Baden-Baden und Werder im Gleichschritt

Erstellt am: 09.11.2014
OSG Baden-Baden und Werder Bremen siegten in den Spitzenspielen der 3. Runde und sind die einzigen Mannschaften in der SBL ohne Punktverlust. Andreas Albers schaut auf diese Kämpfe, berichtet aber auch ausführlich von den anderen Schauplätzen.

Dauermeister Baden-Baden gab sich gegen den SV Hockenheim keinerlei Blöße und gewann mit 5,5-2,5, wobei man heute zum ersten Mal in dieser Saison sogar ohne Partieniederlage blieb. Weder Richard Rapports Königsgambit (gegen Etienne Bacrot) noch „Prinz“ Dennis Wagner (mit zwischenzeitlichem leichten Druck gegen Georg Meier) konnten die Gastgeber ausreichend ärgern. Dagegen hat Arkadij Naiditsch sowohl seine Hochzeit als auch seinen Geburtstag „unbeschadet“ überstanden und gewann seine vierte Partie in Folge, diesmal gegen den ehemaligen Europameister Alexander Moiseenko.

Arkadij Naiditsch

Einen Tag vor den Feierlichkeiten zum Mauerfall, bewies Rustam Kazimdzhanov, dass zumindest im Schach die Berliner Mauer fester steht als je zuvor und diese nicht nur dazu da ist, halbe Punkte zu verteidigen, sondern auf jedem Niveau für entschiedene Partien sorgen kann. In der Kürze der Zeit ist es schwer auszumachen, wo eigentlich die weißen Probleme begannen, aber irgendetwas muss kräftig schief gelaufen sein. Vielleicht schafft es ja am Sonntag einer der weißen „Mauerspechte“ diesem Aufbau einen entscheidenden Schlag zu verpassen, es wäre eine schöne Geschichte.

Im Parallelmatch verzichtete die gut gestartete SG Trier auf ihre 3 2600er GMs und erlaubte damit Eppingen das Punktekonto wieder auszugleichen. Pentala Harikrishna gelang ein souveräner Schwarzsieg gegen Felix Graf und Namig Guliyev gelang ein Zug vor der ersten Zeitkontrolle der entscheidende Bauerngewinn an Brett 8 und damit an den beiden Brettern, wo die Elo-Unterschiede am deutlichsten waren. Wirklich in Gefahr war Eppingen wohl in keiner Partie.

Guliyev,Namig (2546) - Yankelevich,Lev (2333)
SBL 2014/15, SC Eppingen - SG Trier, 08.11.2014


Stellung nach 39.De2:

Die bessere Bauernstruktur und der Mehrbauer sollten die Qualität schon aufwiegen, aber es ist natürlich nicht so einfach, den Bauern a6 zu decken. 39...Lc3 39...g6 verhindert erstmal 40.Txa6?? wegen 40...Db7+. Ohne g7-g6 käme nun De4+. 40.Txa6 Db5 40...Db7+?? 41.De4+ 41.De4+ f5 42.Dxe6 1-0


Am Sonntag dürfte das Match Eppingen – Hockenheim deutlich spannender werden als Trier vs. Baden Baden.

In Hamburg hatte man den ersten Saisonsieg am Freitag gegen Rostock „klein aber fein“ mit einem Mannschaftsabend zelebriert, bei dem nicht nur Spieler (inklusive „Samstagsüberraschung“ Robin van Kampen), sondern vor allem auch das „Team hinter dem Team“ dabei war. Am Samstag wurde der Schwung gegen Bayern München mitgenommen und sogar noch höher gewonnen. 7,5–0,5 hieß es am Ende und machte deutlich, dass die Hamburger keineswegs allzu viel mit dem Abstiegskampf zu tun haben wollen. Der 3fache Wechsel zum Freitag mit Robin van Kampen, Robert Kempinski und Jonas Lampert brachte die Vorbereitung sicherlich durcheinander und nachdem Lubomir Ftacnik nach interessanter Theoriediskussion ein Remis gesichert hatte, kippten die Partien eine nach der anderen. Neuzugang Jan-Krzyztof Duda gewann auch seine zweite Partie bereits aus der Eröffnung heraus, diesmal war Alt-Meister (bzw Neu-Senior) GM Klaus Bischoff das Opfer, der einem starken Figurenopfer nichts entgegen zu setzen hatte.

Duda,Jan-Krzysztof (2599) - Bischoff,Klaus (2502) [C00]
SBL 2014/15, Hamburger SK - Bayern München, 08.11.2014


Vor einigen Jahren startete ein junger Pole für Hamburg mit zwei Siegen am 1. Brett in seine Bundesligakarriere, sein Name Radek Wojtaszek. Mittlerweile ist "Radek" nach Schwäbisch Hall weitergezogen, aber nicht, ohne seinen Schüler Jan-Krzystof Duda zu empfehlen und der 15-jährige ist auf einem guten Weg, es seinem Meister nachzumachen. Sein Trainer GM Kamil Miton war auf jeden Fall sehr zufrieden mit den Partien von Freitag und Samstag.

