Austausch bei Schwäbisch Hall

Erstellt am: 08.07.2015

Beim SK Schwäbisch Hall sind die Planungen für die kommende Saison abgeschlossen. IM Frank Zeller stellt die Neuzugänge im folgenden Beitrag vor.

Schwäbisch Hall, der Verein, der in der Vorsaison als Aufsteiger für reichlich Furore gesorgt hat, will auch in der kommenden Saison eine Rolle im vorderen Mittelfeld spielen. Einige neue Gesichter wird man in der Aufstellung zu sehen bekommen, doch Hall strebt nicht die große Verstärkung des Teams an. Es läuft eher auf Rotation hinaus, ein paar Spieler werden ausgetauscht, die Schlagkräftigkeit des Achters soll ungefähr beibehalten werden, die strategische Marschroute konzentriert sich auf mannschaftliche Geschlossenheit anstatt auf den punktuellen Einsatz von Weltklassespielern.
Boris Gelfand war der große Star der letzten Spielzeit. Der Vize-Weltmeister von 2012 kam indes nur an einem Wochenende zum Einsatz, gewann dabei im prestigeträchtigen Duell gegen Meister Baden-Baden eine ausgezeichnete Partie gegen Etienne Bacrot. Sein Einsatz ist finanziell freilich recht kostspielig, weshalb sich die Vereinsführung nun im gegenseitigen Einvernehmen entschlossen hat, Gelfand von der Spielerliste zu nehmen.

Ebenso nicht mehr im Aufgebot ist ein weiterer Boris: Boris Awruch. Der Israeli, ein Freund von Gelfand, kam in 2014/2015 an einem langen Wochenende zum Einsatz und holte aus drei Partien drei Punkte! Awruch, der als Eröffnungstheoretiker und Buchautor sehr geschätzt ist, emigrierte indes vor rund einem Jahr in die USA, in Europa hält er sich mittlerweile so gut wie gar nicht mehr auf. Die weite Anreise zu einem Bundesligawochenende ist unter diesen Voraussetzungen wenig sinnvoll. In Hall ist man ob dieser Trennung, die sich schon länger abzeichnete, traurig: Awruch war schon Teil des Teams in der Oberliga Württemberg und der 2. Bundesliga-Süd und trug viel zum Durchmarsch in die Bundesliga bei.

Insofern zeugt es von Kontinuität, dass in die Fußstapfen der beiden Borisse nun zwei israelische Großmeister treten: Maxim Rodshtein und Evgeny Postny wechseln aus der sich auflösenden Eppinger BL-Truppe vom Badischen ins Württembergische rüber. Beide sind Mitglieder der israelischen Nationalmannschaft und starteten in mehreren Olympiaden für ihr Land.

Der erfahrene Evgeny Postny

Postny spielt schon einige Jahre in der höchsten deutschen Liga. Der 34jährige ist sehr erfahren und in mehreren europäischen Ligen aktiv, mit einer Zahl von um die 2650 kann er auch an den vorderen Brettern seinen Mann stehen.

Maxim Rodshtein peilt die 2700-Marke an

Noch attraktiver ist die Verpflichtung von Maxim Rodshtein, der in Eppingen häufig am Brett 1 antrat. Der 26jährige Israeli feierte schon als Jugendlicher herausragende Erfolge. Bereits 1999 nahm er an seiner ersten Jugendweltmeisterschaft teil und wurde dort Zweiter hinter Sergey Karjakin, dem bis heute jüngsten Großmeister aller Zeiten. 2004 wurde Maxim dann wirklich Weltmeister, und zwar bei den U14jährigen. Heutzutage ist er auf dem Sprung auf die magische 2700-Grenze. Gekratzt hat er daran schon, durchaus scheint er noch steigerungsfähig zu sein.

