Es ist schon interessant. Kaum hatte ich auf meiner Facebookseite gepostet, dass ich mich auf die neue Saison der Schachbundesliga freue, kamen neben den zustimmenden Likes auch gleich kritische Kommentare.
Zunächst wurde von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen, dass es in der Liga gefühlt zu viele internationale Spieler gäbe. Die Bundesliga sei selbst für starke deutsche Meister, die die deutsche Rangliste anführen würden, kaum mehr ein Zuhause. Dies setze sich mittlerweile auch in der 2. Liga fort. Die Franzosen würden das definitiv besser machen. Ratschläge waren ein Downsizing der Schachbundesliga mit mehr regional verwertbarer Vereinsidentität und den Einzug einer Quote für deutsche oder vielleicht sogar lokale Spieler. Dies würde die Starpower der Liga in keiner Weise reduzieren. So wie es sich entwickelt habe, würde aber jede Mannschaft abgestraft, die auf eigene Spieler setze.
Die Argumente sind tatsächlich nicht neu, aber sind sie dadurch auch zutreffend?
Die Feststellung, dass die Anzahl deutscher Spieler im Spitzenschach seit Jahren eher rückläufig ist, trifft sicher zu. Es ist zudem ebenso richtig, dass dieser Trend auch für die Schachbundesliga gilt. Die stärkste Liga der Welt fordert hier ihren Tribut. Wer nicht international aufstellt, holt leider keinen Blumentopf. Viele Mitgliedervereine rüsten daher Jahr für Jahr auf und bedienen sich dabei der internationale Schachszene. An der damit verbundenen Professionalisierung scheiden sich wiederum die Geister, zumal sich damit das allgemeine Spielstärkeniveau der 1. Liga deutlich abhebt. Dies macht es insbesondere Aufsteigern schwer, sich auf das Abenteuer Schachbundesliga einzuhalten.
Soweit, so gut. Ist aber Downsizing oder eine Quotierung der richtige Weg?
Hier kamen in der Vergangenheit selbst die Mitgliedervereine der Schachbundesliga nie auf einen gemeinsamen Nenner. Über die Bestimmung einer geeigneten Quote wird vor dem Hintergrund der europäischen Rechtsprechung jedenfalls seit Jahren gestritten. Alle in diese Richtung weisenden Anträge waren in der Vergangenheit aber auch nicht mehrheitsfähig.
Schach auf Weltklasseniveau ist international. Darüber hinaus stellt sich die Frage, was man mit einem Downsizing oder einer Regionalisierung eigentlich erreichen möchte? Will man dadurch deutsche Spielerinnen und Spielern nach vorne bringen oder gar eine Jugendförderung gewährleisten? Hier stellt sich dann wiederum die Frage, ob dies tatsächlich Aufgabe der Schachbundesliga ist, die sich dem Spitzensport widmen soll, oder doch eher zu den Profilen des DSB und seiner Landesverbände gehört?
Aber Hand auf’s Herz: Die verantwortlichen Vereinsvertreter der Schachbundesliga, die ja die eigentlichen Souveräne sind, diskutieren momentan tendenziell eher über eine noch stärkere Professionalisierung mit einem Lizensierungsystem. Dadurch wird es sicherlich nicht einfacher, die organisatorischen, finanziellen und personellen Bedingungen zu erfüllen. Einige Vereine haben sich dabei bereits für einen unmittelbaren Wandel in eine Profiliga mit entsprechenden Teilnahmerestriktionen ausgesprochen. Der Trend geht offenbar also in eine andere Richtung.
Die Kritiker wenden an dieser Stelle oft ein, dass man sich auch die Frage stellen müsse, woher das ganze Geld denn kommen solle, um die Spieler zu bezahlen?
Die Antwort ist eigentlich recht einfach: Die Vereine speisen ihren Finanzbedarf aus regionalen Geldquellen und andererseits von Vereinsmäzenen. Mäzene geben ihr Geld, weil sie sich engagieren möchten. Die Vereine kennen hier den Markt und offenbar ist auch ohne überregionales Marketing, das zugegeben immer noch ein Schwachpunkt ist, genügend Geld verfügbar; man muss es nur finden. Letztlich würde ich übrigens sagen, dass sich Schach als eine typische Randsportart generell kaum vermarkten lässt. Insofern lassen sich zwar Mäzene finden, Sponsoren, die auf einen Return-of-Invest hoffen, aber eben nicht oder nur ganz selten.
In diesem Zusammenhang wird der Schachbundesliga oft vorgehalten, sie sei völlig unausgewogen und verspreche nur in Nuancen Spannung.
Dem muss man entgegen halten, dass der Kampf um die deutsche Schachmannschaftsmeisterschaft für Experten schon seit Jahrzehnten kaum spannend war. Es gab immer dominierende Vereine. Wie übrigens in anderen Wettkampfsportarten auch, weisen Schachclubs nun einmal unterschiedliche Rahmenbedingungen auf. Zumeist gab es daher immer nur ein paar Vereine, die eine Chance auf den Titel hatten. Das war zu DSB-Zeiten so und ist heuer nicht anders. Nur haben wir heute im Vergleich zu früher einen erheblichen Qualitätssprung bei der Ausrichtung der Wettkämpfe und einen deutlichen Spielstärkeanstieg, um den uns manche anderen Ligen beneiden. Ist das schlecht?
Doch anstatt sich über derartige Erfolge zu freuen, wird typisch deutsch häufig erst einmal das Negative gesucht. Dazu gehört auch, dass den Bundesligaspieltagen der Eventcharakter fehle.
Doch das täuscht. Viele Vereine bieten bei ihren Heimkämpfen inzwischen durchaus attraktive Rahmenprogramme an, die viele Schachenthusiasten anlocken. Oft findet dabei auch eine Livekommentierung der Partien statt. Besondere Bedeutung haben dabei die zentralen Runden, die sich mittlerweile etabliert haben. Wer’s nicht glaubt, kann ja im nächsten Jahr nach Berlin kommen und sich das Spektakel einmal ansehen!
Abgehen davon, darf man aber auch nicht übersehen, dass Schach ein Internetsport geworden ist. Die Schachbundesliga hat hierauf mit einer kostenfreien(!) Liveübertragung geantwortet, die nebenbei bemerkt von den Mitgliedervereinen bezahlt wird. Dass das inzwischen als eine Normalität erlebt wird, erkennt man, wenn die Internetdarstellung der Partien einmal ausfällt. Dann wird zum Teil hemmungslos über die Unfähigkeit der zuständigen Funktionäre gemeckert und gelästert was das Zeug hält. Die gleichen Trolle sind übrigens unterwegs, wenn keine Onlinekommentierung angeboten wird oder sie für diesen Service etwa einen kleinen Obolus entrichten müssen.
Was lehrt uns das?
Man kann eben nicht allen gefallen und viele Standpunkte, Annahmen und Erfahrungswerte lassen sich zweifellos nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen. So let’s agree to disagree!