1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.g3 Sc6 4.Lg2 Sf6 5.De2 diese Variante kommt gerade ein wenig in Mode 5...d6 6.0-0 Le7 7.c3 0-0 7...e5 spielte zeitgleich GM Florian Handke in Mülheim gegen den jungen Holländer Jorden van Foreest. Was besser ist, sollen die Theorieexperten klären. 8.Td1 a6 9.d4 cxd4 10.cxd4 d5 11.e5 Se8 12.Sc3 Ld7 13.Le3

"Das Problem ist: Schwarz hat zuviele Figuren, die Stellung ist sehr unangenehm für ihn" kommentierte Kamil Miton das Geschehen. 13...Sc7 14.Tac1 Sb5 15.Se1 f6 16.f4 f5

und gerade als Schwarz so etwas wie Stabilität in die Stellung bekommt, knallt es bereits: 17.Sxd5! exd5 18.Lxd5+ Kh8 19.Lf3 Tc8 20.Sc2 Sa5 21.Lf2 Tc4 22.d5

Was für eine schöne Stellung! 22...Dc8 23.Dd2 Lc5 24.Se3 Sd4 Wir Amateure hätten bestimmt unsere Sorgen wegen der "aktiven schwarzen Figuren und dem unsicheren eigenen König", aber Jan ist sich sicher, es gibt keine Gefahr! 25.Lh5 Ta4 26.b4 b6 27.bxc5 bxc5 28.Db2 Herzlich willkommen in Hamburg! 1-0

Jan-Krzysztof Duda

Einzig Thies Heinemann musste einigen Druck aushalten und gewann am Ende eher glücklich, Christoph Renner und Jonas Lampert hingegen lieferten sich ein spannendes Duell, in dem beide bereits nach wenigen Zügen viel Zeit verbrauchten:

Renner,Christoph (2376) - Lampert,Jonas (2443)
SBL 2014/15, Hamburger SK - Bayern München, 08.11.2014


1.d4 d5 2.Lf4 Sf6 3.e3 c5 4.c3 Sc6 5.Sd2 Lf5 6.Sgf3 Db6 7.dxc5 Die alte Frage: "Kann man auf b2 nehmen oder nicht?" 7...Dxb2 8.Sd4 Lg4

Ich wußte noch, dass es in dieser Stellung f3 und Dc1 gibt, aber ich habe es nicht genau angeschaut." (Jonas Lampert) 9.f3 e5 10.Sb5 0-0-0 11.Tb1 Dxa2 12.Ta1 Db2

Vor allem Weiß hatte bisher schon sehr viel Zeit verbraucht und investierte jetzt noch mal viel Rechenkraft in die Frage, ob er die Züge wiederholen soll oder nicht. 13.Da4? 13.Tb1 "Ich dachte, er soll besser Remis machen!" wunderte sich Jonas nach der Partie und das Ergebnis gibt ihm natürlich recht. 13...Lf5 14.Lxe5 Lxc5! 14...Sxe5?? 15.Dxa7 und das überlebt der schwarze König nicht. 15.Lxf6 Lxe3 16.Le2 Dxd2+ 17.Kf1 gxf6 0-1

Wesentlich länger als Hamburg brauchte Schwäbisch Hall, um im Duell der Aufsteiger gegen den SSC Rostock die Oberhand zu behalten. Zwar gingen die Süddeutschen durch zwei vorbereitete Figurenopfer an 1 und 3 relativ schnell und sehenswert in Führung, aber die weiteren sechs Bretter waren durchaus auf Augenhöhe und mit wechselndem Schlachtenglück. Das 6–2 am Ende war sicherlich höher als der Spielverlauf es aussagte, Viktor Laznika bearbeitete den sich tapfer wehrenden Stellan Brynell über 117 Züge, bis der Widerstand endlich gebrochen war und auch in den Partien Zeller – Grünberg, sowie Tomczak – Womacka waren zwischenzeitlich auch viele andere Ergebnisse möglich. Zur guten Stimmung in der Hansestadt sorgten neben dem positiven Ergebnis der Gastgeber sicher auch das aktive Kommentatoren-Duo GM Karsten Müller und IM Jonathan Carlstedt, die gemeinsam mit den Spielern die Partien für das geneigte Publikum plausibel machten.

Jonathan Carlstedt und Karsten Mueller

In Berlin wird an diesem Wochenende gefeiert und das nicht nur rund um den Bundestag und das Brandenburger Tor, sondern mit Sicherheit auch in den Hallen der Schachfreunde Berlin, vermutlich sogar gemeinsam mit den Reisepartnern vom USV Dresden. Den Hauptstädtern gelang ein überraschend klarer 6–2 Sieg gegen die Sportfreunde Katernberg, denen diese Niederlage noch einmal vor Augen führt, dass es dieses Jahr einen ganz heißen Kampf gegen den Abstieg geben könnte. Genau für diese wichtigen Matches hatten die Berliner in der Spitze personell nachgelegt und brachten sechs der ersten sieben Spieler an die Bretter und diese sammelten dann auch gleich vier Punkte ein. Nach wenigen Zügen sah die Geschichte allerdings noch ganz anders aus, schauen sie was einem der „Helden“ des ersten Wochenendes hier passierte:

