kh4 57.Tc5 Tb2+ 58.Ke1 b4 59.Kd1 b3 60.Tb5 60.Kc1 Tc2+ 61.Txc2 bxc2 62.Kxc2 Kxh3-+ 60...Kxh3 61.Txg5 Tg2 61...Tg2 62.Th5+ Kg4 63.Te5 Tg1+ 64.Kd2 b2 65.Txe4+ Kf5 66.Tf4+ Ke5 67.Tb4 b1D-+ 0-1
Gustafsson,Jan (2615) - Anand,Viswanathan (2788)
Bundesliga 0506 (11), 19.02.2006
Stellung nach 26.a5:
26...Kg7!? Ein sehr starker Zug, der den König für das Endspiel schon mal näher heranführt und Weiß in eine Art Zugzwang bringt. 27.Df3? Das entstehende Endspiel ist erstaunlich vorteilhaft für Schwarz. 27.Db1 bot bessere Chancen, das Wasser zu trüben. 27...Dxf3 28.gxf3 h4 29.Td1 Sh5 30.Td7 Te1+ 31.Kh2 Te2 32.Td2? Im reinen Springerendspiel ist Weiß chancenlos, weil sein König nicht mitspielt. Allerdings sollte auch 32.Txb7? verlieren, z.B. 32...Txf2+ 33.Kg1 Txf3 34.Se5 Tf5 35.Sc4 g5 36.Tb6 Tf3 37.b4 Sf4 38.Txa6 Sxh3+ 39.Kh1 g4-+;
32.Kg1! war die letzte Chance, z.B. 32...Sf4 33.Sd6 Sxh3+ 34.Kg2 Sxf2 35.Sxf7 Kf6 36.f4 mit praktischen Remischancen. 32...Txd2 33.Sxd2 Kf6 34.Se4+ Ke5 35.Sc5 Sf4 36.Sxb7 Se6! Dominiert den weißen Springer komplett, was den Untergang besiegelt: 37.b4 Kd5 38.b5 axb5 39.a6 Kc6 0-1
Kramnik,Vladimir (2710) - Lutz,Christopher (2595)
Bundesliga 9394 (1), 1994
Das folgende Beispiel verteilter Mehrheiten wird ausführlich von Christopher Lutz in Endspieltraining für die Praxis beleuchtet: 27.Dd4 Sc5?! im Endspiel bekommt Schwarz aufgrund der weißen Aktivität Probleme. Denn die weiße Bauernmehrheit lässt sich gut in den Angriff einbinden, während die schwarze nicht recht vorankommt. 27...De6! 28.Dc4 De8= (Kramnik in CBM 43) 28.Dxd7 Sxd7 29.Td1 Sc5 30.g4! verhindert die beste schwarze Aufstellung mit Bauern auf f7-g6-h5 und ermöglicht die Aktivierung des Königs. 30...g6 31.Kg2 Kg7 32.Td2!? ein guter prophylaktischer Zug, der sich gegen ...Tc8 richtet. 32...a6 32...Se4 33.Td7 Tc8 34.Se5 Kf6 35.f4 Tc2+ 36.Kf3 Sd2+ 37.Ke2 Sc4+ 38.Kd3 Sxe5+ 39.fxe5+ Ke6= (Lutz) 33.Td6 Tc8? hier musste sich Schwarz aktiv verteidigen, was für das Endspiel T+S gegen T+S durchaus typisch ist: 33...Se4 34.Td7 Tc8 35.Se5 Kf6= 34.Sd4 b5 35.h4! Weiß möchte die schwarze Struktur mit h4-h5 unterminieren. So kann eine Mehrheit natürlich auch genutzt werden. Es muss nicht immer der Kandidat, der Baurer auf dessen Linie kein gegnerischer Bauer steht, voran marschieren. 35...b4 36.Tb6 a5 37.Tb5 Sd3 38.Txa5 Se1+ 39.Kg3 Sc2 40.Sb3?! Eine Ungenauigkeit. Der Springer sollte sofort in Richtung der Achillesferse f7 in Marsch gesetzt werden: 40.Sf3! Tc3 41.Se5 Kf6 (41...Ta3 42.Txa3 bxa3 43.Sd3+-) 42.Kf4 g5+ 43.hxg5+ hxg5+ 44.Ke4+- (Kramnik)] 40...Sa3 41.Ta4 Tc4 42.Sd4 Sc2 43.Sf3 Tc5 44.Ta7 g5? gibt Weiß das Feld f5 in die Hand. 44...Sa3 war zäher, z.B. 45.Sd4 Kf8 46.Ta6 Kg7 (46...Sc2? 47.Tc6 Txc6 48.Sxc6+-) 47.Tb6 Tc4 48.Tb7 Sc2 49.Sf3 Tc5 50.Kf4± 45.h5 Kg8 46.Sd2 Sa3 47.Se4 Tc2?! 47...Tc6 48.Ta4 Tb6 (48...Sc2? 49.Kf3+- nebst Überführung des Springers nach f5.) 49.Sc5 Tb5 (49...Kg7? 50.Ta6 Tb8 51.Tc6 Sb1 52.Se4 Ta8 53.Sd6 Txa2 54.Sf5++-) 50.Sb3 Tb6 51.Sd4 Sb1 52.Sc2 b3 53.axb3 Txb3 54.Sd4 Tb6 55.Sf5 Sd2 56.Td4 Sb3 57.Td5± und aufgrund des deplatzierten schwarzen Rosses hat Weiß exzellente Gewinnchancen. 48.Tb7 Txa2 49.Txb4 Tc2 50.Tb6 Kh7 50...Kg7 51.Sd6+- 51.Tb7 Kg8 52.Sd6 Tc6 53.Sxf7 Sc4 54.Td7 Tf6 55.Td4 und Schwarz gab angesichts von 55...Sxe3 56.Sxh6+ Txh6 57.fxe3+- auf. 1-0