Der 1989 in St. Petersburg Geborene befindet sich im Moment wieder auf Umzug: im August wird er sich in Prag niederlassen, das ist für seine Turnierambitionen strategisch günstig, und auch für sein Engagement in Schwäbisch Hall tun sich hier geschickte Synergieeffekte auf:

In Prag wohnt Viktor Laznicka, der bereits für Hall spielt. Und es gibt einen dritten Prager, der in den letzten Wochen auf Intervention von Laznicka hin ins Gespräch mit den Haller Verantwortlichen kam und nun ins Württembergische wechseln wird: Peter Michalik.

Peter Michalik posiert vor einem östlichen Schachset

Michalik ist im Unterschied zu Laznika Slowake. Dort ragte er auch schon von Jugend an heraus, gewann etliche nationale Meistertitel, zuletzt auch bei den Erwachsenen. Im Moment ist er die Nummer Zwei in der Slowakei hinter Jan Markos, aber noch vor dem für den HSK spielenden „Urgestein“ Lubomir Ftacnik. Seinen Lebensmittelpunkt hat er indes auch ins zentralere und weltstädtische Prag verlegt, seit kurzem ist er auch Vater geworden. Michalik spielte zuletzt drei Spielzeiten bei den Berliner Schachfreunden. Diese mutmaßen, dass der Slowake nicht den Verlockungen des Geldes widerstehen konnte, und dass „Hall finanziell in einer anderen Liga…“ spielen würde. Letztlich mag auch den Ausschlag gegeben haben, dass Viktor und Peter sehr gut befreundet sind, und sie die Chance wahrnehmen wollten, gemeinsam zu den Bundesligaspielen reisen zu können. Hinzu gesellt sich nun mit Maxim Rodshtein ein Dritter zur Fahrgemeinschaft! Für das leicht veränderte Konzept von Hall ist diese Situation optimal: die freundschaftlichen Beziehungen im Team werden gestärkt, nebenbei spart man an den Reisekosten. Bislang gab es bereits die französische Fahrgemeinschaft mit mehreren französischen Großmeistern im Team, nun gibt es den Prager Block.

Wie gehabt wird auch wieder ein Deutscher Block regelmäßig zum Einsatz kommen. Dieser wird durch Sebastian Bogner verstärkt werden. Bogner spielt zwar mittlerweile für den Schweizer Verband und wohnt in Zürich, geboren ist er jedenfalls in Pforzheim, mittendrin in Baden-Württemberg. Auch Bogner wechselt wie Postny und Rodshtein von Eppingen an den Kocher. Ähnlich den anderen Neuverpflichtungen war Bogner bereits sehr früh im Turnierschach aktiv und erfolgreich, holte seine ersten Meriten bereits bei U-10-Wettbewerbe. Als eines der größten deutschen Talente in Zeiten VOR der Prinzentruppe wurde er mit 18 Jahren Großmeister. Bei Open holt er regelmäßig ausgezeichnete Platzierungen.

Baden-Württemberger und Neuschweizer Sebastian Bogner

Außer Boris Gelfand wird Hall zukünftig auf einen weiteren Superstar verzichten müssen: Radoslaw Woitaszek erhielt ein ausgezeichnetes Angebot, das er laut eigenem Bekunden „nicht ablehnen“ konnte. Wohin er wechseln wird, gab er noch nicht bekannt, Sie werden es voraussichtlich in wenigen Tagen auf der Seiten der schachbundesliga.de erfahren!

Radek Woitaszek erspielte ausgezeichnete 5 aus 6 in seiner einzigen Spielzeit für Schwäbisch Hall. Der junge Pole stellte dadurch eindrücklich seine Extra-Klasse unter Beweis, doch das weckte auch Begehrlichkeiten in anderen Teams! Radek erwies sich zudem als sehr angenehmer und umgänglicher Mannschaftskollege, schade für Hall, wir wünschen ihm und den anderen scheidenden Spielern, die ebenfalls viele Sympathiepunkte gewinnen konnten, das Allerbeste!

Von IM Frank Zeller (SK Schwäbisch Hall)

 

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