Hoolt,Sarah (2334) - Lauber,Arnd (2445) [B18]
SBL 2014/15, SF Berln - SF Katernberg, 08.11.2014


1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Sxe4 Lf5 5.Sg3 Lg6 6.Sh3 e6 7.Lc4 Sd7 8.0-0 Ld6 9.Sh5

9...Sdf6?? Bitte was?? Es gibt ja schon Varianten, in denen Weiß eine Figur für e6 und f7 Bauern gibt, jetzt gibt es auch noch den g7 gratis mit dazu? 10.Sxg7+ Kf8 11.Sxe6+ fxe6 12.Sg5 Lf7 13.Te1 Dc7 14.Lxe6 14.Txe6 ist auch nicht zu verachten! 14...Lh5 15.Dd3 h6 16.Sf3 Te8 17.Ld2 Th7

Aber auch diese Stellung ist natürlich großartig. Allerdings gibt es vielleicht zuviele verlockende Möglichkeiten für Weiß und so findet Sarah Hoolt eine Tretmine 18.d5? 18.c4 um dann später d5 zu spielen, war wohl die einfachste Möglichkeit. 18...cxd5 19.Sd4 Lxh2+ 20.Kf1 Le5 Und nun übernahm der Berliner IM erstaunlich schnell wieder das Kommando. Wie er seinen Vorteil verwertete, kann man hier nachspielen.

Sarah Hoolt dürfte sich enorm geärgert haben (Foto: Frank Hoppe)

Ob das Match nach einer kurzzügigen Niederlage zu Beginn auch so klar für die Berliner ausgegangen wäre, darf bezweifelt werden, aber wer die Katernberger Truppe kennt, der weiß, dass niemand Sarah einen Vorwurf machen wird und sie selbst am kritischsten mit sich ist.

Die so stark gestarteten Dresdner hatten sich ihr Match gegen Hansa Dortmund sicherlich einfacher vorgestellt, aber die junge Truppe mit der Flügelzange Donchenko/Tari hielt hervorragend mit und hatte sogar Chancen auf einen Matchpoint. Das „Tor der Tages“ erzielte GM Raj Tischbierek, der gegen die jungen Ungarn Bence Korpa erst einige Unannehmlichkeiten überstehen und dann gleich mehrfach die Partie gewinnen musste:

Korpa,Bence (2424) - Tischbierek,Raj (2414)
SBL 2014/15, USV TU Dresden - Hansa Dortmund, 08.11.2014


Stellung nach 74.Kg1:

Schwarz ist superaktiv und die weißen Figuren unkoordiniert, aber wie genau geht es? 74...g2? So nicht. 74...Tg4 75.Tb3+ Kd2-+ 75.Tb3+ Kd2 76.Tf3 Tg4 77.Sb3+ Ke1

78.h5?? Und dann verlaßen ihn die Kräfte 78.Txf4 Txf4 79.Kxg2 und Weiß hat das Remis so gut wie sicher. 78...Se2+ und Schwarz wandelt mit Schach um und setzt matt. 0-1

Raj Tischbierek (Foto: Frank Hoppe)

Am Sonntagmorgen stehen zum Tag des Mauerfalls zwei spannende Matches „West – Ost“ auf dem Programm, die viele Weichen in Sachen Abstiegskampf stellen könnten, wobei die Dresdener damit nichts zu tun haben sollten.

Endgültig von allen ganz großen Ambitionen verabschieden müssen sich nun bereits die Mülheimer nach der zweiten Saisonniederlage in Folge, diesmal gegen den „Co-Tabellenführer“ Werder Bremen. Das 4,5-3,5 scheint ungefährdet gewesen zu sein, da die Niederlage von Luke McShane gegen Maxime Vachier Lagrave einem einzügigen Übersehen direkt nach der Zeitkontrolle geschuldet war. Efimenko, Blübaum (mit bärenstarken 3/3 bisher!) und Alexander Markgraf gewannen ihre Partien, playing Captain Genadij Fish verlor gegen Mikhail Saltaev, in dieser Form ist Bremen für jedes Team der Liga eine Gefahr und wird sicher eine gute Rolle spielen.

Reisepartner Emsdetten wird mit dem 4-4 gegen Solingen sicher auch nicht unzufrieden sein, zumal die Klingenstädter an diesem Dreierwochenende wirklich alles mobilisierte, was der Kader hergibt. Nach dem Sieg gestern gegen Mülheim schien das Match heute auf des Messers Schneide. Das holländische „Unterhaus“ auf Emsdettens Seite hatte durchaus gute Chancen auf ein positives Ergebnis, aber lediglich Roeland Pruissers konnte seine Partie gewinnen und bezwang den geliebten „Franzosen“ von Predag Nikolic. Twan Burg verlor am Ende zum Unentschieden gegen Alexander Naumann.

Auch hier versprechen alle Partien am Sonntag Dramatik pur, vier der stärksten Teams der Liga prallen aufeinander!


Übersicht der Einzelergebnisse
Alle Partien nachspielen

Bildergalerie mit Fotos aus Berlin von Frank Hoppe

Von Andreas Albers

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